"90 Minuten für die VfLs“ - das ist eine einzigartige Fußball-Literaturaktion exklusiv im VfLog. Wir haben 18 Autoren, die uns sympathisch sind, gebeten, sich fünf Minuten Zeit für uns zu nehmen und irgend etwas zum Thema Fußball, VfL, Gladbach und/oder Osnabrück auf's Papier zu bringen - ein Satz, ein Fragment, voller Tippfehler: egal! Auf dem Fußballfeld ist es ja genauso. Man hat fünf Minuten den Ball, und der kann auch mal ins Aus rollen.
Heute schreibt uns ein echter Feuilletonist: Rainer Moritz ist Leiter vom Literaturhaus Hamburg. Unserer "freundlichen Aufforderung will und kann" er sich "gar nicht entziehen".
Appell an den DUDEN
Über den 23. Juni 1973 ist viel geschrieben worden, über die Verlängerung des Pokalendspiels der Gladbacher Borussia gegen den 1. FC Köln. Als Günter Netzer nach langem Schmollen seinen Platz auf der Bank verlassen durfte oder besser gesagt: verließ. War er es, der entschied, seinen VfL auf die Siegerstraße zu bringen? Oder doch sein mit ihm grollender Trainer Weisweiler?
Wie auch immer: Dieser Augenblick ging unter dem Stichwort „Selbsteinwechslung“ in die Fußballgeschichte ein. Jeder historisch mit Grundkenntnissen ausgestattete Mensch weiß, worum es sich bei diesem Begriff handelt und dass dieser bewunderswerte Akt der Eigeninitiative von herrlichem Erfolg, dem Netzer'schen Siegestreffer, gekrönt wurde, von einem Schuss, der dem Meister bei Lichte besehen ein wenig vom Spann abrutschte.
Alle Welt weiß das – nur die Mannheimer Redaktion des DUDEN ignoriert dieses Phänomen bis heute. „Selbsteinwechslung“, dieses völlig flüssig über die Lippen gehende Wort findet in der Rechtschreibbibel keinen Platz, egal, ob man den alten oder den neuen Orthografieregeln folgt. Alles Mögliche findet auf den entsprechenden Seiten Platz im DUDEN: „Selbstbezichtigung“, „Selbsterniedrigung“, „Selbstfindung“, „Selbstbescheidung“, „Selbstbeweihräucherung“ ... ja, selbst seltene Vokabeln wie „Selbstbinder“, „Selbststeller“ oder „Selbstzerfleischung“ sind salonfähig. Nur an der entscheidenden Stelle – zwischen „Selbsteintritt“ und „Selbstentfaltung“ – klafft eine unverzeihliche Lücke. Dort, genau dort müsste „Selbsteinwechslung“ stehen. Nach bald vierunddreißig Jahren wird es Zeit, diese historische Schuld abzutragen und die Existenz eines wichtigen Begriffs nicht länger zu leugnen.
Rainer Moritz
Dienstag, 29. Mai 2007
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