Donnerstag, 31. Mai 2007

3 fragen an: holger stanislawski

Der alles entscheidende letzte Spieltag ist nicht mehr für jeden alles entscheidend. Der FC St. Pauli hat den Aufstieg in die 2. Bundesliga schon vergangenen Freitag gebührend gefeiert. Auf den ersten Blick erscheint es als Nachteil, dass gerade St. Pauli nun gegen Magdeburg mehr als nur Larifari spielen muss, damit der VfL noch aufsteigen kann. Deshalb haben wir Pauli-Coach Holger Stanislawski zum Speed-Interview gebeten.

Am Wochenende wurde verdientermaßen und kräftezehrend gefeiert. Eigentlich geht es für Ihre Mannschaft im nächsten Spiel um nichts mehr. Mit was für einer Leistung darf man deshalb in Magdeburg rechnen?
Wir bereiten uns genau wie vor jedem anderen Spiel sehr konzentriert vor. Nach dem wahnsinnigen Aufstiegs-Wochenende wollen die Jungs zum Saisonabschluss noch mal alles geben und richtig schönen Fußball spielen. Magdeburg muss sich auf ein hoch-motiviertes Team einstellen, das den Titel als Regionalliga-Meister holen will. Einen sommerlichen Aufstiegs-Kick wird es mit uns sicher nicht geben.

Wer steigt am Ende neben dem FC St. Pauli in die 2. Bundesliga auf?
Ich bin davon überzeugt, dass Magdeburg nicht gegen uns gewinnen wird. Osnabrück und Wuppertal haben also nach wie vor beste Chancen. Wer sein Heimspiel gewinnt, steigt mit uns auf in Liga zwei.

Gibt's etwas, das Ihnen am VfL Osnabrück besonders gefällt?
Osnabrück ist ein absoluter Traditionsverein, genau wie wir. Wenn man sich außerdem einmal die Vereine in der zweiten Liga anschaut, fällt auf: Es gibt außer uns keinen einzigen Nord-Club mehr...

Mittwoch, 30. Mai 2007

der aufstiegs-countdown: 3 bis...

Der Tag der Entscheidung naht. Samstag ist es soweit. Wenn nächste Woche der erste Staatsgast das Ostseebad Heiligendamm erreicht, um dort ordentlich auf G8 zu machen, ist der eigentliche Gipfel des Jahres längst vorbei. Wir wollen hoffen, dass der Zaun an der Bremer Brücke am Samstag gestürmt wird, aber so richtig. Und wir hoffen, dass der Tagungsort am späteren Abend auf den Osnabrücker Rathausbalkon wechselt. Dort dürfen Polizei und Staatsschutz dann Geruchsproben sammeln, so viel sie wollen.

Damit es soweit kommt, gibt es im VfLog jeden Tag ein kleines Aufstiegsopfer. Sonntag zündeten wir eine Kerze an, Montag sandten wir Kopfschmerztabletten nach St. Pauli, gestern hätschelten wir die Hamburger Seele weiter und ließen den Chef des dortigen Literaturhauses zu Wort kommen, und heute?

3) Mittwoch: Wir stellen uns vor, wie es wäre, Magdeburg, Wuppertal oder gar noch Emden zum Aufstieg in eine 2. Bundesliga gratulieren zu müssen, in der u.a. Köln, Freiburg, Mainz, Aachen, Lautern und natürlich der andere VfL mitspielen.
2) Donnerstag
1) Freitag
A U F S T I E G

Dienstag, 29. Mai 2007

18x5 min. für die vfls / #8: rainer moritz

"90 Minuten für die VfLs“ - das ist eine einzigartige Fußball-Literaturaktion exklusiv im VfLog. Wir haben 18 Autoren, die uns sympathisch sind, gebeten, sich fünf Minuten Zeit für uns zu nehmen und irgend etwas zum Thema Fußball, VfL, Gladbach und/oder Osnabrück auf's Papier zu bringen - ein Satz, ein Fragment, voller Tippfehler: egal! Auf dem Fußballfeld ist es ja genauso. Man hat fünf Minuten den Ball, und der kann auch mal ins Aus rollen.

Heute schreibt uns ein echter Feuilletonist: Rainer Moritz ist Leiter vom Literaturhaus Hamburg. Unserer "freundlichen Aufforderung will und kann" er sich "gar nicht entziehen".

Appell an den DUDEN

Über den 23. Juni 1973 ist viel geschrieben worden, über die Verlängerung des Pokalendspiels der Gladbacher Borussia gegen den 1. FC Köln. Als Günter Netzer nach langem Schmollen seinen Platz auf der Bank verlassen durfte oder besser gesagt: verließ. War er es, der entschied, seinen VfL auf die Siegerstraße zu bringen? Oder doch sein mit ihm grollender Trainer Weisweiler?

Wie auch immer: Dieser Augenblick ging unter dem Stichwort „Selbsteinwechslung“ in die Fußballgeschichte ein. Jeder historisch mit Grundkenntnissen ausgestattete Mensch weiß, worum es sich bei diesem Begriff handelt und dass dieser bewunderswerte Akt der Eigeninitiative von herrlichem Erfolg, dem Netzer'schen Siegestreffer, gekrönt wurde, von einem Schuss, der dem Meister bei Lichte besehen ein wenig vom Spann abrutschte.

Alle Welt weiß das – nur die Mannheimer Redaktion des DUDEN ignoriert dieses Phänomen bis heute. „Selbsteinwechslung“, dieses völlig flüssig über die Lippen gehende Wort findet in der Rechtschreibbibel keinen Platz, egal, ob man den alten oder den neuen Orthografieregeln folgt. Alles Mögliche findet auf den entsprechenden Seiten Platz im DUDEN: „Selbstbezichtigung“, „Selbsterniedrigung“, „Selbstfindung“, „Selbstbescheidung“, „Selbstbeweihräucherung“ ... ja, selbst seltene Vokabeln wie „Selbstbinder“, „Selbststeller“ oder „Selbstzerfleischung“ sind salonfähig. Nur an der entscheidenden Stelle – zwischen „Selbsteintritt“ und „Selbstentfaltung“ – klafft eine unverzeihliche Lücke. Dort, genau dort müsste „Selbsteinwechslung“ stehen. Nach bald vierunddreißig Jahren wird es Zeit, diese historische Schuld abzutragen und die Existenz eines wichtigen Begriffs nicht länger zu leugnen.

Rainer Moritz

Montag, 28. Mai 2007

der aufstiegs-countdown: 5 bis...

Kaum ein Stündlein vergeht ohne erneutes Nachrechnen, wohlwissend dass sich die Rahmendaten bis Samstag nicht mehr ändern werden. Heute indes kommt eine wage Furcht hinzu: Ahlen kann noch absteigen. Fast übersehen, dass es für LR oder RW oder wie auch immer sie nun heißen noch um was geht. Ein hoher Sieg von Kiel und ein knapper von Dortmund vorausgesetzt, könnte den Westfalen noch eine Zukunft in der Oberliga blühen. Diesen Anflug von Furcht allerdings münzen wir flugs in ein Nochmehr an Motivation um: Schießen wir sie eben raus aus der Liga!

Bis zum Samstag gibt's hier jeden Tag ein kleines Aufstiegsopfer. Gestern zündeten wir eine Kerze an. Heute gedenken wir den Kickern vom FC St. Pauli, denn die dürfen gegen Magdeburg nicht verlieren.

5) Montag: Wir ordern eine Mannschaftspackung Alka-Seltzer und senden sie in die Kleine Seilerstr. 1 in Hamburg (4. Stock!) - dort wohnt der FC St. Pauli -, damit die Jungs nach den Aufstiegs-Feiereien wieder richtig fit werden. Kiste Astra folgt Samstag!
4) Dienstag
3) Mittwoch
2) Donnerstag
1) Freitag
A U F S T I E G

Sonntag, 27. Mai 2007

der aufstiegs-countdown: 6 bis...

Die Bundesliga der Herzen, sie könnte doch noch Wirklichkeit werden! Das freut nicht nur jeden Osnabrücker, das freut auch jedes fühlende Fohlen, denn mit einem Osnabrücker Aufstieg würde der Gladbacher Abstieg geadelt, ein beschämend elender Vorgang zumindest mit einem Funken Sinn versehen. Nachdem wir zwischendurch die Hoffnung scheinbar aufgegeben hatten (an dieser Stelle schnalzen alle Germanisten bitte einmal mit der Zunge, dass es selbst in Bloggerkreisen noch junge Menschen gibt, die den Unterschied zwischen scheinbar und anscheinend kennen), können wir nun auch wieder öffentlich bekennen: Wir haben immer gebrannt und brennen seit gestern noch mehr, lichterloh und lila. Osnabrück in Liga zwei, bitte, bitte... Es sind noch sechs Tage bis zum großen Tag.

Wir fühlen uns heute wie Gefängnisinsassen in ihrer Zelle, die noch sechs Tage bis zur Entlassung haben. Ach, möge unserem Gnadengesuch entsprochen werden! Wir jedenfalls machen unsere Strichliste und zählen rückwärts. Und auch wenn der Fußballgott schon in die Ferien gefahren ist, wir werden ihm fürderhin täglich ein kleines Opfer bringen:

6) Sonntag: Wir zünden dem Wochentage angemessen eine Kerze für den Aufstieg an, obwohl es in der Wohnung eh schon eklig schwül ist.
5) Montag
4) Dienstag
3) Mittwoch
2) Donnerstag
1) Freitag
A U F S T I E G

Samstag, 26. Mai 2007

danke, emden. kommando zurück

Im Moment ist es ja richtig en vogue, um Entschuldigung zu bitten, zu bereuen. Da wollen wir in nichts nachstehen. Wir haben nicht gedopt, eher im Gegenteil. Um das Leiden klein zu halten und sich mit dem vermeintlich Unabwendbaren möglichst früh emotional zu arrangieren, hatten wir die Saison schon frühzeitig für beendet erklärt. Nach dem besiegelten und erschreckend wehrlosen Abstieg des einen VfL und angesichts des völlig unerklärbar ins Stocken geratenen Aufstiegszugs des anderen schien uns die Flucht in die Realität angebracht. Nun gibt es mehr als Grund zum Hoffen, dass es eine versehentliche Flucht aus der Realität war – Verzeihung!

Emden siegt leidenschaftlich 4:2 gegen Magdeburg, Osnabrück erfüllt seine Pflicht beim Freundschaftsspiel in Gladbach, gewinnt 4:0 und untermauert seine Lauerstellung. Einen Punkt liegt Osnabrück nun als Drittplatzierter hinter Magdeburg, das kommenden Samstag daheim gegen die gestern aufgestiegenen Kiezkicker aus St. Pauli ran muss. Die Saison also ist noch eine Woche in vollem Gange – wir sind zurück im Geschäft!

Im Endeffekt ist die zugegeben sehr billige Rechnung aufgegangen. Natürlich haben auch wir jeden Tag gehofft und gerechnet, waren skeptisch und doch wieder zuversichtlich. Natürlich haben auch wir ganz geheim daran geglaubt, die Mannschaft könne noch einmal zurückkommen – ein bisschen jedenfalls. Nur: Wer nach außen offensiv genug Pessimismus und Apokalypse kommuniziert, hat umso besser Lachen, wenn sich das Blatt wirklich noch einmal wendet. Im Misserfolgsfall wären wir gestählt gewesen – nun sind wir voll Freude!

Vielleicht klappt es am kommenden Samstag in der Tat noch, das Zweitliga-Ticket zu lösen. Das wäre wunderbar. Nun wären wir allerdings nicht ganz ehrlich, ließen wir das Gegenteil unbesehen: Im Fall eines Magdeburger Siegs gegen St. Pauli wäre dies ein Nichtaufstieg, der bitterer und fahrlässiger kaum vorstellbar ist. Denn ein Punkt mehr hätte gereicht. Man hätte ihn gegen Hamburg oder St. Pauli, gegen Wilhelmshaven oder Emden, gegen Leverkusen, Dortmund oder wen auch immer einfahren können. Unter Umständen wird das Leiden in einer Woche immens sein und nicht mehr klein zu halten. Doch damit beschäftigen wir uns bis dahin nicht. Jetzt heißt es Hoffen. Versprochen!

Freitag, 25. Mai 2007

und das beste zum schluss

Der Spielbudenplatz in Hamburg wird am Abend aller Voraussicht nach zu einem Tollhaus. Schließlich könnte der FC St. Pauli im Heimspiel gegen Dresden den Aufstieg in die 2. Liga perfekt machen. Andernorts, fernab von Osnabrück und Gladbach, wird also noch so etwas wie Fußball gespielt, ganz ernsthaft und mit großen Erwartungen.

Die VfLs bespaßen sich derweil in Freundschaftsspielen, am Samstag sogar gegeneinander. Im BorussiaPark treffen Horst Wohlers' tapfere Fohlen, die bereits als Absteiger feststehen, auf lila-weiße Regionalligaspieler aus Osnabrück. Es steht eine kleine Feierstunde zum Saisonabschluss an.

Die letzten Wochen hatten es für beide Teams in sich. Gladbach hat mehr als Courage bewiesen, als der Abstiegskampf schon aussichtslos war. Aus den letzten neun Spielen holten die kleinen Fohlen 17 Punkte: Fünf Siege, zwei Unentschieden, zwei Niederlagen. Erstmals seit Saisonbeginn weist das Team einen Wert von mehr als einem Punkt pro Spiel auf (siehe VftabelLe rechts). Was wäre möglich gewesen, wären die Regionalliga-Frischlinge nicht so katastrophal in die Saison gestartet!

Beim VfL Osnabrück ist es genau umgekehrt, insofern könnte das Spiel am Samstag fast schon wieder spannend werden. In Osnabrück verliert eine anfangs mehr oder weniger dominierende Mannschaft Punkt und Punkt in einem Kampf, der vor Wochen einmal ein Aufstiegskampf war. Mittlerweile geht es um die Goldene Ananas, als Schmankerl gibt's am Ende immerhin ein kleines VfduelL. Was schlussendlich den Ausschlag dafür gab, dass Osnabrück den Anschluss an die Tabellenspitze verloren hat, ist schwer zu sagen. Wahrscheinlich eine Mischung aus charakterlicher Unreife einiger Spiele, mangelnder Klasse, Unerfahrenheit und Lässigkeit. Wenn das alles am Ende einer langen Saison zusammenkommt, gehen die Spiele 2:4 oder 0:0 aus.

Das Stelldichein in Gladbach ist von angemessen grotesker Bedeutungslosigkeit beseelt, noch dazu in einem großen leeren Stadion, an einem Ort, der spätestens seit dieser Saison für den Inbegriff des Scheiterns steht, für Niederlagen, seelenlose Auftritte. Das ganze aussichtslose Treiben verdeutlich ganz gut, was es heißt, VfLer zu sein.

Donnerstag, 24. Mai 2007

über idioten

So ganz ist uns ja allen noch nicht klar, wie das nächste Saison werden wird, wenn wir dann Woche für Woche in der 2. Liga umherreisen. Ich meine nicht nur die großen Veränderungen, andere Städte, andere Vereine und sicher wieder einmal viele andere Spieler in der eigenen Elf. Die Details sind es, die wirklich deutlich machen, dass alles anders ist: Die Videotextseiten ändern sich, auf die wir schauen müssen. Die Tabelle steht nicht mehr auf Seite 1 unseres Sportteils in der Tageszeitung. Und keiner kann uns heute versprechen, dass wir eine erfolgstrunkene Zeit haben werden. Anton Tschechow, von uns verehrter Literat der Melancholie und des Stillstands, warnt daher auch zu Recht nicht vor dem Paukenschlag des Abstiegs, sondern vor der Zeit, die kommt, wenn der bittere Schlag scheinbar verkraftet ist: "Eine Krise kann jeder Idiot haben. Was uns zu schaffen macht, ist der Alltag." Machen wir uns auf ein weiteres hartes Jahr gefasst und vielleicht mehr.

Mittwoch, 23. Mai 2007

seitenwechsel #32

Schillernde Juwelen sind rar - deshalb sollte man sie von vielen Seiten beschauen und staunen. Seit 1997 bereits beobachtet Seitenwahl für seine Leser das Gladbacher Geschehen, 2004 gesellte sich der VfLog dazu. Zu Saisonbeginn haben Seitenwahl und VfLog einen Briefwechsel begonnen, um den Blick zu weiten.
Diese Woche ist Mike wieder da und hat für den 32. Schriftsatz gleich einmal vorgelegt; seinen Brief lest Ihr unten. Maiks Antwort steht wie gewohnt bei
Seitenwahl. Darin berichtet er nicht zuletzt von seinem Lebenstraum, den er Gerard Depardieu abgeschaut hat.

Meine lieben Freunde,

wie ich lesen konnte, habt Ihr Euch mit meinem geschätzten Kollegen Christoph Clausen blendend austauschen können. Doch Eure Warnung, ich könne mich warm anziehen, lässt mich - um im Bild zu bleiben - kalt. Dass Euch der Kollege Clausen als promovierter Literaturwissenschaftler per definitionem mit einer bildhaften Sprache und klugen Zitaten begegnet, überrascht mich nicht. Da kann ich als einfacher Journalist nicht mithalten, meine Zitate beziehe ich ausschließlich über entsprechende Duden. Dennoch vielen Dank für Eure Grüße in den Urlaub, der in der Tat erholsam war. Ich habe Thüringen und Sachsen-Anhalt bereist, war in Naumburg an der Saale, Leipzig und Weimar, eine wahrlich beeindruckende Stadt. Im Goethehaus konnte ich meiner Sammlung Kaffeetassen ein weiteres Exemplar hinzufügen, doch dazu später mehr.

Denn genug der Belanglosigkeiten! Die Saison 2006/07 scheint sich zur völligen Katastrophe zu entwickeln, da der Aufstieg des VfL Osnabrück dem im Fußball viel zu oft bemühten Wunder gleichkäme, und heute vernahm ich zusätzlich, dass der 1.FC Köln Interesse am besten Stürmer des VfL hat: Addy Waku-Menga.
Die Saison"leistung" Borussias hingegen bedarf kaum großer Worte, kluge und weniger kluge Fazite werden landauf, landab bereits in ausreichender Stückzahl produziert, viel Neues wird man indes nicht lesen. Heynckes ist schuld, Pander ist schuld, Königs ist schuld, Luhukay immerhin ein bißchen schuld, nur die Herren Profis kommen wie immer zu gut weg.

Ist es da ein zynischer Wink des Fußballgottes, dass am kommenden Samstag der Nicht-Aufstieg Osnabrücks im BorussiaPark besiegelt werden könnte? Dem Ort, der spätestens seit dieser Saison für den Inbegriff des Scheiterns steht, für Niederlagen, seelenlose Auftritte und durchschnittliches Essen im Presseraum?
Glaubt man den Fans Borussias, und das tun wir, ist vielen die Liebe zur Borussia abhanden gekommen. Denn eigentlich ist der harte Kern nicht der Kategorie "Erfolgsfan" zuzuordnen. In Mönchengladbach ist man Niederlagen gewöhnt, auch bittere Niederlagen. Das war schon zu Fohlenzeiten so. Aber man verlor früher schöner, ja, man starb fast in Schönheit. Es war immer dieser entscheidende Unterschied zum kühlen Ergebnisfußball der Münchener Bayern, der bis heute das Sinnbild Borussias sein sollte und immer noch der Grund für die besondere Rivalität der ehemaligen Konkurrenten auf Augenhöhe ist. Eine Tatsache, die heute, fernab von Marken, Modefans und Merchandising, von vielen jungen Fans nicht mehr verstanden wird. Wenn jedoch Liebe und Leidenschaft verloren gehen, ist es fünf vor zwölf.

Als ich heute auf Borussias offizielle Vereinshomepage surfte, blickte ich auf ein Pop-up-Fenster, das mir entgegensprang. Für eine Partnervermittlung wurde dort geworben, es hieß: "Meetic - Eine Chance zum Verlieben". Angesichts der soeben von mir aufgeführten geschundenen Seele der Fans ist eine solche Werbung fast schon zynisch. Doch, und damit komme ich auf meine Kaffeetasse aus Weimar zurück, gibt es diese Tage, an denen solche Dinge ein Gesamtbild ergeben, so, als ob der Fußballgott uns etwas mitteilen wollte. Denn während ich "Eine Chance zum Verlieben" las, nippte ich an meinem Kaffee und las das - genau - Zitat Goethes, das in schwungvollen Lettern auf der Tasse verewigt ist:

"Freudvoll und leidvoll,
gedankenvoll sein,
Hangen und Bangen
in schwungvoller Sein.
Himmelhoch jauchzend
zum Tode betrübt,
glücklich allein
ist die Seele, die liebt."

Nein, diesmal ist es nicht der "Faust", der hier Pate stand, es ist "Ein deutsches Trauerspiel".
Es grüßt
Mike

P.S.: Wenn Ihr die Biographie Gospodareks auswendig lernen wollt, tut dies bei uns!

Dienstag, 22. Mai 2007

18x5 min. für die vfls / #7: kay-sölve richter

"90 Minuten für die VfLs“ - das ist eine einzigartige Fußball-Literaturaktion exklusiv im VfLog. Wir haben 18 Autoren, die uns sympathisch sind, gebeten, sich fünf Minuten Zeit für uns zu nehmen. Die Aufgabe war ganz einfach: Die Teilnehmer sollten sich hinsetzen, auf die Uhr schauen, kurz nachdenken und los geht's: Auf's Papier kommt eine Assoziation, eine Erinnerung, eine Anekdote, irgendein Gedanken – kurz: irgend etwas – zum Thema Fußball, VfL, Gladbach und/oder Osnabrück. Wenn das Ergebnis auch nur ein Satz ist, ein Fragment, voller Tippfehler – egal! Auf dem Fußballfeld ist es ja genauso: Man hat fünf Minuten den Ball, und der kann auch mal ins Aus rollen.

Heute schreibt uns Kay-Sölve Richter, bekanntermaßen ein Idol unserer tristen Morgende.

Lieber Herr Zierold,

vielen Dank erstmal für Ihren netten Brief. Ich helfe Ihnen natürlich gerne bei Ihrem Projekt.

Und während der fünf Minuten Nachdenkzeit habe ich überlegt, was ich überhaupt über Fußball alles schon weiß, und welche Begriffe ich eindeutig zuordnen kann.

Und hier ist das Ergebnis:

Abseits, das; Ort, an dem sich während des Fußballspiels die Frauen aufhalten sollten.

Abseitsfalle, die; wenn der Mann die Frau fragt, was ein Abseits ist, um ihr zu zeigen, dass sie keine Ahnung hat.

Grätsche, die; Abk. für: (à) Grätsche-Frage: "Für wen bissn du?"

Bundestrainer, die; im Plural zu verwenden, da es allein in Deutschland ca. 80 Millionen davon gibt.

Eckfahne, die; hat man nach der Siegesfeier in der Kneipe um die Ecke

Herzliche Grüße
Kay-Sölve Richter

Montag, 21. Mai 2007

glückwunsch

Ach ja, Stuttgart ist letzte Woche Meister geworden. Herzlichen Glückwunsch! Wir feiern entweder mit Maultaschen vom bereits gelobtem weltbesten Maultäschner Otto Buck aus Freudenstadt, oder mit selbstgemachten Spätzle. Das Rezept meiner Uroma ist geheim, aber als Anerkennung für den VfB, der ja immerhin bis auf einen Buchstaben alles richtig gemacht hat, suchen wir das beste Spätzlerezept eines VfL-Fans. Und bitte nicht von irgendwelchen Rezeptseiten kopieren, wir wollen wissen, was Eure Spätzle so besonders macht. Mailen an deutschermeister@vflog.de, es gibt wieder ein Reclamheft zu gewinnen.

Sonntag, 20. Mai 2007

essen und braunschweig

Die Liga formt sich langsam: Essen und Braunschweig sind auch wieder dabei. Herzlich Willkommen! Die Vorfreude auf die neue Saison also bricht sich allmählich Bahn. Und es wird Zeit, dass sie losgeht.

Ja, diese Klage kommt gleich am ersten fußballfreien Sommerpausenwochenende recht früh, zugegeben. Aber was passiert auch, wenn kein Ball rollt? Man liegt im Park, döst ein, holt sich einen schlimmen Sonnenbrand und sieht aus wie ein Bayern-Fan. Das sind die schlimmen Folgen einer fußballosen Zeit!
Gottlob wähnen wir uns immer etwas unserer Zeit voraus. Daher schau'n mer mal, wann im VfLog die neue Saison beginnt.

Samstag, 19. Mai 2007

samstag, 18 uhr

Es ist schon gewöhnungsbedürftig. Es ist Samstag, 18 Uhr und nach langer Zeit müssen wir uns daran gewöhnen, dass kein Fußball mehr gespielt worden ist, keine Sportschau zu schauen ist. Was tun mit der gewonnenen freien Zeit (die, je nach Hingabe, variiert zwischen 105 Minuten Fußball im Radio, 70 Minuten Sportschau, 60 Minuten Sportstudio oder gar vollkommen drangegebenen Wochenenden, die mit der Anreise zum Spiel begannen und lange nach dem unseligen DSF-Doppelpass erst endeten)? Wie die zäh dahinfließenden Minuten füllen, bis die 2. Liga 2007/2008 angepfiffen wird?

Ganz abstinent sind wir nicht, klar. Wir durchpflügen weiter die Webpages, lernen die Biographie von Uwe Gospodarek auswendig, träumen vom Wiederaufstieg. Aber das ist nicht abendfüllend. Noch sind da Phantomschmerzen, samstags um 18 Uhr. Gleich gehen wir ins Theater. Tschechow, Drei Schwestern. Olga wird sagen: "Bald werden wir erfahren, wozu wir leben." Pause. "Wenn man es nur wüsste, wenn man es nur wüsste!"

Freitag, 18. Mai 2007

aus und vorbei

Kaum, dass man sich versieht, ist wieder eine Spielzeit vorbei. Gerade noch war Saisonfinale - schwupps, ist die Sommerpause da. Bürgerliche Medien scheinen auf diese absehbare Zäsur recht unvorbereitet - tun sie doch unvermindert so, als gehe alles weiter wie immer. Von Stuttgarter Träumen ist da die Rede oder davon, dass Magdeburg vor einem Durchmarsch stehe. Das ficht uns nicht an.

Derweil also andernorts weiter von Fußball die Rede ist, obwohl definitiv kein Fußball mehr ist, muss sich die journalistische Avantgarde Alternativen überlegen. Wir stellen fest: Viele Leser finden Tag für Tag zu uns, weil sie sich ausweislich diverser Suchmaschineneinträge für "junge Dinger" interessieren. Wohl wissend, dass sie das Ergebnis ihrer Bemühungen bisher eher weniger befriedigend bewerten dürften, verhandeln wir nun mit den Machern der Zeitschrift Cavallo über eine Kooperation während der Sommerpause. Vielleicht gibt es bald fesche nackte junge Dinger im VfLog! Fohlen natürlich, das versteht sich von selbst.

Donnerstag, 17. Mai 2007

vfl à la vfb gesucht!

Es ist nicht leicht dieser Tage, mit Frohsinn nach vorn zu schauen. Zuviel Hoffnung wurde jäh zerstört, zu viele Träume sind auf einmal ausgeträumt. Manchmal aber gibt es Anlass zu großer Freude, und - ja, das ist so wunderbar richtig: Schadenfreude ist bekanntlich die schönste Freude.

Schalke 04. So ganz reicht das Saisonfinale noch nicht an diese beispiellose Herrlichkeit heran, die seinerzeit das letzte Mal schlimme, schlimme Tränen auf die blau-weißen Gesichter zauberte. Nein, das damalige Hamburger Finale ist nicht zu toppen, sicher auch, weil der größte denkbare Rivale, Bayern München, damals der große Jubilar war.
Dennoch: Der letzte Samstagnachmittag war schon toll. Der schönste Höhepunkt dieser schlimmen, schlimmen Saison könnte indes am kommenden Wochenende folgen, wenn Stuttgart daheim unentschieden gegen Cottbus spielte und Schalke nur 3:0 gegen Bielefeld gewänne.

Weil es zu diesem Gipfel aller Voraussicht nach nicht kommen wird, suchen wir nach einem weiteren Ventil für unseren bösartigen Charakter: Unsere VftabelLe (rechts auf dieser Seite) bzw. dort den VfL Herzberg.
Nachdem die beiden Borussias mittlerweile mehr oder weniger gerettet sind, weil unsere Suche nach anderen Desaster-VfLs sehr erfolgreich war, macht sich in unserer kleinen, exklusiven VfLiga derzeit die Langeweile breit. Das ist nicht länger hinnehmbar.

Seit gefühlten fünf Jahren rangiert der VfL Herzberg unangefochten an der VftabelLenspitze. Herzberg weist mit einer Bilanz von 17 Siegen, einem Unentschieden und einer Niederlage nunmehr 2,74 Punkte pro Spiel auf; die 87 geschossenen Tore seien auch erwähnt.
Wir suchen nun einen Kontrahenten, der das Saisonfinale auch für Herzberg zu einem adäquaten Kräftemessen unter VfLs macht. Besser noch: Wer kennt einen VfL, der die Herzberger kurz vor der geplanten Meisterfeier noch vom Thron wirft? Wieder darf jeder VfL, der an einem regelmäßigen Ligaspielbetrieb teilnimmt, benannt werden - einfach eine kurze Mail an vftabelle@vflog.de schicken.

Derweil der Kampf um die Tabellenspitze womöglich noch einmal spannend wird, liefern sich Großkötz und Ehingen im Keller einen entfesselten Abstiegskampf. Nur 0,02 Punkte entscheiden im Moment darüber, wer in der nächsten Saison noch in der VfLiga dabei sein darf und wer absteigen muss. Beide Teams - Ehingen am Samstag im Heimspiel gegen den TSV Colmberg, Größkötz zu Gast bei der SG Reisensburg-Leinheim - brauchen jetzt Ihre Unterstützung! Fahren Sie dorthin! Spannender als in Gladbach oder Osnabrück ist es allemal.

Mittwoch, 16. Mai 2007

seitenwechsel #31

Schillernde Juwelen sind rar - deshalb sollte man sie von vielen Seiten beschauen und staunen. Seit 1997 bereits beobachtet Seitenwahl für seine Leser das Gladbacher Geschehen, 2004 gesellte sich der VfLog dazu. Zu Saisonbeginn haben Seitenwahl und VfLog einen Briefwechsel begonnen, um den Blick zu weiten. Diese Woche gibt es ein besonderes Schmankerl. Am Ende einer ausweglosen Saison nämlich haben wir einen Joker eingewechselt: Für die Seitenwahl-Kollegen hat diesmal nicht wie sonst immer Mike, sondern Christoph vorgelegt. Seinen Brief lest Ihr unten. Martins Antwort steht bei Seitenwahl.

Lieber Martin, lieber Maik,

heute schreibt die Vertretung, denn Mike hat sich in den Urlaub verabschiedet. Wer wollte es ihm auch verdenken? Es gibt kaum etwas, was den Borussen derzeit im Land halten würde. Es ist ja nicht der Abstieg an sich – an den Gedanken hat man sich gewöhnt. Es ist die Seelenlosigkeit, mit der er sich vollzieht. Am Samstag präsentierte uns der Gegner, wie man sich eben auch aus der Liga verabschieden kann: als Mannschaft, die es nicht nötig hat, sich den „Ein Team“-Gedanken aufs Hemd zu schreiben, als Mannschaft, die mit Mut und Leidenschaft auftritt und auf die ihre Anhänger noch im Abstieg stolz sein können. Blicken wir zurück: In den Siebzigern sprachen manche von einer Gladbacher „Ästhetik des Scheiterns“: Über die gewonnenen Titel hinaus war es die herzzerreißende Art, in der die Borussen Ziele verfehlten, durch die ein phantastisches Team erst zur Legende wurde. Die Annullierung des 7:1 gegen Mailand fällt in diese Kategorie, aber auch die spielerisch grandiose Niederlage im Europacupfinale gegen Liverpool. Dreißig Jahre später ist die Borussia von solchen Dimensionen Lichtjahre entfernt. Aber selbst den Abstieg könnte man ihr noch verzeihen, wenn, ja wenn nicht ihre täppischen, einfallslosen und blutleeren Offensivversuche das Gegenteil dessen wären, was für diesen Verein identitätsstiftend sein sollte.

Wo die eigene Gegenwart düster und die Zukunft trüb ist, richtet sich die Aufmerksamkeit andernorts. Camus, in seiner Jugend als Torwart aktiv, schrieb einst, er habe alles, was es über Moral und Pflicht zu wissen gebe, beim Fußball gelernt. So weit muss man nicht gehen, aber es stimmt schon, dass man bei diesem Sport manches über sich erfahren kann, auch über wenig präsentable, niedere Instinkte. Am Samstag war es die Schadenfreude, die in Camus’ Sprache eine wahrhaft teuflische („une joie satanique“) ist (Das Englische dagegen hat kein Wort dafür. Sagt das etwas über die Engländer aus?). Als die in Gladbach so ungeliebten Aachener kurz vor Schluss den späten Ausgleich kassierten, löste das einen jener Schreie der Begeisterung aus, zu denen meine Borussia schon lange keinen Anlass mehr gibt. Allein, unmittelbar darauf stellte sich die Erkenntnis ein, dass der Treffer zugleich auch alle Mainzer Hoffnungen zunichte machte. Denen aber und speziell ihrem Trainer hätte ich den Klassenverbleib ehrlich gegönnt. Ach, selbst die Schadenfreude wird einem heute vergällt.

Ich grüße Euch beide, und da oben schon vom Teufel die Rede war, tue ich das mit den Worten des Marloweschen Mephastophilis: „Es ist ein Trost, im Schmerz Leidensgenossen gehabt zu haben.“

Christoph

Dienstag, 15. Mai 2007

18x5 min. für die vfls / #6: sarah kuttner

"90 Minuten für die VfLs“ - das ist eine einzigartige Fußball-Literaturaktion exklusiv im VfLog. Wir haben 18 Autoren, die uns sympathisch sind, gebeten, sich fünf Minuten Zeit für uns zu nehmen. Die Aufgabe war ganz einfach: Die Teilnehmer sollten sich hinsetzen, auf die Uhr schauen, kurz nachdenken und los geht's: Auf's Papier kommt eine Assoziation, eine Erinnerung, eine Anekdote, irgendein Gedanken – kurz: irgend etwas – zum Thema Fußball, VfL, Gladbach und/oder Osnabrück. Wenn das Ergebnis auch nur ein Satz ist, ein Fragment, voller Tippfehler – egal! Auf dem Fußballfeld ist es ja genauso: Man hat fünf Minuten den Ball, und der kann auch mal ins Aus rollen.

Heute schreibt uns jemand nicht: Sarah Kuttner, kurz vor unserer Anfrage von ihren Sendeverpflichtungen entbunden, ist dennoch viel beschäftigt und kann keine 5 Minuten aufbringen. Nicht so schlimm: Denn von Fußball hat sie laut ihrer Assistentin offenbar auch keine Ahnung. Und doch schade, wo sie doch sonst so süß über jedes Thema brabbeln kann.

lieber herr gizinski, vielen dank für eure anfrage bez. beitrag sarah kuttner. leider kann sarah sowohl aus fussballtechnischen gründen als auch aus zeitlichen gründen nicht an diesem projekt teilnehmen.
wir wünschen trotzdem alles gute und viel erfolg beste grüsse aus berlin ansa seidenstücker

Montag, 14. Mai 2007

ausgebrannt

Wenn man fällt, tief und immer weiter und man sieht lange, immer länger, wie der harte Boden näherkommt, an dem man zerschellen wird: macht das den Aufprall einfacher?

Sonntag, 13. Mai 2007

adieu, liga 1

Lange schien es, als sei die gute, alte Bundesliga nicht mehr das, was sie mal war. Irgendwie langweiliger, stromlinienförmiger, geprägt von all diesen Vereinen, die im Herzen längst GmbHs, AGs geworden sind. Und dann kommt so ein Spieltag wie gestern. Und wir müssen feststellen: Die Bundesliga, sie lebt doch, auch in ihrem neuen, kommerzielleren Gewand. Sie wird uns fehlen. Und wenn die letzte Immobilie steht, dort wo einst der Bökelberg war, dann fragen wir uns vielleicht, ob es damals war, als Gladbach sein Herz verloren hat, als Gladbach selbst zur Kapitalgesellschaft geworden ist. Wenn dem so ist, dann ist es eine feine Ironie des Fußballgottes, dass all die Manager das Spiel, was sie sich da ausgesucht haben, nie richtig verstanden haben. Das immerhin ist sympathisch, denn so geht es auch Mainz, so ging es Freiburg. Wenn wir wieder in Liga 1 sein werden, dann möchte ich auch künftig nicht wie Schalke sein, nicht Dortmund, nicht Bayern, sondern wie Mainz. Früher hätte man einfach gesagt: wie Gladbach. Doch ob diese Zeiten je wiederkommen?

Samstag, 12. Mai 2007

reflexe

Ach, die Reflexe stimmen noch, das ist doch schön. Kaum dass in Zeiten des vermeintlichen Niedergangs geschrieben wird, nicht alles sei schlecht, im Gegenteil: die Stellschrauben seien doch richig justiert, regt sich Widerstand. Gut so.

Wähnten wir uns in den vergangenen Wochen und Monaten des vorgeblichen Erfolgs doch geradezu stillschweigend gemein mit dem Mainstream, sind nun endlich sowohl Trainer als auch Management und Führungsetage des VfL wieder indiskutabel. Jetzt endlich melden sich die wirklichen Experten zu Wort. Was wäre der VfL ohne sie! Dass es für ihre Expertise immer erst sportliche Misserfolge braucht, ist ein Jammer.

Geradezu wunderbar mutet dieser Protest an, wenn sich inmitten der Rücktrittsforderer und Katastrophenbeschwörer der ein oder andere schüchtern erkundigt, wie das denn bei der Niederlage in Hamburg wirklich zugegangen sei - selbst sei man ja nicht dabei gewesen. Herrlich, das ganze. Mehr desselben! So ganz spaßfrei wird die kommende Spielzeit gottlob doch nicht.

Freitag, 11. Mai 2007

unentschuldbar

Bis nach 22 Uhr stand Pele Wollitz im Presseraum der AOL-Arena neugierigen Journalisten Rede und Antwort, ehe er, von ihnen in Ruhe gelassen, zur ebenso dort lauschenden kleinen Runde um Präsident Dirk Rasch und Manager Lothar Gans eilte und sagte: "Es tut mir leid!" Da standen sie also, die Macher beim VfL, und - das ist das einzig Beruhigende an einem Abend der großen Enttäuschung - sie stehen nicht nur in Hamburg ganz eng beieinander. Mit großer Gelassenheit strahlen sie aus: "Wir schaffen es, und wir schaffen es gemeinsam. Wenn auch vielleicht nicht in diesem Jahr."

Dem war eine erschreckende Darbietung vorausgegangen, ein Spiel, das die Hamburger Amateure ohne weiteres auch mit sieben oder acht Treffern hätten beenden können, wenn Frederik Gößling nicht glänzend gehalten hätte. So hieß es am Ende 2:4, und wie genau dieses Ergebnis zustande kam, soll uns an dieser Stelle nur insoweit scheren, als die Leistung einiger Spieler derart unterirdisch war, dass die VfL-Fans etwa ab der 70. Minute "Wir ha'm die Schnauze voll" skandierten - und damit ihrem Trainer aus der Seele sangen.
Wollitz nahm dann auch nicht länger ein Blatt vor den Mund. Er redete Klartext, auch öffentlich, und das ist eine neue Qualität, die zeigt, wie enttäuscht auch Wollitz vom Schaffen einiger seiner Eleven ist. Daniel Cartus, Jan Schanda und wohl auch Dominique Ndjeng werden, so mutig darf man spekulieren, wenn nicht in diesem, dann in gar keinem Jahr mehr mit dem VfL aufsteigen.

Für die Blockade bei einigen jungen Spielern nach dem frühen Rückstand hatte der Trainer noch einigermaßen Verständnis. "Viele Spieler sind zu mir gekommen und haben sich bei mir entschuldigt." Auch dass nach dem 0:1 in der 2. Minute vielen die Muffe ging, weil "der nächste Konter das Ende bedeuten kann", mochte Wollitz noch verstehen. Doch eben der Fehler, der Ndjeng vor dem frühen Gegentor unterlief: "Bei allem Respekt - und ich mag den Dominique Ndjeng menschlich sehr -, das geht nicht. Nach so einem Fehler braucht sich der Spieler hinterher auch nicht hinstellen und sich entschuldigen. So etwas ist nicht zu entschuldigen. Es gibt im Fußball keine Entschuldigungen, und Mitleid gibt es schon gar nicht. Sowas darf einfach nicht passieren!"

Was sich liest wie ein Donnerwetter war der Anfang eines Orkans, der Daniel Cartus wegfegte. Cartus, der seit Wochen bahnbrechend schlechte Leistungen abliefert, bekam ein Zeugnis in Sachen Laufbereitschaft, Einsatzwillen und Körpersprache ausgestellt, das wir hier anstandshalber nicht zitieren wollen; auch Jan Schanda wurde von dem Unwetter erfasst. "Ich hab kein Bock mehr auf dieses 'für sich, für sich, für sich'. Es geht hier um einen tollen Traditionsverein und nicht um irgendeinen Einzelnen!"

Frederik Gößling zum Beispiel, aber auch Daniel Chitsulo und Addy Menga - der, obwohl bei seinem Comeback noch nicht wieder topfit, erschreckend offenbarte, woran es der Osnabrücker Offensive lange mangelte -, Jo Enochs natürlich und Thomas Cichon - der nach dem Spiel noch lange mit Lothar Gans enttäuscht auf der Ersatzbank saß und haderte - sind Charaktere, auf die der Verein stolz sein kann, weil sie auf ihn stolz sind, und die es nun für die kommende Spielzeit zu halten gilt. Genauso wichtig aber ist, den Kader endlich in der Breite qualitativ nachzurüsten. Genau dies hatte Wollitz eigentlich schon in dieser Spielzeit erledigt geglaubt. "Wir haben den Kader breiter gemacht, ich finde auch in der Breite stärker", sagte er im vergangenen Juli im VfLog-Interview. Das hat sich als Trugschluss erwiesen, und hinterher ist man immer schlauer.

Wenn der Verein sich nun halbwegs sicher auf eine weitere Saison in der Regionalliga einstellen muss, kann einem unwohl werden, denn in der kommenden gibt es Druck von oben und von unten: Aufsteigen muss bestensfalls das Ziel lauten, doch um sich im erneuten Misserfolgsfall anschließend für die neue eingleisige dritte Liga zu qualifizieren, müsste der VfL mindestens Zehnter werden. Dass sowas nicht immer perfekt planbar ist, diese Erfahrung macht gerade der VfB Lübeck. Trotzdem: In dem Wissen, dass sich dieses Management und dieser Trainer einem neuen Anlauf stellen, lässt sich ruhig schlafen. Sie arbeiten professionell und mit Leidenschaft, und sie identifizieren sich vollkommen mit dem Verein.

Donnerstag, 10. Mai 2007

plopp, und wir sind tot

Da ist ein Traum geplatzt /
und die Zeit wird knapp.
Johnny Liebling

Wir müssen sterben. Alle. Das gehört zu den unabweislichen Realitäten im Leben. Dass die Endlichkeit der eigenen Zeit seine Vorteile hat, mag man vor allem am Anfang noch gerne zugestehen. Und dann kommt irgendwann das, was mal midlife-crisis heißt, mal Torschlusspanik, wie auch immer. Dann ist die Endlichkeit kein Ansporn mehr, sondern Drohung. War das schon alles? Ich habe mein Leben bisher doch nur vertan, getändelt, zuviel ferngeschaut, zuwenig geliebt, zuviel schlechten Wein gesoffen, zu wenig guten, zuviele Pauschalreisen gemacht, zu selten meinem Chef gesagt, dass ich jetzt gehe, zu, zu, zu...

Glücklich wird mit diesem Gejammer niemand, das ist klar. Es kommt immer dann auf, wenn die Zukunft nichts mehr zu bieten, die eigene Geschichte schon fertig erzählt scheint, oder man den eigenen Zukunftsplänen nicht mehr trauen mag, mit denen man sich vor dem Schlafengehen früher selbst getröstet hat.

Der Mensch und seine Geschichten! Wie betörend können sie sein. Bergleute im eingestürzten Schacht haben sich das Leben gerettet, indem sie sich Geschichten erzählen bis Hilfe kam, Bankräuber mit Geiseln werden sanft, wenn sie von ihrem verpatzten Leben reden dürfen und von den Kindern ihrer Gefangenen hören. Geschichten geben Hoffnung, solange man sie glauben mag.

Unsere Geschichte der letzten Monate war die gemeinsame 2. Liga der VfLs. Ein Aufstieg von Osnabrück hätte dem elenden Leiden in Gladbach einen kuriosen Sinn gegeben. Wir haben uns! - Was brauchen wir da Bayern, Stuttgart, Bremen, hätten wir als klassische coocooner der Fußballliebe geschnurrt und uns aneinander gekuschelt.

Heute abend ist klar: Diese Geschichte ist ein Märchen. Wir haben uns bittere Wochen damit schöngeredet, aber wahr wird das nicht. Osnabrück verliert in Hamburg. Plopp macht die Seifenblase und der Traum ist geplatzt.

Wir müssen sterben. Alle, irgendwann. Da sollte man nicht immer nur in Zeiträumen von Stunden, Tagen, vielleicht Wochen denken, sondern auch das Große sehen. Ein Winzer sagte mir einmal, ihm sei jeden Tag im Weinberg bewusst, dass er in seinem Leben vielleicht dreißig Weinjahrgänge hat, mehr nicht. Versaut er einen, kann er das erst in einem Jahr wieder gutmachen, anders als Fußballer, Musiker, Blogautoren.

Jeder von uns hat im Leben, je nachdem wann er Fan wurde und wie lange er lebt, vielleicht 40 Ligasaisons, 50, 60 wenn es hochkommt. Jetzt, wo der Traum der lila Liga 2 geplatzt ist, ist wieder ein Jahr verschenkt. Die Zeit wird knapp, jede Sekunde ein bißchen mehr. Genießen wir diesen traurigen Abend.

Mittwoch, 9. Mai 2007

seitenwechsel #30

Schillernde Juwelen sind rar - deshalb sollte man sie von vielen Seiten beschauen und staunen. Seit 1997 bereits beobachtet Seitenwahl für seine Leser das Gladbacher Geschehen, 2004 gesellte sich der VfLog dazu. Zu Saisonbeginn haben Seitenwahl und VfLog einen Briefwechsel begonnen, um den Blick zu weiten. Diese Woche hat wieder einmal Mike den Anfang gemacht. Seinen Brief lest Ihr unten. Maiks Antwort steht bei Seitenwahl.

Meine lieben Freunde,

lasst uns heute nicht ausführlich über Borussia sprechen. Der Drops ist sowieso gelutscht, das Spiel am Wochenende war in seiner Art zu erwarten (daher habe ich als Einziger der Redaktion das Ergebnis richtig getippt). Am Wochenende wird der VfL die Mainzer mit runter nehmen und das letzte Heimspiel gegen dann lustlose Bochumer gewinnen.

Was mir mehr Sorgen macht, ist der schon fest geplante Aufstieg des VfL Osnabrück! Euer ganzes Konzept ist auf die Vereinigung der beiden VfLs ausgerichtet. Ihr werft T-Shirts auf den Markt, dass die 2. Bundesliga in der nächsten Saison so sexy wird, und was macht der andere VfL? Will er der Borussia aus dem Weg gehen? Sich der Revanche für das blamable Aus im DFB-Pokal entziehen? Maik, was ist da los?! Mein Gott, was entgeht Euch da! Borussia Mönchengladbach, 1.FC Köln, FSV Mainz 05, 1.FC Kaiserslautern, vielleicht noch Essen, Duisburg, Freiburg, FC St. Pauli! Nicht zu vergessen der SV Wehen oder die SAP-Kicker aus Hoffenheim. In Mönchengladbachs Fanlager breitet sich langsam eine gewisse Vorfreude aus, das ist nicht zu übersehen. Vorfreude auf einen halb-vollen, aber laute(re)n BorussiaPark, auf geile Auswärtsfahrten, auf Typen! Nun, ich kann diese Vorfreude nur bedingt teilen, ist sie für mich eher eine Schutzreaktion der Seele, die sonst ob des Abstiegs zu sehr leiden würde. Ich spiele dennoch lieber 1.Liga, trotz Hannover, trotz Wolfsburg, trotz Leverkusen, trotz Cottbus, trotz Bielefeld.

Gladbach steigt ab, Osnabrück nicht auf, Schalke wird womöglich Meister, der AC Mailand ChampionsLeague-Sieger und das alles, nachdem Italien Weltmeister wurde. Ein Jahr zum Vergessen!

Es grüßt frustriert
Mike

Dienstag, 8. Mai 2007

18x5 min. für die vfls / #5: alexander bleick

"90 Minuten für die VfLs“ - das ist eine einzigartige Fußball-Literaturaktion exklusiv im VfLog. Wir haben 18 Autoren, die uns sympathisch sind, gebeten, sich fünf Minuten Zeit für uns zu nehmen. Die Aufgabe war ganz einfach: Die Teilnehmer sollten sich hinsetzen, auf die Uhr schauen, kurz nachdenken und los geht's: Auf's Papier kommt eine Assoziation, eine Erinnerung, eine Anekdote, irgendein Gedanken – kurz: irgend etwas – zum Thema Fußball, VfL, Gladbach und/oder Osnabrück. Wenn das Ergebnis auch nur ein Satz ist, ein Fragment, voller Tippfehler – egal! Auf dem Fußballfeld ist es ja genauso: Man hat fünf Minuten den Ball, und der kann auch mal ins Aus rollen.

Heute schreibt die Stimme des Nordens: Alexander Bleick leitet seit 2001 im NDR-Hörfunk den Programmbereich Sport und kommentiert seit mittlerweile 20 Jahren Samstag für Samstag Bundesligaspiele in der legendären ARD-Konferenzschaltung. Mehr noch: Als "Kaiser von der Elbe" schnürt Bleick ab und an noch für die Altherrenmannschaft des Hamburger Traditionsvereins H.E.B.C. die Fußballstiefel - dessen Vereinsfarben: Lila-weiß.

Meine Tochter ist drei Jahre alt und ballverliebt. Schießen, werfen, kullern, mit Flummi, Plastik-, Wasser- oder Fußball – wenn sie einen Ball in den Händen oder an den Füßen hat ist sie glücklich und ich bin es auch, wenn ich sie dabei beobachte.
Ihr liebstes Stück hat schon einige Jahre auf dem Buckel, mehr als 19, um genau zu sein. Der Ball ist unterschrieben von der Mannschaft des VFL Osnabrück. Ich bekam ihn am 06.12.1987 von Hartwig Piepenbrock, dem damaligen Präsidenten des Vereins.
Die meisten Autogramme kann man kaum noch lesen, so verblichen und abgegriffen sind sie inzwischen. Ralf Heskamp, Andreas Helmer, Paul Linz, Heiko Glöde, Gerd Grau, Neale Marmon und ... Ansgar Brinkmann, damals 18-jähriger Amateur und technisch vielleicht der beste Fußballer, den der VfL in den letzten 20 Jahren hatte, kann man mit Mühe noch entziffern.

Wenn ich meine Tochter mit dieser alten Kugel spielen sehe, wird mir jedes Mal warm ums Herz. Erinnert mich dieser Ball doch an meine Anfänge als Fußballreporter: Nach Osnabrück wollten die etablierten Kollegen möglichst nicht, das war zu weit und „nur“ 2. Liga. Da wurde der Nachwuchs geschickt. Ich aber hab's genossen:
Freitagabend unter Flutlicht an der Bremer Brücke! Der Fußmarsch vom Bahnhof zum Stadion und der Sprint nach Pressekonferenz und Interviews zurück, um kurz nach 22 Uhr den letzten Zug nach Hamburg noch zu erwischen, das sind Eindrücke, die ich nie vergessen werde.

Für mich war die Bremer Brücke damals das schönste Zweitligastadion Deutschlands. Der VfL schnupperte an jenem Nikolaustag im Jahr 1987 an den Aufstiegsplätzen zur ersten Liga und Hartwig Piepenbrock präsentierte stolz die Ausbaupläne für die Gegengerade, um das Stadion im Falle des Aufstiegs auf 30.000 Plätze zu erweitern. In ein paar Jahren, wenn meine Tochter größer ist, werde ich ihr von den Osnabrücker Träumen erzählen. Schade, dass sie nie Wirklichkeit geworden sind.

Alexander Bleick

Montag, 7. Mai 2007

die wahre borussia

Manchmal braucht es eine deutliche Sprache, um die Zeichen der Zeit zu erkennen. So deutlich, wie sie gestern Nachmittag im Grenzlandstadion gesprochen wurde. Leider hatten nur 576 Zeitzeugen das große Vergnügen zuzuhören. Das Ergebnis des ordentlichen Einlaufs lautet 6:1.

Wenn zwei abgeschlagen absteigende Borussias um die letzte verbleibende Gunst ihrer Fans buhlen, ist man geneigt, erstmal den großen Fohlen in der 1. Liga gegen Bayern die Daumen zu halten. Die spielen wie immer, ausgenommen des günstigen Zufalls, auf einen Gegner zu treffen, der schon seit einigen Wochen ähnlich viel Leidenschaft in die Waagschale wirft wie der VfL. Im Endeffekt kommt raus, was rauskommt, wenn die einen nicht mehr wollen und die anderen nicht mehr können wollen. 1:1 also.

In der Regionalliga befindet sich die Zweite des VfL ähnlich aussichtslos auf dem Weg eine Liga hinab. Gegner war gestern Holstein Kiel. Die kleine Borussia geriet bereits in der 2. Spielminute mit 0:1 in Rückstand. Was dann folgte, war eine Vorführung, in deren Verlauf sogar mal wieder ein Spieler namens Andersen für Gladbach traf. 6:1, wie gesagt, hieß es am Ende, und Gladbach II steht danach so nah an den Nichtabstiegsrängen wie seit Monaten nicht mehr. Leider sind es vier Spieltage vor Saisonschluss immer noch sieben Punkte.

Horst Wohlers und seiner Mannschaft lassen sich trotzdem Qualitäten attestieren, die es bei den Großen in der Bundesliga nicht zu bestaunen gibt: Die Mannschaft kämpft wie ein Löwe, auch wenn die Ausgangslage hoffnungslos ist. Sie schlägt sich, weil sie so unerfahren ist in der dritten Liga, bedauerlicherweise viel zu oft unter Wert. Und doch schafft sie es, dass man sich richtig freuen kann, wenn ihr ein schlussendlich bedeutungsloser Coup gelingt.
Unter ferner liefen in dieser Spielzeit beide Borussias, die wahre von ihnen allerdings offenbar nicht in der Bundesliga.

Sonntag, 6. Mai 2007

vergeudet

Nein, keine Angst: Ich werde nicht behaupten, der VfL hätte heute irgend etwas vergeudet. Dafür spielte das Team 90 Minuten lang zu unambitioniert. Vergeudet hat der NDR 45 Minuten Sendezeit, die mit jeder noch so tristen „Die Lüneburger Heide blüht“-Dokumentation unterhaltsamer gefüllt gewesen wären als mit einem erbärmlichen Regionalligaspiel; 18.200 Zuschauer haben einen schönen, sonnigen Mainachmittag vergeudet, obgleich ca. 3.000 St. Pauli-Fans immerhin gleichmütig genug waren, sich über einen Punkt im Aufstiegsrennen freuen zu können; und ich vergeude noch jetzt eine laue Frühlingsnacht, um all den Verdruss nicht mal notdürftig zu kaschieren und nachzuzeichnen.

Seit längerer Zeit mal wieder kann ich mich über einen Stadionbesuch in Osnabrück richtig ärgern. Enttäuscht war man hier und da oder man haderte, aber nie wirklich ärgerlich. Gestern war das anders. Nicht das Ergebnis ist es, das zornig macht – ein Unentschieden gegen St. Pauli, dabei bleibt es, würde unter recht wahrscheinlichen Umständen zum Aufstieg reichen, wenn der VfL denn überzeugend spielte und es schaffte, auf der Begeisterungswelle des Publikums mit zu surfen. Die Art und Weise, wie der Punkt jedoch zustande kam, lässt mich erstmals seit langem mehr als nur zweifeln, ob der Aufstieg klappen kann.

Die Kulisse war zweitligareif, die wunderbaren Transparente und Plakate vor Anpfiff in der Ostkurve waren es – allein beide Mannschaften waren es nicht. Bei allem Ärger über Lila-Weiß: St. Pauli war keinen Deut besser. Zwar mussten die Hamburger in der zweiten Hälfte über weite Strecken mit zehn Mann auskommen, nachdem Florian Lechner Rot gesehen hatte, doch vorher spielte St. Pauli genauso schlecht wie Osnabrück. Im Verlauf des gesamten Spiel gab es auf beiden Seiten keine einzige Torchance, von der man sagen würde: „Den muss er rein machen!“ Es gab keine einzige Torchance von der Sorte „Den kann man mal rein machen!“ Und es gab vielleicht insgesamt drei Chancen, „die mit etwas Glück mal rein gehen können“. Unter Umständen – die angesichts des Restprogramms jedoch durchaus glückliche sein müssten – reichen derlei Fertigkeiten für den FC St. Pauli, um im nächsten Jahr in der 2. Bundesliga zu spielen; der VfL ist dafür derzeit zu schlecht.

Ob die ungeheuerliche Zahl an haarsträubenden Fehlpässen als Indikator dienen will oder das schiere Unvermögen, eine gefährliche Flanke vor das Tor zu schlagen, ob einen das nicht vorhandene Aufbauspiel verzweifeln lässt oder eine Vielzahl an bemerkenswert halbhohen Spannstößen, die als Pass gedacht waren; ob man über Dominique Ndjeng den Kopf schüttelt oder über Daniel Cartus - überall trat heute unübersehbar zu Tage, dass diese Mannschaft in ihrer derzeitigen Form den Aufstieg verpassen wird, und das verdient.

Bleibt die leidige Frage nach dem Warum, denn der VfL hat in dieser Saison ja mehrfach bewiesen, dass er es besser kann, mehr noch: dass er richtig toll Fußball spielen kann. Pele Wollitz verzweifelt am Spielfeldrand zusehends, genauso der weitgehend zur Beteiligungslosigkeit verdammte Frederik Gößling im Tor. Doch die Frage „Was jetzt tun?“ ist nicht beantwortbar. Oder anders: Die Antwort „Die Wahrheit liegt auf dem Platz“ war selten richtiger als im Moment. Dort liegt sie, und wenn man den VfLern so beim Spielen zusieht, denkt man, dass sie dort noch eine ganze Weile liegen bleiben wird, ohne dass sie jemand fände.

Samstag, 5. Mai 2007

versaut es nicht, jungs!

Osnabrück spielt 0:0 gegen St. Pauli. Maik war da und wird noch ausführlich berichten. Aber gut sieht das nicht aus. Was ist los, lila? Sind wir Borussen etwa ganz umsonst abgestiegen, und ihr schafft es jetzt nicht zu uns in die Bundesliga der Herzen? Dann war alles vergebens!

Freitag, 4. Mai 2007

i m m e r

"Immer." Welch kompliziertes Wort, welch hehre Zeitspanne bezeichnend. "Ich werde Dich immer lieben", "lass uns immer zusammenbleiben", aber auch: "das war schon immer so", Sätze mit dem I-Wort, sie sind immer: nicht wahr. Denn nie lieben wir ewig, nie bleiben wir ewig zusammen, nie ist etwas seit Erdenentstehen unverändert.

Natürlich weiß das jeder, und deswegen wissen wir auch, was gemeint ist, wenn wir Immer-Sätze hören, deswegen können wir sie auch weiter sprechen ohne zu lügen (so wie die stets parteiische Werbung ja auch nie lügen kann, weil jeder weiß, dass sie immer lügt). Also darf auch Ottmar Hitzfeld in einem Interview auf borussia.de sagen: "Ich mag die Borussia, sie hat immer attraktiven Fußball gespielt." Da ist es wieder, das Immer. Immer! Attraktiven Fußball! Gespielt! Ich lache.

Auch wenn Borussia schon lange keinen attraktiven Fußball mehr gespielt hat (so wie im Geschichtsunterricht die Antwort "seit der französischen Revolution" selten ganz falsch ist gilt bei Borussia in derlei Fällen analog "seit Hans Meyer weg ist" fast immer richtig), Hitzfeld hat ja recht. Vergessen wir die triste kurze Gegenwart (und was sind schon 10 Jahre im Weltenlauf!), dann hat Borussia immer attraktiven Fußball gespielt. Und deswegen schmerzt der Abstieg so viele, denn mit Borussia verlässt wieder ein Stückchen zeitlose Ewigkeit die erste Bundesliga, die immer mehr zur schnellebigen LeverkusenHannoverWolfsburgLiga wird.

Und je länger ich darüber nachdenke, desto mehr denke ich, dass dies vor allem zum Schaden der Liga ist. Solange wir nicht mitspielen, werden wir immer fehlen, wie außer uns vielleicht nur die Bayern fehlen würden. Deshalb müssen wir auch wieder aufsteigen, und wir werden es tun. Dies sei das tröstliche Mantra für unsere Abschiedsspiele durch die Liga. Immerhin.

Donnerstag, 3. Mai 2007

im ungefähren

Die Mannschaft im Trainingslager, das Stadion (annähernd) ausverkauft, der Trainer optimistisch. Alles ist angerichtet für das seit langem spannendste Derby zwischen dem VfL und dem FC St. Pauli. Und: Sogar das Kribbeln beginnt schon donnerstags. Als notorischer Pessimist wünscht man sich ein 2:2 wie im Hinspiel. Als Optimist plant man im Stillen schon die Jetzt-aber-wirklich-wohl-aufgestiegen-Party für Samstagabend. (Als Realist hat man im Fußball nix zu suchen.) Einerseits fürchtet man den Anpfiff, weil noch mehr Hoffnungen schwinden könnten; andererseits kann man ihn kaum noch erwarten, um bei einem weiteren Fußballmärchen dabei zu sein.

Im Prinzip ist alles Gerede, was wäre, wenn der VfL verliert/gewinnt/unentschieden spielt, haltloser Nonsens, schließlich ist die Wahrscheinlichkeit, dass nach den 90 Minuten vom Samstag irgend etwas klarer ist als vorher, nahe null. Bedenkt man das Restprogramm der versammelten Kandidaten, wird man auf die Entscheidung im Aufstiegsrennen noch ein paar Wochen warten müssen. Trotzdem wäre ein Sieg gegen St. Pauli von enormem Wert.

Der VfL ist derzeit verunsichert, so viel dürfte wohl feststehen. Nur zwei Siege aus zehn Spielen sind nichts, was besonders zuversichtlich stimmt. Zwar war der Auftritt in Emden eher ein Fingerzeig nach oben, unterm Strich stand dennoch nur ein Punkt. Wie reagiert die Mannschaft gegen St. Pauli, das im Moment einen Lauf und sich von (fast) ganz unten nach ganz oben gearbeitet hat? Mit Versteckspiel oder Feuerwerk?

Wenn doch nur irgendwann am Samstag das 1:0 fiele und man fortan nicht mehr fürchten müsste, ein erstes Gegentor würde gleichzeitig einen Rückstand bedeuten. Das wäre enorm beruhigend, weniger vielleicht für die Optimisten, die gelassen erwarten, die Mannschaft würde dann leidenschaftlich zurückschlagen; auf jeden Fall aber für die notorischen Pessimisten.

Mittwoch, 2. Mai 2007

seitenwechsel #29

Schillernde Juwelen sind rar - deshalb sollte man sie von vielen Seiten beschauen und staunen. Seit 1997 bereits beobachtet Seitenwahl für seine Leser das Gladbacher Geschehen, 2004 gesellte sich der VfLog dazu. Zu Saisonbeginn haben Seitenwahl und VfLog einen Briefwechsel begonnen, um den Blick zu weiten. Diese Woche hat zur Abwechslung einmal wieder Martin den ersten Brief geschrieben, seine Vorlage steht bei Seitenwahl. Mikes abgeklärt souveräne Antwort hier.


Lieber Martin,

das Betrachten der Champions League bereitet mir seit jeher keine Kopfschmerzen oder treibt mir gar sehnsüchtige Gedanken in den Kopf. So euphorisch ich manchmal bin: den Verstand habe ich nicht völlig verloren.
Sind schon 17 Mannschaften in der aktuellen Saison besser als unser Mönchengladbach, wie groß ist dann die Welt zwischen Borussia und Manchester United? Bevor Borussia die Champions League gewinnt, hat einer von uns beiden den Pulitzer-Preis gewonnen. Doch es ehrt Dich und Deine positive Einstellung, dass Du just in der Woche, in der Gladbachs Abstieg besiegelt wurde, das Champions League-Finale unserer VfL forderst. Den Optimisten gehört das Land! Solange weder der VfL Borussia noch der aus Osnabrück einst so enden wie der besagte Ex-Kanzler...

Du möchtest nacht vorne schauen? Nun, noch wurde kein Transfer vermeldet, weder bei den Ab-, noch bei den Zugängen. Insofern ähnelt ein Ausblick am heutigen Tage dem berühmten Blick in die Glaskugel. Nichts Genaues weiß man nicht, um wie Du in der Fußballersprache zu bleiben, oder, um mit Schillers Johanna, der Jungfrau von Orleans, zu sprechen: "Nichts von Verträgen!
Nichts von Übergabe!" Eines steht jedoch fest: die Jagd auf Präsident Königs wird weitergehen. Die Meute ist nach den Köpfen von Köppel, Heynckes und Pander noch nicht satt. Entweder Königs´ Kopf rollt sofort, oder man opfert gar Jos Luhukay. Der Zweck heiligt die Mittel, wie Du weißt. Ganz speziell in Mönchengladbach. Eines jedoch vergisst die Meute. Sie hat sich durch ihr Verhalten dem ihres nächsten Opfers schon mehr genähert, als es ihr lieb ist.

Natürlich beinhaltet der Gang in die 2. Liga auch die Möglichkeit des Selbstreinigungsprozesses, den viele schon seit Jahren postulieren. Doch, sind wir mal ehrlich! Ein Verein wie Borussia Mönchengladbach ist einfach nicht in der Lage, zwei oder drei Jahre Anlauf zu nehmen, um dann runderneuert den Wiederaufstieg anzugehen. Borussia wird in der nächsten Saison vom ersten Tag an der große Favorit sein. Mannschaften wie Wehen, Augsburg oder Koblenz reiben sich schon die Hände (inkl. des jeweiligen Schatzmeisters), um der "großen" Borussia eins auswischen zu können.
Außerdem impliziert die angestrebte Runderneuerung eine Logik, nach der ein solcher Weg planbar wäre. Nicht nur der 1.FC Köln merkt zurzeit, dass zu einer Runderneuerung mehr gehört, als das bloße Austauschen von Namen. Nein, der direkte Wiederaufstieg muss das Ziel sein. Solange man in Mönchengladbach realistisch bleibt und an einem Strang zieht, sollte ein Chaos, wie es zurzeit in Köln herrscht, zu vermeiden sein. Hans-Jürgen Görler, der geistige Vater von SEITENWAHL, schrieb, angesprochen auf die Ähnlichkeit Borussias mit dem 1. FC Köln, vor einigen Tagen einen klugen
Satz: "Wenn Du heute einem Gladbacher erzählst, dass der Aufstieg in zwei Jahren gelingt und sechs Jahre später der Einzug in den UEFA-Cup, freut der sich ein Loch in den Bauch und beantragt gleich acht Dauerkarten im Voraus.
Der FC-Fan würde bei solch einer Info sofort seine Mitgliedschaft kündigen."

In einer Sache sind sich wohl alle einig: Borussia muss wieder Spaß machen, Leidenschaft entfachen, ein Club zum Anfassen und zum Mitfiebern werden.
Denn nur dann werden schon bald wieder Spieler und Fans vor dem BorussiaPark stehen, am Zaun rütteln und rufen: "Ich will hier rein!". In dieser Saison standen zu viele der Herren Profis gedanklich auf der anderen Seite des Zaunes und riefen: "Ich will hier raus!".

In diesem Sinne
Mike

Dienstag, 1. Mai 2007

18x5 min. für die vfls / #4: hermes phettberg

"90 Minuten für die VfLs“ - das ist eine einzigartige Fußball-Literaturaktion exklusiv im VfLog. Wir haben 18 Autoren, die uns sympathisch sind, gebeten, sich fünf Minuten Zeit für uns zu nehmen. Die Aufgabe war ganz einfach: Die Teilnehmer sollten sich hinsetzen, auf die Uhr schauen, kurz nachdenken und los geht's: Auf's Papier kommt eine Assoziation, eine Erinnerung, eine Anekdote, irgendein Gedanken – kurz: irgend etwas – zum Thema Fußball, VfL, Gladbach und/oder Osnabrück. Wenn das Ergebnis auch nur ein Satz ist, ein Fragment, voller Tippfehler – egal! Auf dem Fußballfeld ist es ja genauso: Man hat fünf Minuten den Ball, und der kann auch mal ins Aus rollen.

Nicht alle haben "ja" gesagt, sondern sich lieber fünf Minuten Zeit genommen, um eine liebe Absage zu formulieren. Die schönsten wollen wir auch veröffentlichen. Gerade am Tag der Arbeit haben wir auch für eine Arbeitsverweigerung volles Verständnis. Zumal von Hermes Phettberg, in Deutschland vor allem bekannt aus seiner längst eingestellten feinen "Nette Leit Show", in Österreich immer noch ein Kolumnengott des Magazins "Falter" und wichtiges Gesellschaftskorrektiv, quasi eine männliche Elfriede Jelinek (aber obacht: das wollen sicher beide nicht hören!). Er ist erst kürzlich von einem Schlaganfall genesen und wir wünschen weiter alles Gute! Auf unsere Anfrage vor Monaten erhielten wir binnen Minuten diese Antwort per E-Mail:

Sehr geehrter Herr Zierold, das ist nun wirklich völlig unmöglich. Alles alles Liebe! Ihr ergebenster Phettberg