Donnerstag, 30. November 2006

seitenwechsel #16

Auf schillernde Juwelen kann man von vielen Seiten blicken und staunen. Seit 1997 bereits beobachtet Seitenwahl für seine Leser das Gladbacher Geschehen, 2004 gesellte sich der VfLog dazu. Beide Projekte haben ihren eigenen unverwechselbaren Charme. Seit Beginn der Saison 06/07 gibt es nun den SEITENwechsel: Seitenwahl und VfLog haben einen Briefwechsel begonnen, in dem alles möglich ist: Fachsimpelei, Verbalfouls, Streit und Harmonie. Solange die Tinte reicht, wird auf Seitenwahl und auf dem VfLog Woche für Woche der Brief der jeweils anderen Seite veröffentlicht.

Unten der sechzehnte Seitenwechsel, diesmal hat Martin den Anfang gemacht. Seinen Brief findet ihr bei Seitenwahl. Und hier lest ihr Mikes Antwort.


Lieber Martin,
Du fragst mich, was ich mir herbeisehne? Nichts, sage ich Dir!
Es stimmt mich betrüblich, dass gar ein wacher und kluger Mann in den Chor derer einstimmst, die laut nach neuen Spielern (oder gar neuen Trainern) rufen. Dass Du gar einem Jeff Strasser nachweinst, setzt dem Ganzen fast die Krone auf.

Seien wir doch ehrlich: ist es nicht die gängig gewordene Praxis im Leben, dass nichts mehr Bestand hat? Dass ständig etwas Neues her muss? Dass Altes so schnell langweilig wird? Immer nur Spaß, Erfolg, immer mehr, immer schneller? Wenn das Auto die ersten Macken hat, wird ein neues gekauft. Beim ersten richtigen Streit mit der Partnerin schaut man sich schon nach anderen Frauen um. Der Computer macht Probleme? Kein Problem. Den alten bei eBay verkauft und schwupps den neuen Laptop bestellt. Von Klamotten, Frisuren oder Mobiltelefonen ganz zu schweigen. So auch bei Borussia. Heynckes schafft es nicht, unsere Startruppe in die internationalen Ränge zu führen? Raus mit ihm! Oder neue Spieler! Oder beides! Kontinuität können wir immer noch fordern, wenn wir auf Platz 5 stehen, richtig?
Wäre ich Peter Pander, würde ich mir den kompletten Kader zusammentrommeln. Vor versammelter Runde und unter Beteiligung des Präsidiums würde ich allen klarmachen, dass Jupp Heynckes unantastbar sei und unter gar keinen Umständen entlassen würde. Dazu würde ich jedem anbieten, sich im Winter einen passenden Verein zu suchen, wenn er meint, dass Abstiegskampf mit Borussia nicht das Erstrebenswerteste sei. David Degen jammert, er habe schon Champions-League gespielt? Prima, dann kann er ab Januar Rot-Weiß Essen helfen!

Nein Martin, ich bin völlig entspannt. Nach Stuttgart und vor Bayern, was soll da geschehen? Nach Mainz und vor Bochum, das ist viel wichtiger. Ich gehe mit fester Gewissheit davon aus, dass wir Weihnachten auf einem Abstiegsrang verbringen werden. Und wenn ich ehrlich bin, wünsche ich mir das fast. Schließe ich also meine Augen, stünde auf meinem Wunschzettel: eine ausgedruckte und eingerahmte Tabelle für jeden Spieler!

Liebe Grüße
Mike

Mittwoch, 29. November 2006

adieu, merkel!

Als ich gerade die Eilmeldung "Merkel gestorben" las, dachte ich zunächst, der Gerd habe beim Vladi eine kleine Portion Plutonium... Aber es ging dann doch um Max Merkel, der zwar die letzten Jahrzehnte im ganz falschen Medium verbracht hat, aber von dort immerhin die eine oder andere herrliche Sentenz in die Welt schickte, etwa der selbsternannte Philosoph Rehhagel habe lange Zeit den Unterschied zwischen Hamlet und Kotlett nicht gekannt. Seine Saisonvorschauen waren stets hochgradig albern-subjektive Tiraden, aber doch auch immer wieder vergnüglich. Ob Toni Polster dereinst in diese Fußstapfen wächst?

Dienstag, 28. November 2006

die worte des daum

Der 1. FC Köln hat am Samstag ein Auswärtsspiel in Fürth mit 2:1 gewonnen. Was die können, das müsste die Borussia doch eigentlich auch hinbekommen. Doch etwas fehlt in Gladbach. Ein Messias, der die richtigen Worte findet. Ein Trainer, der obschon von Krankheit gezeichnet doch kurz vor Spielbeginn noch alles auf Sieg polt. Einer wie Daum. Torwart Stefan Wessels (27) sagte: "Er hat auf Anhieb etwas bewegt." Und Spielmacher Thomas Broich (25) betonte: "Daums Ansprache hat Wirkung gezeigt, er hat einfach Feuer. Wir haben gekämpft wie besessen." Exklusiv im VfLog heute die Kabinenansprache von Christoph Daum im Wortlaut. So dürfte es in München doch auch für den VfL klappen.

Daum tritt ein. Er hält eine Plastiktüte in der Hand, aus der Dampf aufsteigt. Seine Augen funkeln, und abrupt herrscht Totenstille. Alpay Özalan richtete sein Trikot nach Osten aus und schickt sich an, auf die Knie zu gehen.
Daum, streicht ihm väterlich über den Kopf: Na, lass mal gut sein. Ich bin ja beileibe kein Gott. Eher sowas wie euer Mohammed, so ein Prophet eben.
Alpay Özalan: Ok, Christus. Äh, Christoph. Verzeihen Sie: Herr Daum.
Daum, an alle: Jungs, da bin ich. Ihr alle kennt mich bisher nur aus dem Krankenhaus, aber jetzt bin ich bei euch. Hört mal zu. An dem Alpay, an dem könnt ihr euch ein Beispiel nehmen. Namen sind nämlich Schall und Rauch ab heute. Hier kommt es nur darauf, wie ihr euch auf dem Platz verkauft. Ich will, dass ihr heiß seid, so heiß wie das, was ich hier in der Tüte habe. Der Alpay ist Türke, der weiß so gut wie ich, wie es dort in der Türkei abläuft. Dort ist Krieg, dort ist 90 Minuten Kampf bis aufs Blut. Ich hab dort rund zwanzig Titel gewonnen, glaubt mir: Die Einstellung, die ist zentral. Fabrice, wo lasse mer de Dom?

Fabrice Ehret, schüchtern: In Kölle?!
Daum: Wo lasse mer de Dom, Adil?
Adil Chihi, unsicher: In Kölle?
Daum: Alpay?
Öcalan: Welchen Dom?!
Daum: Richtig! So sieht es aus! Welchen Dom!? Zur Not reißen wir ihn raus! Wir lassen hier keinen Stein auf dem anderen, wenn es sein muss. Wir wollen aufsteigen, Jungs! Dahin, wo wir hingehören. Zu Real oder zu Juventus. Kennt ihr Möhlmann? Ich auch nicht. Ich kenne Wenger, ich kenne Mourinho. Jungs, ich merke: Ihr versteht mich. Ich muss dafür nicht laut sprechen. Darf ich auch gar nicht. Die Mandeln, ihr wisst... Interessiert sich hier jemand für meine Mandeln?

Milivoje Novakovic, betont freundlich: Geht es Ihnen wieder besser, Trainer?
Ricardo Cabanas, mitfühlend: Was in der Zeitung stand, klang echt nicht gut.
Özalan: Trainer, Ihre Scheiß-Mandeln interessieren mich einen feuchten Dreck.
Daum, gestikuliert wird, steht gebückt, wendet sich an alle: So! Das will ich hören! Meine beschissenen Mandeln sind eh nicht mehr da. Euch haben sie nicht zu interessieren. Da draußen, 20 Meter von hier, warten Krieger aus Fürth. Ich will nicht, dass ihr euch um irgend etwas Sorgen macht. Ich will, dass ihr die niederstreckt. Jetzt, hier und heute geht die Saison für uns bei Null los. Hier beginnt heute eine neue Zeit. Und was war, das ist mir scheißegal. Ihr seid die Helden, Jungs. Da draußen warten 60.000 Zuschauer auf euch, und denen werdet ihr zeigen, dass ihr Helden seid. Da tobt der Bär. Das wird ein Fest, Jungs. Da freut ihr euch jetzt drauf. La Tour de Force, die ist jetzt vorbei. Ich will, dass ihr das genießt. (Pause) Wisst ihr, wer vor einigen Jahren der erste völlig unabhängige Komponist war?

Özalan, leise: Mousse T.?
Daum, wendet sich zu Özalan, legt ihm die Hand auf Schulter: Bitte, Alpay, was hast du gesagt:
Thomas Broich, flüstert zu Özalan: Mozart!
Özalan, unsicher: Äh, Mozart?!
Daum: Genau! Mozart! Der war der erste, der sich einen Scheißdreck für die anderen interessiert hat. Was aus dem geworden ist, muss ich jawohl keinem hier erzählen. Aber dieser Mozart, der ist schon lange tot. Wir brauchen einen neuen. Und wisst ihr, wer das ist? (hält inne, lässt die gespannte Stille ins Unermessliche anschwellen) Das ist der Thomas. (wendet sich zu Broich) Thomas, ich will, dass du hier der Komponist bist. Spiel vituos, mach, was keiner erwartet, lass dich nicht beirren, trau dich zu zaubern. So wie der Mozart nach Wien geflüchtet ist, so bist du zu uns nach Köln gekommen. Und du wirst hier ein ganz großer werden. Jungs, der Thomas, der wird hier mit eurer Hilfe ein ganz großer werden. Der wird ein zweiter Mozart! Aber ohne euch ist der nichts. Für wen kämpft ihr heute, Jungs?

Alle, außer Broich: Für Mozart!
Daum: Und für wen kämpfst du, Mozart?
Broich: Für euch alle!
Daum: Und wie kämpfen wir heute füreinander?
Özalan: Mit högschter Disziplin!
Daum: Genau! Wisst ihr, was ich hier in der Tüte habe? (greift in die Tüte, es spritzt etwas flüssiges, rotes heraus) Wisst ihr's? Nicht? (holt den Kopf eines Geißbocks raus, der noch warm ist; in der Kabine bildet sich eine Blutlache) Den habe ich eben geköpft. Der hat euch Pech gebracht, der Hennes. Und dann muss man Einzelne für das Ganze opfern. Und wenn wir das Ende Mai nicht packen, mit dem Bundesligaaufstieg, dann sehen wir genau so aus. Jeder einzelne von uns. Die Fans werden uns nicht davonkommen lassen. Und womit? Mit Recht! Wollt ihr das?
Alle, entgeistert: Nein!
Daum: Ich auch nicht. Darum geht jetzt raus und spuit's Fußball. Und nächste Woche komm ich auch zum Training. Dann werde ich der sein, der ich sein werde! (verlässt abrupt die Kabine)

eilmeldung: wir sind mal wieder die nummer 1

Nicht ohne einen gewissen Stolz wollen wir nur knapp vermelden, dass wer derzeit bei Google nach den Wörtern "Heynckes raus" sucht, als erstes bei unserem feinen kleinen Familienblog landet. Noch dazu bei diesem Artikel, der alles andere als ein plattes Plädoyer zur Demission des Fohlentrainers ist, sondern eine gewunden ambivalente Petitesse der Unentschlossenheit. Aber nach Fragezeichen sucht Google eben nicht.

Montag, 27. November 2006

überraschung!

Ja, hallo, das war ja eine kleine Sensation gestern! Nach Wochen deprimierender Kickerei hat Gladbach gestern, entgegen aller Erwartungen, einen weiteren müden Stiefel abgespult, wieder einmal praktisch ohne Gegenwehr verloren, sich noch tiefer in die untersten Tabellenzonen eingegraben. Wer hätte das gedacht! Nur gut, dass es nun gleich wieder auswärts gegen die Bayern geht, da kann man das in den letzten Wochen schon nahezu perfektionierte ängstliche und unsichere Fußballspiel noch weiter schärfen. Das schöne daran: Es wird sicher keine Trainerdiskussion geben, jedenfalls keine ernstzunehmende. Denn gegen Stuttgart, gegen Bayern auswärts verlieren, wer wäre so vermessen, mit anderem zu rechnen? Erst danach geht die Saison wieder wirklich weiter, dann aber richtig, denn dann gilt es. Denn dann geht es vor Weihnachten noch gegen Mainz und Bochum, und wenn aus diesen Spielen nicht mindestens vier Punkte geholt werden, dann sieht es aber so richtig dunkel aus am Niederrhein, dunkel wie schon lange nicht mehr.
Wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass nur 12 Monate später alles Gewinsel über uninspirierten Köppel-Fußball sich als wahre Luxussorgen entpuppen würden, dass es mit einem anderen, besseren Trainer trotzdem noch viel schlechter kommen könnte? Diese Erkenntnis, sie ist so bitter wie wahr. Aber einen Spieltag lang noch dürfen wir alles verdrängen, denn gegen Bayern sind wir eh chancenlos. Ab heute beginnt die Vorbereitung für Mainz. Am 9.12. geht die Saison weiter.

Sonntag, 26. November 2006

maultaschen

Heute geht es gegen Stuttgart. Da ich über das sogenannte "Sportliche" keine Worte verlieren kann (das Grauen wird weitergehen oder nicht, mehr ist dazu nicht zu sagen bis 17 Uhr), will ich stattdessen eine Lanze für Stuttgart brechen. Die schwäbische Perle gehört zu den meist unterschätzten Orten Deutschlands, sie bietet jede Menge Lebensqualität. Schauspielhaus und Oper sind jeweils zu den Bühnen des Jahres gewählt worden, eine Menge guter Wein wächst teils im Stadtgebiet selbst und teils im Umland, das Essen schmeckt vom Spätzle über Flädlesuppe und Linsen bis zu den köstlichen Maultaschen. Und dies ist das Stichwort, zu dem unsere Leser wieder einmal exklusives Herrschaftswissen vermittelt bekommen: Die besten Maultaschen der Welt gibt es nämlich nicht in Stuttgart, sondern bei Metzger Otto Buck in Freudenstadt. Ich habe mir jüngst erst wieder welche nach Wien schicken lassen und werde heute abend zwei Maultaschen mit Ei und Zwiebeln genießen. Und wenn ich dann um 20 Uhr sagen kann "Es ist angerichtet", sagt dann vielleicht zeitgleich Peter Pander schon "Er ist gerichtet"?

Samstag, 25. November 2006

mit rücksicht

Der graue Himmel über Osnabrück wird auch durch das Flutlicht an der Bremer Brücke nicht heller. Es ist warm, aber trotzdem ist November. Das spürt man mit jedem Atemzug. In den Häusern rund um das Stadion brennt hinter unzähligen Fenstern Licht. Die Menschen haben sich verkrochen. Auch die 5.000 aus dem Stadion sind weg, wohin lässt sich nicht sagen. Jedenfalls nicht mehr da.

An solchen Tagen haben auch die VfLs Anstand. Der eine gewinnt 1:0 gegen den anderen. Das Vfduell: Absehbar und unspektakulär. Ohne Esprit und tollen Offensivfußball. Glücklich, aber nicht unverdient. Gladbach II bleibt Tabellenletzter, Osnabrück gibt die Tabellenspitze wegen des schlechteren Torverhältnisses an Wuppertal ab. All das ist nüchtern. Nicht nur die Menschen in ihren Häusern, auch die Mannschaften von Horst Wohlers und Pele Wollitz, ja, auch wir vom VfLog und der Fußballgott sowieso wissen, dass es manchmal pietätlos ist, Fußballfeste zu feiern.

Deutsche Bank-Chef Josef Ackerman lächelt aus allen Zeitungen. Das ist der, der deshalb kein Verbrecher ist, weil er genug Geld hat, sich das Nicht-Verbrecher-Sein leisten zu können. Und meist gleich neben Ackermann abgedruckt: Alexander Litwinenko. Den ungeliebten Ex-Spion und Kreml-Kritiker hat Russlands Präsident Wladimir Putin radioaktiv vergiften lassen. Ackermann, Putin. So sehen Sieger aus.

Freitag, 24. November 2006

vfduell #2

Ja, er meint es gut mit uns in diesem Jahr. Der Fußballgott beschert uns in nicht einmal einem Monat gleich zwei VfDuelle, denn kaum dass man sich versieht, prangt schon wieder das Gladbachwappen auf der Osnabrück-Homepage. Horst Wohlers und seine kleinen Fohlen reisen morgen zur Bremer Brücke und wollen es besser machen als Jupps großen.

Ausweislich der VftabelLe sind beide Gladbach-Teams nicht eben berauschend in die Saison gestartet. Im einzig repräsentativen Widerstreit mit anderen VfLs dieses Landes stehen sie beide auf einem Abstiegsplatz. Allein: Der Wohlers-Truppe kann man keinen Vorwurf machen. Sie spielt oft guten Fußball, scheitert aber verlässlich an der mangelnden Erfahrung. Nach dem souveränen Regionalliga-Aufstieg im Frühjahr ist es überhaupt kein Wunder, dass die jungen Fohlen noch nicht richtig in Tritt sind. Doch vielleicht war der 3:2-Auswärtssieg (!) in Kiel mehr als ein Achtungserfolg; in Kiel immerhin gewinnt nicht jeder. Vielleicht war das ein Zeichen zum Aufbruch, dass nun wirklich der Kampf gegen den Abstieg begonnen hat.

Für die Osnabrücker wird es darum gegen, den Gladbacher Kapitän Lars Schuchardt in den Griff zu kriegen. Der Goalgatter und Führungsspieler ist wohl das wichtigste Mosaiksteinchen im zerbrechlichen Wohlers-Team. Sollte es der Osnabrücker Defensive gelingen, den Schuchardt-Express aufzuhalten, und sollte in den anderen lila-weißen Mannschaftsteilen alles normal laufen, sieht es gut aus mit dem neunten Saisonsieg. Alles andere wäre auch eine Riesenenttäuschung gegen den Tabellenletzten. Den Kampf um die Tabellenführung wird schlussendlich wohl die Mannschaft gewinnen, die mehr Tore schießt: Wuppertal spielt daheim gegen den Drittletzten Leverkusen II.

In jedem Fall kann es keinen angemesseneren Gegner für das letzte Ligaheimspiel vor Weihnachten geben als den anderen VfL. Auch wenn sie bitter klingt, darf man die Prognose wagen: Wer eine leidenschaftliche, sympathische Fohlenmannschaft in einem aufreibenden Auswärtskampf sehen will, der sollte anstatt nach Stuttgart lieber nach Osnabrück reisen.

Donnerstag, 23. November 2006

ich versager, die helden

"Ja, klar, mach ich!" Diesen Satz, ich spreche ihn viel zu oft leichthin aus. Und dann stehe ich da. Habe ein Versprechen gegeben. Heute hatte ich mich redaktionell verpflichtet, in all der Borussia-Depression einmal den Blick ins Licht zu wenden, nach Norden, nach Osnabrück. Einmal etwas Positives schreiben, von Tabellenspitzen, vom Aufstieg, von erfolgreichem und schönen Fußball. Und dann? Dann sitze ich, nunmehr seit fast 8 Stunden, vor dem leeren Blatt (jaja, wir beim VfLog schreiben unsere Artikel noch mit Füller auf ein Blatt Papier. Der Text wird dann später von Praktikanten – selbstverständlich fürstlich bezahlt – abgetippt und ins Netz gestellt.) und ich kann und kann nur an das Eine denken: Borussia.

Wie die Fohlen versage auch ich vor den Osnabrücker Helden. Schweigend und staunend hat Borussia vor Wochen in Osnabrück verloren und damit erst so richtig die Kurve nach unten genommen. Schweigend und staunend scheitere ich an der Aufgabe, die Großartigkeit der lieben Lila-VfL-Brüder auch nur annähernd in Worte zu fassen. Mir bleibt nichts als dankbar zu sein, dass in diesen schweren Zeiten Osna den Beweis antritt, dass wo die Depression am größten ist, auch das Rettende wächst. Immer wenn man denkt, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein lila Lichtlein her. Weiter so, meine neuen Helden!

Mittwoch, 22. November 2006

seitenwechsel #15

Auf schillernde Juwelen kann man von vielen Seiten blicken und staunen. Seit 1997 bereits beobachtet Seitenwahl für seine Leser das Gladbacher Geschehen, 2004 gesellte sich der VfLog dazu. Beide Projekte haben ihren eigenen unverwechselbaren Charme. Seit Beginn der Saison 06/07 gibt es nun den SEITENwechsel: Seitenwahl und VfLog haben einen Briefwechsel begonnen, in dem alles möglich ist: Fachsimpelei, Verbalfouls, Streit und Harmonie. Solange die Tinte reicht, wird auf Seitenwahl und auf dem VfLog Woche für Woche der Brief der jeweils anderen Seite veröffentlicht.

Unten der fünfzehnte Seitenwechsel, diesmal hat Maik den Anfang gemacht. Seinen Brief findet ihr bei Seitenwahl. Und hier lest ihr Mikes Antwort.


Lieber Maik,

dass Du als Osnabrücker die aktuelle Lage so pointiert einschätzt, entbehrt nicht einer gewissen Tragik. Aber verzeih, wenn ich mich nun nicht darauf einlasse, über das Für und Wider eines Jupp Heynckes mit Dir zu philosophieren. In der öffentlichen Wahrnehmung steht er bereits kurz vor dem Aus. Der für mich einzig interessante Aspekt ist folgender: zu Beginn der Saison waren fast alle nahezu euphorisch ob seiner Einstellungen zum Fußball, zur Ausbildung von jungen Leuten, seiner Sichtweisen. Damals wurde alle Kritik barsch abgetan. Heute, wo es sportlich nicht sonderlich läuft, springen die Fans (getrieben vom Boulevard) auf den Zug auf, den vor allem Schalker und Frankfurter zu Beginn haben starten lassen. Ein faszinierendes Beispiel gruppendynamischer Kommunikation.

Was ich Dir eigentlich schreiben wollte. Vor einigen Tagen las ich einen bemerkenswerten Artikel des geschätzten Christian Zaschke von der "Süddeutschen Zeitung". Ein Artikel, der in Mönchengladbach wie blanker Hohn ankommen muss. Keine noch so sachliche Analyse, keine noch so intelligente Diskussion hat mir das Elend um Borussia so deutlich vor Augen geführt wie die Worte von Christian Zaschke. Ich bin daher so frei und zitiere auszugsweise den Kollegen, ohne weiteren Kommentar:

"Seit der ersten Bundesliga-Saison 1963/64 gab es lediglich acht Fälle, in denen eine Mannschaft am Ende der Saison mehr Auswärts- als Heimpunkte gesammelt hatte; fünf dieser Fälle datieren aus diesem Jahrtausend. Die Frage ist, ob es sich um eine statistische Anomalie handelt. Vieles deutet jedoch darauf hin, daß ein Trend vorliegt. (...) Im Fußball kommen derzeit mehrere Faktoren zusammen: Erstens: defensive Ausrichtung. Zweitens: Unfähigkeit, diese zu überwinden, auch, weil Individualismus abtrainiert wird. Drittens: Druck durchs unruhige Heimpublikum – das zudem in den letzten zwanzig Jahren ein anderes geworden ist und häufig mit der Erwartungshaltung eines Theaterpublikums ins Stadion kommt (es hat gezahlt, nun soll etwas geboten werden). Zu fragen wäre auch, ob in den neuen Arenen mit den Sponsorennamen eine zunehmende Entfremdung stattfindet, also nicht der Fan sein Team in der Heimat unterstützt, sondern das Publikum der Mannschaft in der Arena zusieht. Einstweilen ist die Heimschwäche eine Auffälligkeit, ein Trend. Es ist zu früh, sie einen Zustand zu nennen."

Beeindruckt ob so viel Wahrheit in so wenig Worten,
Mike

Dienstag, 21. November 2006

heynckes raus?

Jupp Heynckes macht die schlechte Leistung der Borussia in den letzten Wochen ratlos, so befinden heute einhellig unter anderem Süddeutsche und Frankfurter Rundschau. Fragt mich mal! Ich weiß auch nicht mehr, wie man diesem maladen Club helfen soll, dem ich durch einen dummen Zufall in meiner Jugend verfallen bin. Tja.
Die Trainer-raus-Reflexe, die sich in der Vergangenheit schon nicht bewährt haben, sie sind jedenfalls schal geworden. Ob Heynckes noch der Richtige ist, je der Richtige war? Keine Ahnung. Wenn er geht, mir wäre es recht. Wenn er meint, er könne das Ruder rumreißen, ich wäre auch bereit ihm eine Chance zu geben. Wer soll es denn sonst auch richten? Christoph Daum ist Köln-sei-dank vom Karussel, aber es lauern noch Größen wie Neururer, das kann es doch auch nicht sein. Latour vielleicht? Ich bitte Euch!

Wie soll es also weitergehen? Ich bin ratlos. Nach der Auswärtsschwache kriegen wir nun im dritten Spiel in Folge auch daheim nix gebacken, bleiben gar torlos und treiben die Fans in Scharen aus dem Stadion. Der Verlauf der letzten Saison unter dem unsäglichen Köppel (guter Start, dann richtig einbrechen) wiederholt sich unter Hoffnungsträger Jupp, allein mit dem Unterschied, dass der gute Start kürzer währte. Gern würde man manchmal in der Wut der Verzweiflung einfach 75% der Mannschaft, den Trainer und gleich auch noch das Management austauschen. Dass auch das nichts bringt, haben wir in Zeiten von Dick Advocaat gelernt. Schon damals predigten wir: Ein Neuaufbau braucht viel, viel Zeit. Das ist das Einzige, was heute sicher ist. Der Weg bis Borussia wieder dort ist, wo sie längst gerne wäre, er scheint mir heute länger denn je. Und er könnte uns (vorübergehend) in die zweite Liga führen.

Montag, 20. November 2006

nicht-ereignisse

Versuchen wir am Tag danach mal einen eher philosophischen Ansatz: Wenn etwas Vorhersehbares oder zumindest nicht komplett Undenkbares eintritt, ist es dann überhaupt ein Ereignis im ursprünglichen, im eigentlichen Sinne? Mit anderen Worten: Wenn die Borussia ihr Heimspiel gegen Hannover verliert und vorher schon darüber gesprochen und nachgedacht wurde, was passiert, wenn die Borussia ihr Heimspiel gegen Hannover verliert; dann ist diese Niederlage keine unbedingte Niederlage mehr, weil über deren Bedingheit, das heißt ihre möglichen Ursachen und Folgen, ja schon im Vorhinein gestritten wurde. Und wenn etwas also nicht neu ist und überhaupt gar kein Ereignis: Ist es dann überhaupt der Rede wert?

Sonntag, 19. November 2006

vor dem entscheidungsspiel

Gladbach kämpft heute einen Kampf, der gewonnen werden muss, und zwar aus ganz verschiedenen Gründen. Das, was wir uns alle unter dem „Projekt Heynckes“ vorgestellt haben, droht sonst unter enormen Druck zu geraten. Und nachhaltige, geduldige Aufbauarbeit, die die Borussia bitter nötig hätte, funktioniert nun einmal nicht unter Druck. Das ist eine Feststellung, die auch die Verantwortlichen im Verein nicht überraschen wird, und diese Festellung hätte im Falle einer Niederlage gegen Hannover zwei Konsequenzen, die nicht weniger wahr werden, auch wenn Jupp Heynckes unter anderen Umständen der einzige Trainer sein mag, der einen Neuanfang in Gladbach bewerkstelligen kann.

Erstens wird Heynckes im akuten Abstiegskampf nicht den Relaunch der Borussia durchziehen können, den er sich vorgenommen hat. Zweitens ist, wenn die Erkenntnis auch bitter sein mag, Gladbach wie alle anderen Klubs nicht gefeit vor den Mechanismen der Branche. Heynckes’ Stuhl würde wackeln, auch, womöglich auch gerade, wenn alle das bestreiten; und auch, wenn wir uns grämen ob der kurzatmigen Notwendigkeiten eines in solchen Situationen eher dümmlichen Profifußball-Businesses. Verstecken kann man sich vor diesen Realitäten jedenfalls nicht; Herr werden kann man ihnen nur, wenn man Tacheles redet.

Gladbach hat, wie zuletzt in Hamburg offenkundig wurde, derzeit nicht die Klasse, souverän in sicheren Tabellenregionen zu wandeln. Es hat das Potenzial, das ja. Daran zu arbeiten, im Spiel nach vorn sicherer, im Kurzpassspiel schneller, im Torabschluss effizienter zu werden, dazu fehlt jedoch womöglich die Zeit und Ruhe, wenn die Borussia noch tiefer fällt. Es ist gleichwohl alternativlos, und Heynckes ist für diesen Job mit jungen Spielern prädestiniert. Dennoch bleibt ungewiss, ob ihn die Klub-Verantwortlichen auch für den Abstiegskampf mit einer jungen Mannschaft für prädestiniert halten. Oder ob dafür, wie überall anders auch, dann jemand anders herhalten muss. Überraschen könnte das nicht, weder sonstwo noch beim VfL.

„Gebt uns unsere Borussia zurück“, forderte Martin vor nicht allzu langer Zeit. Es mag wehtun, aber das, was derzeit im Borussia-Park über den grünen Rasen läuft, ist die Borussia. Das, was in einigen Köpfen noch als Urbild der Fohlen herumgaloppiert, ist womöglich viel eher ein Missverständnis, das dem Aufbau einer erfolgreichen Mannschaft entgegen steht. Wer sich stets an gülden Vergangenem orientiert, verstellt sich – siehe auch Köln – den Blick für realistische Träume. Vielleicht ist es der Vorteil eines Klubs wie Werder Bremen, dass es wirklich goldene Jahre und Jahrzehnte nie gegeben hat. So laufen sie in Bremen nie Gefahr, die Gegenwart an Erinnerungen auszurichten. Dort wird der Blick nach vorn gerichtet, mit Augenmaß und Cleverness.

Samstag, 18. November 2006

gesundes mittelmaß ganz oben

Das wäre so ein Spiel gewesen, das man gewinnt, und nachher sagen alle: Mensch, ein Riesenschritt. Wir sind wirklich wer! Wir können uns auf unsere Stärke verlassen, wir sind souverän. Der VfL hat so ein Spiel in Kiel relativ unspektakulär 0:2 verloren.

Da die anderen Spitzenteams auch nicht besser waren, steht Osnabrück zumindest bis morgen noch am Platz an der Sonne. "Diese Liga ist so schlecht, da kann wirklich jeder jeden schlagen", das sagte vor ein paar Tagen ein Kollege über die Bundesliga. Womöglich gilt das auch für die Regionalliga. Oder ist das Gegenteil der Fall: Die Liga ist so stark, dass jeder jeder schlagen kann?

Ein nächstes Ruhmesblatt ist heute jedenfalls nicht am lila-weißen Baum gewachsen. Die Mannschaft hat es leider versäumt, das Millionenpublikum in der Sportschau für Werbung in eigener Sache zu nutzen. Insgesamt wirkte sie recht leblos. Vielleicht darf sie das einmal, nach vielen tollen, vielen starken Auftritten. "Wir stehen wieder auf", versprach Pele Wollitz nach Abpfiff. Das mag gegen die nächsten Gegner, die Reserve des anderen VfL und Rot-Weiß Ahlen, verhältnismäßig leicht fallen. Immerhin das ist beruhigend.

Beim Pokalspiel gegen Mönchengladbach dauerte das Zittern etwa 96 Minuten, dann endlich hatte der Schiedsrichter ein Einsehen, bahnte dem lila-weißen Jubel seinen Weg und pfiff ab. 96 Minuten Nervosität, 96 Minuten Bangen. Das war ein hartes Stück Arbeit, auch auf der Tribüne. Wie es aussieht, war das jedoch nur der Anfang. Es gibt nicht nur einen oder zwei Konkurrenten in der Regionalliga, es gibt nahezu zehn, und keiner scheint dem anderen eine Nase voraus zu haben, jedenfalls nicht nachhaltig. Die beiden Teams, die im Mai den Aufstieg packen, werden bis zuletzt zittern und bangen und nervös sein - und mit Rückschlägen umgehen lernen. So sieht es jedenfalls heute aus. Eine absolute Nummer Eins gibt es in dieser Liga nicht.

Das wirklich sympathische an alldem: Der VfL braucht keinen religiösen Schmalspurbarden, der Bindesweisheiten predigt; jeder im Klub hat von vornherein gewusst, dass dieser Weg kein leichter sein wird. Man muss bitter flehen, dass es auch der lila-weiße Anhang ohne musikalische Allgemeinplätze begreifen möge.
Und: Der VfL orientiert sich am wirklichen Leben. Kein himmelhochjauchzend oder zu Tode betrübt, kein schwarz oder weiß, sondern von allem etwas, gesundes Mittelmaß eben. Wenn es dieses mitreißende Mittelmaß sogar zum Tabellenführer bringt, dann ist der VfL ohne Frage ein toller Verein. Auch nach einer Niederlage in Kiel.

Freitag, 17. November 2006

brechen die dämme?

Vieles spricht dafür, dass am Wochenende die ganze Welt von einer Welle der Begeisterung, der Wut, des Aufstands überrollt wird. Exklusiv im VfLog heute drei wichtige Gründe.

a) Milton Friedman ist gestorben.
Milton Friedmann war einer der weltweit bekanntesten Wirtschaftswissenschaftler, er war Nobelpreisträger und Anhänger der freien Marktwirtschaft. Jetzt ist er tot. Freunde des an Herzversagen gestorbenen Friedmans mutmaßen, der mitreißende Auftritt der deutschen Nationalmannschaft gegen Zypern hätten ihn zu sehr mitgenommen. Doch dies nur nebenbei. Wichtiger: Experten rund um den Globus fürchten jetzt das Ende des Kapitalismus. Was tun, jetzt, da Friedman uns im Stich gelassen hat - das fragen sich Neokonservative auf der ganzen Welt. "Die Geißel des Sozialstaats kommt über uns", dreut Guido Westerwelle Böses, und US-Präsident George W. Bush kündigt an: "Wir brauchen einen neuen McCarthy! Jetzt müssen wir wachsam sein!"

b) Ilja Kaenzig wurde bei Hannover 96 gefeuert.
Der sympathische und nahbare Kaenzig wurde dieser Tage als 96-Manager von der Leine gelassen, doch er ging nur widerwillig. Alle haben Angst: Der kommt zurück, wenn man einen Moment nicht aufpasst. Für das Gipfeltreffen der Spitzenklubs Hannover und Gladbach am Wochenende ist nun geplant, weiträumig um den Borussia-Park einen 13 Kilometer langen Zaun zu ziehen. Die Kosten dafür beziffern die Verantwortlichen auf 11 Millionen Euro. Wer die Kosten übernehmen wird, ist indes strittig. Hannover pocht darauf, Gladbach habe auch die Sicherheit des Gegners zu gewährleisten, der VfL weigert sich, den Zaun alleine zu finanzieren. Der schleswig-holsteinische Wirtschaftsminister Austermann (CDU) schlug vor: "Wir sind gern bereit, als Gastgeber für den Gipfel einzuspringen!"

c) Osnabrück will Tabellenführer bleiben.
Das Friedensangebot sowohl an die Kapitalisten als auch an Austermann kommt aus der Friedensstadt Osnabrück: Der VfL stellt sich für ein Spitzenspiel am Samstag in Kiel/Schleswig-Holstein zur Verfügung. Dann will die Mannschaft von Pele Wollitz die Tabellenspitze in der Regionalliga Nord verteidigen. Dazu wäre ein Auswärtssieg hilfreich. Doch darüber erst einmal: Schweigen. Bevor die Emotionen zu hoch kochen.

Donnerstag, 16. November 2006

kartoffeln, meer, borussia

Nietzsche hat einmal sinngemäß bemerkt, die deutsche Philosophie sei so schwer genießbar, weil man in Deutschland zu viele Kartoffeln esse. Wenn diese Darstellung auch etwas verkürzt sein mag, so ist doch der Hinweis nicht unzutreffend, dass Denken und körperliches Wohlbefinden (oder eben körperliches Unwohlsein) in enger Wechselwirkung stehen.
Nach Wochen der seelischen Strapazen sind wohl die meisten Gladbachfans inzwischen tief im Tal der trüben Gedanken und physischen Schmerzen angelangt. Da heißt es, die Reißleine zu ziehen und sich dem tristen Borussia-Alltag entziehen. Ich verabschiede mich heute für einige Tage ans Meer, einmal mehr frei nach Nietzsche, der einst über die weite See bemerkte: "Ich möchte schon mit diesem schönen Ungeheuer einige Heimlichkeiten gemeinsam haben".
Ganz fliehen werde ich aber nicht können. Von meinem Appartement mit Meerblick habe ich doch auch gute Sicht auf einen mit Arena bestückten Fernseher, der zumindest am Sonntag für 90 Minuten in Betrieb genommen wird. Und nächste Woche bin ich dann gestärkt für die anstehende Euphorie nach dem Sieg über Hannover oder für die schmutzige Heynckes-Raus-Kampagne, die im Falle einer Niederlage schon fest eingeplant ist.

Mittwoch, 15. November 2006

seitenwechsel #14

Auf schillernde Juwelen kann man von vielen Seiten blicken und staunen. Seit 1997 bereits beobachtet Seitenwahl für seine Leser das Gladbacher Geschehen, 2004 gesellte sich der VfLog dazu. Beide Projekte haben ihren eigenen unverwechselbaren Charme. Seit Beginn der Saison 06/07 gibt es nun den SEITENwechsel: Seitenwahl und VfLog haben einen Briefwechsel begonnen, in dem alles möglich ist: Fachsimpelei, Verbalfouls, Streit und Harmonie. Solange die Tinte reicht, wird auf Seitenwahl und auf dem VfLog Woche für Woche der Brief der jeweils anderen Seite veröffentlicht.

Unten der vierzehnte Seitenwechsel, diesmal hat zuerst wieder Mike geschrieben. Martins Antwort findet ihr bei Seitenwahl.


Lieber Martin, lieber Maik,

als angehender Sportjournalist war das vergangene Wochenende äußerst lehrreich.
Begonnen hat alles mit der Pressekonferenz aus dem St.Elisabeth-Krankenhaus in Köln. Da rief ein zur Zeit arbeitsloser Trainer zur Pressekonferenz, und alle folgten. Eine schauspielerische Farce sondergleichen, doch in dieser Stadt und in diesen Zeiten scheint nichts bizarr genug zu sein. Unabhängig davon, ob Herr Daum in dieser Woche Trainer beim hier ansässigen FC wird oder nicht; das, was an diesem Morgen geschah, spottete jeder Beschreibung. Dass sich Journalisten für nichts zu fein oder zu schade sind, stimmt mich betrüblich. Mit ein bißchen Eiern, frei nach Oliver Kahn, hätte man Herrn Daum mitteilen können, dass er, sofern er sich zu seiner Jobsuche äußern möchte, sich um ein Interview gerne bemühen dürfe.

Teil zwei der Kuriositäten war die Berichterstattung des Spiels unserer geliebten Borussia beim Hamburger SV. "Noch nicht einmal gegen Gladbach" war nach dem Spiel zu lesen, von einem "äußerst glücklichen Punktgewinn der schwachen Gäste", der absolut "unverdient" gewesen sei. Es ist schon interessant, wie ein Großteil der Kollegen ein solches Spiel bewertet. Von einer Überlegenheit der Hamburger habe ich nichts gesehen. Dass 90% aller Hamburger Torschüsse mehr Richtung Elbe denn Keller/Heimeroth flogen, wurde geflissentlich unterschlagen. Man müsste sachlich argumentieren, das scheint völlig aus der Mode gekommen zu sein.

Womit wir beim dritten Highlight des Wochenende angekommen sind: dem Stammtisch des DSF. Diese Sendung boykottiere ich seit meinem persönlichen Besuch im April 2005, doch da Peter Pander als Gast geladen war, nahm ich mir die Zeit und einige Tassen Kaffee, verschob die ansonsten für einen Sonntagmorgen obligatorische Lektüre der "Zeit" und schaltete das Fernsehgerät ein. Frank Buschmann, Benno Weber und Udo Lattek. Allein diese drei Namen in einer Runde stehen für alles, nur nicht für sachliche und kompetente Diskussionen ums Thema Fußball. Nachdem man eine geschlagene Stunde die "Probleme" beim FC Schalke 04 durchgekaut und unter anderem den Jubellauf von Gustavo Varela analysiert hatte, wurde das Thema "Borussia" angekündigt. Letztlich verkam dies zu einer Diffamierung von Herrn Heynckes, wobei sich die Herren Lattek und Weber besonders hervortaten. Den journalistischen Anspruch eines Herrn Buschmann habe ich schon persönlich erlebt. Falls Du das lesen solltest, lieber Frank: bleib beim Basketball, da passt Dein hysterischer Kreisch-Stil ("O'Neal mit dem Monster-Dunk in das Gesicht") besser. Peter Pander reagierte alles in allem recht gelassen; zu banal, dämlich und abgegriffen wirkten die Angriffe auf Heynckes. Ich erinnere mich, als der stellvertretende Chefredakteur des "kicker" in selbiger Runde gegen Kasey Keller wetterte, dass dieser ein besserer Fliegenfänger sei. Herr Wild, erinnern wir uns noch?

Oliver Fritsch, der jeden Tag den phantastischen Newsletter des "indirekten-freistoss" zusammenstellt, hat dies bereits ausreichend thematisiert. Der deutsche Sportjournalismus verkommt immer mehr zum Unterhaltungsevent. Wann, außer in der wunderbaren Fußball-Berichterstattung der FAZ, der SZ oder der NZZ, wird sachlich über dieses schöne Thema Fußball geschrieben und gesprochen? Wo bleiben die sinnigen Analysen, wo eben nicht alles gut ist, wenn gewonnen und nicht alles schlecht, wenn verloren wird? Die Boulevardisierung des Sportjournalismus schreitet leider immer weiter voran. Das Ergebnis dieser schwarz-weiß-Berichterstattung erleben wir jede Woche in den Fankurven. Ist es daher nicht schön, dass es Formate wie den VfLog und SEITENWAHL gibt?

Es grüßt nachdenklich
Mike

Dienstag, 14. November 2006

gleich zwei tabellenführer

In den vergangenen Tagen haben wir uns dem Novemberwetter gemäß an Grautönen orientiert, an Dingen, die unentschieden waren. Nicht weil wir nichts Positives zu berichten hätten, im Gegenteil: Weil Positives warten kann, weil erst einmal das auf den Tisch muss, was unter den Nägeln brennt.

Und während wir vortrefflich über guten und schlechten Journalismus diskutierten, über Wahrheit und Fairness, thront einer stolz und unaufgeregt über alldem: Der lila-weiße VfL an der Tabellenspitze. Vergangenen Samstag gegen die Amateure des Hamburger SV spielten die Osnabrücker einen feinen Schuh. Auch gegen vermeintlich schwache Gegner wollen fünf Tore erst einmal geschossen sein. Fleißbienchen haben sich Jan Schanda und Andreas Schäfer verdient, die besondes aufmerksam und klug agiert haben. 5:1, das ist eine ganz eindrückliche Visitenkarte. Vielleicht, vielleicht führt Claus-Dieter Wollitz seine Mannschaft wirklich auf dem richtigen Weg.

Zur Feier des Tages künden wir heute ein weiteres Mal von einem Neuzugang für die VftabelLe. Es erreichte uns dieser Tage nämlich wieder einmal eine charmante Bewerbung, von einem anderen Tabellenführer.

Hallo!
Mein Herz schlägt für 2 Vereine. Neben der einen Borussia auch noch für einen weiteren VFL, der in eurer Tabelle fehlt. Die Sportart passt auch nicht so ganz, aber immerhin bringt dieser VFL es auf 1,80 Punkte im Schnitt in dieser Saison, und das obwohl es nur 2 Punkte für einen Sieg gibt. Und ist in der Champions League sogar Tabellenführer. Besser geht nicht.
Von wem die Rede ist? Natürlich vom VfL Gummersbach im Handball. Also, nehmt ihr die auch noch auf?
Schöne Grüße,
Georg

Selbstverständlich tun wir das. Eine gelegentliche Flucht zum Handball kommt uns durchaus zupass. Wie gewünscht, schreiben wir Gummersbach auch weiter zwei Punkte pro Sieg gut und rechnen nicht etwa in die Fußballzählweise um. Doch keine Sorge: Ein zweiter Platz hinter Herzberg scheint dennoch möglich.

Schuld an der VftabelLe sind - Stammleser wissen es - die meinungsmachenden Massenmedien. Sie drucken und senden fleißig weiter unter der Rubrik "Fußball", selbst wenn Hannover 96 gegen Bielefeld spielt und obwohl klar ist: Wenn es kein VfL ist, ist es auch kein Fußball. Entsprechend erbärmlich sieht denn auch die Tabelle aus: Es wimmelt nur so von überflüssigen Einträgen. Ich sage nur: Frankfurt! München! Leverkusen! Cottbus! Usw. usf.

Daher haben wir die VftabelLe ins Leben gerufen, mit der sich erst einmal alle VfLs der ersten drei Ligen mit ihren Durchschnittspunkten pro Spiel untereinander messen können. Jeder VfL, der an einem regelmäßigen Ligabetrieb teilnimmt, ist eingeladen mitzumachen. Kurze Mail an vftabelle@vflog.de reicht.

Montag, 13. November 2006

alles klar unentschieden

Worauf waren wir an diesem Wochenende eigentlich so gespannt? Wofür haben wir gehofft und gebangt, uns vorsorglich musikalisch auf die große Depression eingestimmt oder doch wie manche Leserin optimistisch beschwingte Liedchen aufgelegt? Irgendwoher kam dieses Gefühl, in Hamburg werde sich alles entscheiden, werde die Wende zum Guten eintreten oder der völlige Zusammenbruch mit kathartischem Potential. Und auf dem Platz war dann doch wieder alles anders, vielschichtiger, uneindeutiger, eben: unentschieden.

Unser zunehmend rasender Reporter Maik hat ja bereits die Details aus der AOL-Arena mitgeteilt, bedauern muss man den lieben Kollegen, dass er diesem Hamburgspiel beiwohnte und nicht das fulminante 5:1 seiner Osnabrücker gegen das zweite Team des HSV erleben durfte. Osnabrück ist damit Tabellenführer, ganz ohne Rechenschiebereien und hochgerechnete Fehlspiele. Diese Großartigkeit wird in den nächsten Tagen noch hinreichend gefeiert werden, doch wie dies eben ist: Die Glückseligkeit wirft weniger Fragen auf als ihre Abwesenheit. Lila darf nun jubeln und genießen, Grün muss grübeln.

Was die Kollegen von borussia.de gestern noch eher nüchtern als "ersten Auswärtspunkt der Saison" würdigten, feiern die Torfabrikanten gar mit den Worten, Borussia habe "die Negativserie gestoppt". Aber ebensowenig wie die Leistung ein Entlassungsgrund für Heynckes ist, war dieses Spiel ein Befreiungsschlag, der wirklich Mut spendet. Der Samstag hat nichts geklärt, er verlängert nur die Zeit der Lähmung, auch wenn positive Ansätze zu sehen waren. Die schizophrenen Stimmen in unserem Kopf können weiter mit gleicher Plausibilität parallel die Geschichten von der bald durchschrittenen Talsohle wie von dem nicht aufzuhaltenden Niedergang erzählen. Wie in einem Vexierbild bietet Borussia die Perspektive auf mögliche goldene Zeiten mit Jupp, der demnach nur etwas Zeit brauchte, um sich so richtig einzufinden in seine Fohlenzeit, und zeitgleich auf Schreckensszenarien von neuerlichem Abstiegskampf, Auswärtskrampf und Unsicherheit daheim, von Trainerdiskussionen, Suchen nach neuen Lichtgestalten, Selbstzerfleischung aller Beteiligten.

Dass auswärts derzeit weder Erlösung noch Untergang zu haben ist, hätte man sich eh denken können, für ersteres sind wir zu schlecht, für letzteres zu sehr an Kummer gewöhnt. Was Hamburg also nicht war, Hannover wird es – sicherlich auch in seiner medialen Aufbereitung – werden: Ein Schlüsselspiel, das aufzeigt, ob die Tendenz nun tatsächlich wieder nach oben oder doch eher nach unten geht. Die verunsicherten Niedersachsen sollten ein geeigneter Gegner sein. Optimisten, die wir sind, legen wir Johnny Liebling in den CD-Player, wählen Track 10 und singen Jupp, auf die positiven Ansätze von Samstag bauend, zu: "Es ist niemals zu spät, wenn man mal weiß wie's geht."

Sonntag, 12. November 2006

die unbelohnten

Wirklich ist, was in der Sportschau läuft. Gestern war die Wirklichkeit der Sportschau eine merkwürdige. Es war eine Hamburger Wirklichkeit, die womöglich Teil des HSV-Problems ist. Es gehört denn auch schon eine gehörige Portion Ungehörigkeit dazu, dem Gladbacher Spiel zu attestieren, es sei „zu passiv“; mehr noch zu behaupten, die zwischenzeitliche HSV-Führung sei „mehr als verdient“ gewesen. Hallo?! Hamburg, das waren die in den weißen Trikots. Doch die Farce ging weiter: Nach dem, nennen wir ihn zurückhaltend: wohlwollenden Spielbericht zugunsten des HSV darf Jupp Heynckes sagen, er sei unzufrieden mit dem Punktgewinn; und wird damit wie ein undankbarer Depp vorgeführt, der das Spiel nicht verstanden hat. Zur Klarstellung: Heynckes’ Analyse und seine Bitterkeit, weil „man ein solches Spiel eigentlich gewinnen muss“, war derart zutreffend, dass in der Pressekonferenz nicht einmal Thomas Doll nachhaltig protestierte. Die Sportschau-Kollegen hatten eine agile HSV-Mannschaft gesehen – allein, sie waren leider die einzigen.

In der 84. Minute, mit Oliver Neuvilles wunderbar herausgespieltem 1:1-Ausgleichstreffer, geriet so einiges ins Wanken in Hamburg. Insbesondere die Spieler-Noten, die die Kollegen vom Kicker (oder war es die Sportbild?) kurz zuvor per Handy durchgegeben hatten. Binnen zwei Minuten verbesserte sich Neuville von „5“ auf „3“ – was ein Tor nicht alles für Konsequenzen hat. Leidtragende waren HSV-Keeper Stefan Wächter, am Tor komplett schuldlos und zuvor mit „3“ bewertet, der sich nun mit einer „4“ begnügen musste. Und Mario Fillinger, den es besonders hart traf und der nunmehr gar zwei Noten auf „5“ degradiert wurde. So schnell kann’s gehen. Und, bevor wir zum wirklich Wesentlichen kommen, ein letztes Aneknötchen: Wieso sich Danijel Ljuboja, der sich nach dem Eigentor von Levels wie ein Geisteskranker als Torschütze feiern ließ und ansonsten reichlich ungefährlich blieb, mit einer „2“ schmücken darf, recherchieren wir noch.

Gladbach hat ein gutes Spiel gemacht. Jupp Heynckes nannte das nachher „engagiert, taktisch sehr klug“, und er schob nach, er sehe das immer gemessen „an unserer jetzigen Situation.“ Kleine Schritte eben. Besonders die Defensive überzeugte weitgehend. Die Viererkette, unterstützt durch einen starken Bernd Thijs im defensiven Mittelfeld, stand routiniert und stabil; sie befreite sich mehrmals durch sicheres Kurzpassspiel und leitete Offensivaktionen ein. Auch in Phasen, in denen der HSV drückte, spielte die Borussia abgeklärt. Theoretisch hätte Hamburg kein Tor schießen dürfen, schließlich hatte der HSV über die gesamten 90 Minuten keine einzige zwingende Torchance. Allein nach Standardsituationen und durch Distanzschüsse kam – natürlich – Gefahr auf, aus dem laufenden Spiel ist der Hamburger Fußball mit „ungefährlich“ noch nachsichtig beschrieben. Die Doll-Truppe erinnert ein bißchen an eine Dorfmannschaft in der Kreisliga: Es gibt einen überdurchschnittlichen Spielmacher (Rafael van der Vaart), der an jeder gefährlichen Aktion maßgeblich beteiligt ist; fällt der aber aus oder wird gut abgeschirmt, ist jede Kreativität und Unberechenbarkeit hinfort. Gut für Gladbach, denn die langsamen HSV-Bemühungen eigneten sich ganz gut, hinten Selbstvertrauen zu sammeln. Gegen einen Gegner, der schneller und ballsicherer nach vorn spielte, hätte die Hintermannschaft der Fohlen sicher nicht so gut ausgesehen. Zé Antonio spielte unauffällig, aber organisiert, Thomas Helveg spielte auf der rechten Seite stark. Links war Tobias Levels sicher der schwächste Gladbacher, der teilweise haarsträubende Fehler produzierte und der einzige war, bei dessen Aktionen man immer etwas zitterte. Marvin Compper macht (noch) fehlende Klasse immerhin durch taktische Cleverness wett und spielt bisweilen ausgesprochen klug foul, zum Beispiel in der elften Minute, als Gladbach den Ball nach einem eigenen Freistoß verlor und in einen schnellen Konter zu geraten drohte. Auch das will gelernt sein.

Angetrieben von wirklich großartigen Gladbacher Fans konnten sich die Fohlen nach gut zwanzig Minuten von der Anfangsoffensive des HSV befreien. Sie machten mehr und mehr selbst das Spiel, hatten deutlich mehr Spielanteile, insbesondere auch, weil Hassan El Fakiri seine Lässigkeit langsam ablegte und sich anschickte, ein Aktivposten in der Offensive zu werden. Heynckes war an der Seitenlinie auffällig gegenwärtig, gab Michael Delura und Zé Antonio, besonders bei Standardsituationen, immer wieder wild Anweisungen; es schien so, als hielten sich seine Mannen nicht so ganz an die Absprachen. Schon nach einer halben Stunde aber zeichnete sich das Gladbacher Hauptproblem mehr als deutlich ab: Bis dreißig Meter vor dem gegnerischen Tor spielt die Borussia wirklich ansehnlich, dann dauert alles viel zu lange, und die Angriffe enden ähnlich ungefährlich wie die des HSV. In der 41. Minute konnte Kasey Keller, der nach seiner schulterverletzungsbedingten Auswechslung soeben auf die Bank zurückgekehrt war, die bis dahin größte Chance des Spiels mit ansehen: Kahe war von Thijs im Strafraum bedient worden, stand da und man wollte schreien „Schieß!“, doch er schoss nicht. Und schoss immer noch nicht. Und drehte sich und dribbelte, und dann war die Chance vorbei. Halbzeitpause, auch für den guten Schiedsrichter Florian Meyer, schon der zweite in dieser Woche, der das Spiel endlich einmal nur dann unterbrach, wenn es wirklich sein musste.

Der HSV spielte in der zweiten Hälfte engagierter, ohne jedoch zwingende Chancen zu erarbeiten. So sah man ein paar Schüsse (van der Vaart) und Schüsschen (Ljuboja, Boubacar Sanogo), mal auch einen Kopfball, aber alles nichts, was überzeugt hätte. Gladbachs Spiel wirkte so ideenlos nicht. Meist über rechts versuchte sich die Borussia, was angesichts eines schwachen Eugen Polanski nur selten gut ging und bei Heynckes desöfteren Kopfschütteln auslöste. Man hatte das Gefühl, die Fohlen wussten wohl, was zu tun sei, um die Hamburger Hintermannschaft auszuhebeln. Die Ideen waren da, allein es fehlte das Vermögen, sie umzusetzen. Ein ums andere Mal gut gedacht, kamen die Pässe zu ungenau und schludrig, zum Beispiel Polanskis aussichtsreicher Flankenversuch in der 65. Minute. Immer, wenn es schnell gehen sollte, fehlten die technischen Fertigkeiten, den Ball auch bei hohem Tempo noch zu kontrollieren. Vermutlich aber ist dieses Manko beruhigender und einfacher zu beheben, als würde es komplett an Spielwitz fehlen. Genau das meinte Heynckes, als er anschließend von „engagiert und taktisch sehr klug sprach“, immer jedoch mit Bezug auf „unsere jetzige Situation“. Die besten Chancen für die Borussia:In der 52. Minute, nachdem ausnahmsweise mal Delura über rechts einen schönen Angriff einleitete, Neuville flankte und Thijs verpasste. Und natürlich in der 76. Minute, als Wesley Sonck sich in seiner ersten Aktion auf rechts durchsetzte und auf Kahe passte, der sich schon zum Jubeln fertig machen durfte, weil er sechs Meter allein vor Torwart Wächter stand. Das Ende kennen wir; der hochverdiente Ausgleich fiel erst einige Minuten später, geschossen von einem starken und spielfreudigen Oliver Neuville.

Gladbach – Fans und Spieler – feierten am Ende den ersten Punktgewinn auswärts, die Fans übrigens so lange, dass einige Spieler zwanzig Minuten nach Abpfiff noch einmal rauskamen. Thomas Doll befand, „der Punkt bringt uns nicht weiter“ und beschloss übellaunig eine „sehr, sehr schlechte Woche“. Und Jupp Heynckes kann sich auf sein Gefühl verlassen, denn er blieb dabei: „Rein gefühlsmäßig muss man so ein Spiel gewinnen.“ Gegen Hannover in einer Woche sollte das besser klappen!

Samstag, 11. November 2006

göttliche komödie

Wer sich für das heutige Gladbachspiel noch in Stimmung bringen möchte, dem empfehlen wir das aktuelle Album des englischen Musikgenies Neil Hannon (The Divine Comedy: Victory for the Comic Muse). Er sagt in einem Interview über die phasenweise recht traurige CD: "I find great joy in utter depression." Und damit ist er derzeit wohl der perfekte Fohlenbarde.

gegen hamburg

Osnabrück hat schon ein bißchen Erfahrung mit Hamburg. Immerhin gab’s vergangenen Mittwoch das Aufeinandertreffen mit dem FC St. Pauli. Anschließend wusste Coach Pele Wollitz sogar bereits, wie das Spiel heute ausgeht: „Dann werden wir Samstag gegen die HSV Amateure 4:0 gewinnen.“ Warten wir es ab. Fest steht jedenfalls, dass der Fußballgott es dieser Tage gut meint mit Offenbarungen: Erst das VfDuell im Pokal, dann spielten vor zwei Wochen beide VfLs an einem Tag gegen Leverkusen, und heute das gleiche mit dem HSV. Für sich genommen spielen die VfLs eben schon jetzt in einer Liga.

Was dürfen wir erwarten?
a) Einen Sieg gegen Hamburg II, einen Pflichsieg. Wer oben mitspielen will, muss diese Heimspiele gewinnen. Es dürfte jedoch leicht zu prognostizieren sein, dass die Zuschauer an der Bremer Brücke heute kein großes Fußballspiel erleben werden. Dafür ging es zuletzt am Millerntor um zu viel vor zu vielen Fans und bei zu guter Stimmung. So ähnlich wie nach dem Pokalspiel, als der VfL sich zu einem wichtigen 2:1 in Leverkusen quälte, wird es auch heute. Viel wird davon abhängen, ob Wollitz das Team – und ob das Team sich selbst – für diese Pflichaufgabe motivieren wird können. Doch auch hier Zuversicht: Die Mannschaft macht derzeit nicht den Eindruck, als wolle sie fahrlässig irgend etwas verschenken, eher im Gegenteil.

b) Für die Borussia wird es eng. Noch lesen wir überall, wie angenehm unaufgeregt und zugleich offen mit der Krise in Gladbach umgegangen wird. Fans, Vorstand und Trainer üben sich – jedenfalls größtenteils – im Schulterschluss. Jedoch: Angesichts der Erfahrungen aus den vergangenen Jahren mag diese Ruhe trügerisch sein. Das Business funktioniert, was jämmerliches Krisen„management“ angeht, in Gladbach gemeinhin genauso verlässlich wie überall. Mehr noch, Gladbach stellt gar gern neue Zielmarken auf; anders sind Holger Fach und Horst Köppel wohl nicht zu erklären. Man mag sich nicht vorstellen, was passiert, wenn Gladbach den Abstiegsrängen noch näher rückte. Man mag hoffen, dass alle bei Sinnen bleiben. Am einfachsten aber wäre es, möglichen Diskussionen mit einem Sieg beim HSV von vornherein den Nährboden zu verwässern. Vielleicht greift Jupp ja noch zum roten Telefon – und Pele gibt zwei von seinen vorhergesagten vier Hamburger Toren an die Borussia ab. Das reichte womöglich für beide VfLs – und der Gegner wäre immerhin der gleiche.

Freitag, 10. November 2006

auswärtssieg im hohen norden

Zuerst schien es ja ein Auswärtsspiel wie jedes andere auch zu werden. In der 22. fiel das erste Tor gegen Borussia, also alles Routine. Doch dann geschah das Unglaublicke, das gefühlt Nie-Dagewesene: Nicht nur erreichten die Fohlen den Ausgleich in der 34. Minute, nein man legte sogar zu einer 2:1 Führung nach, in der 43. Minute. Nur eine Minute später kassierte Borussia allerdings einen Elfer, Ausgleich, nur eine Minute vor der Pause, und die Welt schien wieder normal. Doch, halt! Die 2. Hälfte brachte nach nur gut 10 Minuten das nächste Grün-Schwarz-Weiße Tor, und dabei blieb es. 3:2 hat Borussias 2. Mannschaft diese Woche Holstein Kiel auswärts geschlagen. Wir gratulieren.

Nur am Rande: Das 1:0 für Holstein Kiel schoss ein gewisser Herr Niedrig. Alle Leser mögen sich jetzt bitte alberne Wortspiele selbst ausdenken.

Und noch etwas: Wer hier noch etwas zu dem Mittwochspiel der ersten VfL-Mannschaft lesen will, findet einen ausführlichen Spielbericht über das Spiel gleich unter diesem Beitrag.

Donnerstag, 9. November 2006

punktgewinn am millerntor

Bis zur 62. Minute war die 2:1-Führung von St. Pauli einfach unerklärlich. Sie war ohne Frage unverdient. Mit der 62. Minute, mit dem Ausgleich zum 2:2 hatte der VfL einen Punkt gewonnen, der mit Blick auf den Spielverlauf noch zu wenig war. Nach 90 Minuten hatten sich St. Pauli und Osnabrück die Punkte geteilt, und das war am Ende, nachdem Osnabrück in der letzten halben Stunde das Offensivspiel größtenteils eingestellt hatte, angemessen.

Beide Trainer hatten sich, wie gewohnt, für ein 4-4-2-System entschieden, doch in den ersten Minuten spielte St. Pauli so furios Forechecking, dass der VfL Mühe hatte, sein System zu finden. Er schaffte es, fand sichtlich besser ins Spiel, baute das Spiel klug auf. Das Führungstor in der 11. Minute, das für viele Beobachter aus mehr oder weniger heiterem Himmel fiel, fiel so plötzlich gar nicht: Osnabrück hatte den Gegner schon zu diesem Zeitpunkt immer besser in den Griff bekommen. Plötzlich kam lediglich der haarsträubende Fehler von St. Paulis Rechtsverteidiger Florian Lechner, dessen Querschläger direkt auf Jan Schandas Kopf zielte. Der lauerte am langen Pfosten und markierte mühelos die 1:0-Führung für Osnabrück.

Was dann eine knappe Stunde folgte, war – mit zwei folgenschweren Abstrichen – eine Vorführung. Selten hat man in den vergangenen Jahren eine so sicher agierende VfL-Mannschaft gesehen. Defensiv mit einer atemberaubenden Souveränität, im Spielaufbau und in der Offensive durchdacht und vor allem: schnell. Es war eine Freude, dabei zuzusehen. St. Pauli war in dieser langen Phase des Spiels harmlos. Lediglich ein Meggle-Schuss in der 17. Minute sprang für die Hamburger raus, nicht besonders gefährlich; und eine erfolglose Abseitsfalle brachte die Kiez-Kicker einige Minuten später noch einmal vor das Tor von Frederik Gößling.
Dem standen lila-weiße Kombinationen gegenüber, die auswiesen, dass Osnabrück zurecht oben in der Tabelle steht. Oft waren es Thomas Cichon und Marco Tredup, bei denen die Spielzüge begannen, Mathias Surmann verdiente sich als Ballverteiler einige Meriten, vorn war Thomas Reichenberger, seltener – oder eher: glückloser – Addy Menga, stets anspielbar und agil. Und was einige Zeilen zu beschreiben dauert, das ging auf dem Platz blitzschnell. In der 20. Minute konnte Addy Menga, nach einem Doppelpass von Surmann und Schanda angespielt, einen schönen Angriff nur harmlos abschließen. In der 27. Minute folgte eine tolle Freistoß-Kombination: Cichon spielt flach und steil auf Jo Enochs, der sofort weiter nach links auf Bilal Aziz, schnelle Flanke auf den mutterseelenallein vor St. Pauli-Torwart Patrik Borger wartenden Reichenberger. Kein Tor, kein 2:0. Der VfL machte nach vorn das Spiel, und hinten verstanden sich Dominique Ndjeng und Cichon blind.

St. Pauli stand unter Druck: Viele Stockfehler, leichte Fehlpässe. Schon nach gut 20 Minuten verließ mein Sitznachbar das Stadion und grüßte mit: „Tschüss. Ich will das Elend nicht mehr mit ansehen!“ St. Pauli hatte das Zepter abgegeben. Dann, nach einer halben Stunde, schoss Marvin Braun in zwei Minuten zwei Tore, und die Hamburger führten 2:1. Verkehrte Welt. Beim ersten Tor kann man so richtig gar niemandem einen Vorwurf machen; es war das Produkt eines abgefälschten Schusses und vieler Zufälle, die den Ball zu Braun brachten. Der tat, was er konnte, und 17.000 Zuschauer waren ein Tollhaus. Die Osnabrücker fanden das offenbar so toll, dass sie ein paar Sekunden zu lange nicht an Fußball dachten. Braun war wieder schneller, und die beiden einzigen ‚Fehler’ der Osnabrücker Innenverteidigung hatten den Spielverlauf auf den Kopf gestellt. Noch vor der Pause fing sich die Mannschaft von Pele Wollitz wieder. Nach feinem Zusammenspiel von Surmann und Reichenberger hatte Menga gar in der 40. Minute noch den Ausgleich auf dem Fuß, vergab jedoch. Halbzeit. Was einer Mannschaft sagen, die eigentlich nichts falsch gemacht hatte?

Dann kam die 62. Minute. Lila-Weiß jubelte über den hochverdienten Ausgleich, der sich abgezeichnet hatte. Besonders Bilal Aziz hatte sich, je länger das Spiel dauerte desto mehr, dafür ins Zeug gelegt und kurz zuvor Schanda vielversprechend in Szene gesetzt. Nun traf nicht Schanda zum zweiten Mal, sondern Reichenberger. Der Ausgleich saß, die St. Pauli-Fans waren enttäuscht, und Schuld sollte jetzt der Schiedsrichter haben. Dass Christian Schössling ein guter und mutiger Referee war, der – endlich einmal! – selten das Spiel unterbrach und viel weiterlaufen ließ, brachte ihm "Hoyzer, Hoyzer"-Rufe ein. Das war ungerecht. Doch auch wenige lila-weiße Fans vermochten mit Dämlichkeit zu überzeugen und zündeten Nebelkerzen. Beides trübt nicht die Sympathie, die die große Mehrheit der St. Pauli- und Osnabrück-Fans füreineinder hegen.

In den letzten 25 Minuten stellte der VfL seine Offensiv-Bemühungen zum großen Teil ein. "Das finde ich dann immer nicht so gut", sagte Claus-Dieter Wollitz nachher. "Meine Philosophie ist, dann trotzdem weiter nach vorn zu spielen, selbst wenn du das 2:3 kriegst. Doch ich akzeptiere auch, wenn sich die Mannschaft auf dem Platz selbstständig entscheidet: ‚Jetzt spielen wir 2:2.’ Das muss sie dürfen." St. Pauli nahm das zur Kenntnis und drückte, versuchte sich in Powerplay, allein die lila-weiße Defensive war an diesem Abend kein drittes Mal zu überwinden. Sie stand unaufgeregt sicher und klärte eben, was es zu klären galt. In Situationen, die einen im Pokalspiel gegen Mönchengladbach noch zittern ließen, weil man dem Abwehrspiel nicht trauen wollte, war gestern nicht einen Moment lang Angst geboten, das Spiel doch noch verlieren zu können. Dennoch: "Die Mannschaft ist deprimiert, die war schon in der Halbzeit deprimiert. Dabei muss sie das gar nicht. Sie hat alles gegeben, tollen Fußball gespielt", sagte Pele Wollitz anschließend – und freute sich doch auch etwas über den Ehrgeiz der Truppe.
St. Pauli-Coach Andreas Bergmann nannte das Ergebnis "gerecht", auch Wollitz fand, dass die Punkteteilung "unterm Strich ok" war. "Wir sind auf einem sehr guten Weg, und in der Mannschaft passt im Moment einfach alles." Das merkt man.

Mittwoch, 8. November 2006

oben und unten

Noch 2 respektive 30 Minuten, dann rollt wieder der VfbalL, in Hamburg und in Gladbach. Eigentlich wollten wir heute vorausschauende Betrachtungen zu den Spielen abgeben, dann aber waren wir doch wie gelähmt. Nun scheint es schon fast zu kurz um noch Substanzielles sagen zu können, das nicht eh in gut 2 Stunden wieder überholt sein würde. Dürfen wir oben von der Tabellenspitze träumen? Schon ein Unentschieden würde reichen. Den erstarkten Lila-VfLern ist dies zuzutrauen, und doch: man mag nichts beschreien, das Schicksal nicht herausfordern, nicht jetzt, so kurz vor einem Spiel, wo Maik schon am Millerntor steht und zittert.
Und unten? Die Fohlen-VfLer müssen das Schicksal noch viel mehr fürchten...

Dienstag, 7. November 2006

seitenwechsel #13

Auf schillernde Juwelen kann man von vielen Seiten blicken und staunen. Seit 1997 bereits beobachtet Seitenwahl für seine Leser das Gladbacher Geschehen, 2004 gesellte sich der VfLog dazu. Beide Projekte haben ihren eigenen unverwechselbaren Charme. Seit Beginn der Saison 06/07 gibt es nun den SEITENwechsel: Seitenwahl und VfLog haben einen Briefwechsel begonnen, in dem alles möglich ist: Fachsimpelei, Verbalfouls, Streit und Harmonie. Solange die Tinte reicht, wird auf Seitenwahl und auf dem VfLog Woche für Woche der Brief der jeweils anderen Seite veröffentlicht - heute sogar schon am Dienstag.

Unten der dreizehnte Seitenwechsel, diesmal hat wieder Mike zuerst geschrieben. Martins Antwort findet ihr bei Seitenwahl.


Martin, Maik,

willkommen im Abstiegskampf!
Dass einige Diskussionen mit dieser Überschrift unmittelbar nach Spielende vom Zaun brachen, war abzusehen. Leider steht eine englische Woche vor der Tür. Was in Zeiten sportlichen Erfolgs für Fans und Mannschaft ein Segen ist, wirkt nun wie eine Qual. Am Mittwoch wird das fünftePflichtspiel in weniger als vierzehn Tagen anstehen, und die Gefahr der fünften Niederlage in Folge ist groß. Wir sprachen bereits in den letzten Wochen oft darüber. Stoppt Borussia diesen Trend nicht bald, wird es nicht mehr lange dauern, bis die ersten Sprechchöre im BorussiaPark hallen, die den Rauswurf von Heynckes fordern. Und es kotzt mich an! Entschuldigt die vulgäre Sprache, aber ich denke bereits mit Grauen an den kommenden Mittwoch, an die gellenden Pfeifkonzerte nach wenigen Minuten, an das großspurige Gerede der tausenden Experten auf der Tribüne.

Zumindest werde ich in den kommenden Tagen von billigen Seitenhieben meiner Kölner Arbeitskollegen verschont, die immer noch ihre Wunden nach der "Derby"-Niederlage lecken. Übrigens drehen die hier genauso durch wie in Mönchengladbach. Für mich immer wieder ein Zeichen, dass wir uns wahrscheinlich viel ähnlicher sind, als viele zugeben würden. In Köln ruft man nach Christoph Daum, in Mönchengladbach inzwischen vermehrt nach Jürgen Klopp.

Also befinden wir uns im Abstiegskampf! So schnell kann das gehen, zumal ich mich noch gut an den Abend erinnere, als Borussia für wenige Stunden Tabellenführer der Bundesliga war (leider mussten die Lila-Weißen ihre Tabellenführung ebenso wieder abgeben, wenn auch knapp). Das war übrigens das Wochenende, als Arminia Bielefeld das "Abstiegsduell" mit 1:2 in Bochum verlor und Werder Bremen im Mittelfeld der Tabelle krebste. Ach, was macht eigentlich Jan Schlaudraff inzwischen? José Ortega y Gasset, spanischer Philosoph und Essayist, hat einmal gesagt: "Die Vergangenheit kann uns nicht sagen, was wir tun, wohl aber, was wir lassen müssen." Leider reicht der Blick in die Vergangenheit im Mönchengladbacher Umfeld meist nur wenige Tage.

Grüße,
Mike

Montag, 6. November 2006

erinnerungen #1

Sich zurück zu wagen in längst vergangene Zeiten, ist immer auch ein riskantes Spiel mit der eigenen Identität. Wir trauen uns dennoch: Von heute an erinnert der VfLog in unregelmäßigen Abständen an Auswärtssiege der Borussia.

Heute nähern wir uns noch einmal dem 17. März 1984. Damals gewann Mönchengladbach am 25. Spieltag 2:1 in Köln. Vor 41.000 Zuschauern im damals noch altehrwürdigen Müngersdorfer Stadion trafen Lothar Matthäus und Uwe Rahn ins Kölner Tor. Das war schön. Trainer der Borussia war übrigens auch damals Jupp Heynckes.

Damals schenkte er diesen Kickern das Vetrauen: Sude - Herlovsen, Borowka, Krauss, Frontzeck - Bruns, Matthäus, Schäfer, Lienen - Rahn, Herbst

Gladbach war nach dem Köln-Spiel Tabellenvierter, punktgleich mit Bayern und Stuttgart auf den Plätzen zwei und drei, nur einen Punkt hinter dem Spitzenreiter Hamburger SV.
Erinnern Sie sich noch an weitere legendäre Auswärtssiege der Borussia? Waren Sie gar live dabei? Dann schicken Sie uns Ihren Spielbericht!

Sonntag, 5. November 2006

live von woanders: olympiastadion, berlin

Hier, im unangefochten drittschönsten Stadion Deutschlands, hätte vor nicht allzu langer Zeit beinahe das Fußballspiel des Jahres stattgefunden. Leider wurde es dann nur eines, währenddessen Zinedine Zidane wegen eines ehrwürdigen Kopfstoßes des Feldes verwiesen wurde und Italien Weltmeister.
Hier, im Olympiastadion in Berlin, ist man dennoch gern, selbst wenn nur Hertha gegen Nürnberg spielt. Dieses Stadion ist einfach wunderbar, selbst wenn es mit nur 41.000 Zuschauern spärlich gefüllt ist. Doch noch mehr Gründe sprachen für einen Besuch: Gestern war Borussia-Legende Hans Meyer mal wieder zu Gast, und die Hertha ist nächster Pokalgegner des VfL.

Hans Meyer. Natürlich wird sein Kultstatus überstrapaziert. Trotzdem bleibt er ein willkommener Farbkleks im Bundesligatrainer-Einerlei. Frage: "Herr Meyer, Sie hatten, wenn ich richtig informiert bin, gestern Geburtstag. Ein Geschenk hat Ihnen Ihre Mannschaft mit der Niederlage heute wohl nicht gemacht, oder?" Antwort: "Ich werde dem nachgehen!" Das ist hohe Schule. Doch Meyer überzeugt auch fachlich. Er hat dem 1. FC Nürnberg einen Stil verschrieben, der staunen lässt. Besonders das schnelle Konterspiel aus einer sehr stabilen Defensive ist sehenswert. Marek Mintal als unangefochtener Spielmacher zieht effektiv die Fäden, aber auch vermeintliche Ergänzungsspieler wie Ivica Banovic fügen sich fabelhaft in das System. Natürlich bleibt Nürnberg kein besonders bemerkenswerter Klub. Hans Meyer hat es aber immerhin verstanden, die Nürnberger aus der Liga der Unsympathen heraus zu führen. Mit oft sehenswerten Kombinationen und gutem Fußball. Verloren haben sie gestern trotzdem.

Hertha. Was lässt sich über Hertha schon sagen. Die Nummer Vier in Berlin eben, nach Union, Dynamo und Blau-Weiß 90. Mit einem verwunderlich souveränen Marko Pantelic. Einem erheiternden Unsicherheitsfaktor Dick van Burik. Nicht unbedingt die stärkere Mannschaft, aber jene, die aus zwei fragilen Chancen zwei Tore macht. Das ist effektiv, schön ist es oft nicht. Insbesondere nach dem Nürnberger Ausgleich waren die Berliner zwanzig Minuten komplett geschockt, ohne noch irgendwelche Akzente zu setzen. Dann jedoch fiel aus heiterem Himmel das 2:1. Was heißt das für den VfL? Erstens: Hertha ist eine ausgesprochen unangenehme Mannschaft, die unschön, aber aggressiv spielt und die Tore schießt, auch ohne sie sich zu verdienen. Zweitens: Hertha kommt dem VfL-Spiel durchaus nicht ungelegen. Ähnlich wie Nürnberg spielt auch der VfL aus einer kompakten, gut gestellten Defensive und versucht, mit schnellen steilen, meist diagonalen Pässen in die Spitze Tempo nach vorn zu machen. Blitzschnell soll es gehen; Nouri in die Spitze auf Reichenberger, der zurück auf Nouri; nach außen auf Aziz. Flanke. Menga und Reichenberger lauern vorn. Genauso hat auch Nürnberg die Hertha-Defensive das ein oder andere Mal in Verlegenheit gebracht. Leider ohne daraus Kapital zu schlagen. Wenn der VfL das anders macht, könnten die Lila-Weißen Hertha Probleme bereiten.

War da noch mehr? Ja. Der wunderbare Satz meines Sitznachbarn angesichts der 1:0-Führungen von Cottbus in Bremen und Bielefeld in Dortmund: "Diese Liga ist so schlecht, da kann wirklich jeder gegen jeden gewinnen." Und: Glückwunsch an Hannover 96. Der Trainerwechsel von Peter Neururer zu Dieter Hecking hat sich ja so richtig bezahlt gemacht. Toll!

Live von woanders gibt es regelmäßig im VfLog. Unter anderem waren wir auch schon in Münster, St. Pauli, Hamburg oder Hannover.

Samstag, 4. November 2006

punktgewinn gegen emden

Auf dem Papier muss man ein Heimspiel gegen Emden gewinnen, ganz klar. Da spielte immerhin der Zweite gegen den Elften. Doch 15 Menschen sind da anderer Ansicht: Die dreizehn lila-weißen Akteure, die heute auf dem Rasen standen; ihr Trainer Pele Wollitz; und unser VfLog-Späher, der sich vortrefflich in der Ostkurve platziert hatte. Sie alle sind der Meinung: Gegen Emden kann man auch mal 2:2 spielen.

Nämlich dann, wenn der VfL nach Wochen der außergewöhnlichen Leistungen mal nur ein normales Spiel abliefert; und wenn der Gegner klug und agil spielt. Das Ergebnis ist dann ein verdientes Unentschieden. Einzig, wenn VfL-Keeper Frederic Gößling diesen Punkt nicht ganz kurz vor Schluss noch mit einer sensationellen Weltklasseparade festgehalten hätte, hätte man sich beklagen können.

Sodenn hat die Regionalliga zumindest eine Nacht lang den standesgemäßesten aller Tabellenführer, und der VfL darf sich wundern, warum Berlin nicht gewonnen hat und Bremen nicht und Düsseldorf nicht. Morgen wird Lübeck noch vorbeiziehen, schließlich verliert nicht jeder Aufstiegsaspirant in Dortmund. Doch trotzdem: Platz Zwei verteidigt.

Bemerkenswert ist, wie unglaublich eng die Liga beieinander liegt: Der FC St. Pauli, dem gemeinhin der Ruf anhaftet, einen katastrophalen Saisonstart hingelegt zu haben, rangiert als Elfter nur vier Punkte hinter dem VfL. Umso wichtiger wird sein, am Mittwoch im Millerntor nicht zu verlieren.

Freitag, 3. November 2006

friesen, hessen, vfler

Viel gibt es nicht zu sagen vor dem kommenden Wochenende. Eigentlich eher noch weniger. Der eine VfL läuft bei unseren hessischen Freunden in Frankfurt auf, der andere daheim gegen Emden. Beide Trainer sagen, das sie gewinnen wollen; beiden mag man nur zu gern glauben.

Osnabrück könnte Tabellenführer werden, und allein der Gedanke daran ist eigentlich ein sicheres Indiz dafür, dass genau das nicht passiert. Das alte Tischfußball-Phänomen kennt jeder von uns: Es steht 5:0, beim nächsten Treffer, beim 6:0, wäre die Schmach perfekt: Die Gegner müssten die nächste Runde bezahlen oder - je nach Brauch - unter dem Spieltisch hindurch krabbeln. Leider bedeutet jede Vorfreude darauf, dass hundertprozentig das 5:1 fällt. So oder so ähnlich verhielt es sich schon desöfteren mit dem lila-weißen VfL, zum Beispiel in der vorletzten Saison: Sobald die Hoffnung auf einen Aufstiegsplatz richtig greifbar wurde, kam es zum einem Rückschritt. Morgen wird all das natürlich anders sein.

Der achte Saisonsieg wäre nicht nur der fünfte Heimsieg in Folge, er würde auch den Oktober nachträglich vergolden und der Mannschaft zumindest eine Nacht den Platz an der Sonne bescheren. Wie lange man dafür gearbeitet hätte! Doch gemach: Nur nicht den alten Kicker-Fehler machen! Stattdessen lieber noch einen Moment nach Frankfurt schauen. Am 13. Mai 20o6 hat Gladbach dort einen Auswärtssieg gefeiert. Es war der bis heute letzte. Das ist doch ein gutes Omen, oder?

Donnerstag, 2. November 2006

dinamische siege

Wenn eine Mannschaft nach 13 Saisonspielen 39 Punkte auf dem Konto hat und 30:7 Tore, dann darf man mit Fug und Recht von einem dominierenden Team sprechen. Dementsprechend euphorisiert sind die Fans. Die Borussia erwartet heute Abend beim UEFA-Cup-Spiel in Bukarest also ein Hexenkessel: Das Stadionul Dinamo wird mit 15.300 Zuschauern ausverkauft sein, die Gladbachanhänger dagegen dürften sich an einigen wenigen Händen abzählen lassen.

Nun hat der VfL ja ohnehin so seine liebe Müh mit Auswärtsspielen im Pokal vor begeisterten Fans. Hinzu kommt, dass vom Gegner nicht viel mehr als die nackten Zahlen bekannt sind. Trainiert wird das Team von Mircea Rednic, der sich mit seinem kontrollierten Offensivspiel à la Otto Rehhagel mittlerweile über die Stadtgrenzen Bukarests hinaus einen Namen gemacht hat. In der Stadt kennt man ihn spätestens, seitdem Dinamo die Derbies gegen Steaua, Rapid und National allesamt gewonnen hat.

Doch Rednic ist niemand, der nicht gerne auch Tore bejubelt. Die absoluten Topstars in der Bukarester Offensivabteilung heißen Claudiu Niculescu und Ionel Danciulescu. Mindestens einer von beiden trifft in jedem Spiel, außerdem gesellt sich Cristian Pulhac gern in die Liste der Torschützen. Auf diese drei Spielern muss die Gladbacher Abwehr besonders aufpassen.

Die Cainii Rosii - übersetzt Red Dogs, übersetzt Rote Hunde - sind zu Hause im ersten Bukarester Stadtbezirk an der majestätischen Calea Floreasca und wurden bisher 17 Mal rumänischer Meister und zwölf Mal Pokalsieger. Der FC Bayern von Rumänien stand 1984 gar im Halbfinale des damaligen Europapokalwettbewerbs der Landesmeister; Dinamo unterlag dem FC Liverpool. Es zeugte somit durchaus von einem gewissen Stil, sollte der Fußballgott dem Auswärtsbann der Borussia heute ein Ende setzen - gegen eine bisher ungeschlagene Mannschaft, die Niederlagen nur noch von Ferne aus der vergangenen Saison kennt.

So will Jupp Heynckes die Fohlen spielen lassen:
Keller - Kirch, Levels, Zé Antonio, Compper - Delura, Polanski, Thijs, Kluge - Kahe, Neuville
Drücken wir Ihnen die Daumen!

Solange Eintracht Frankfurt im Europapokal mitspielt, ist für uns aus Prinzip auch die Borussia dabei. Alles andere wäre dem Ansehen des deutschen Fußballs im Ausland abträglich. Die Gruppenphase erreichte Gladbach, weil es in der ersten Runde ZSKA Sofia ausschaltete. Das erste richtige Spiel gegen Tottenham Hotspurs endete unentschieden 1:1. Am Abend spielt Gladbach in Rumänien bei Dinamo Bukarest.

Mittwoch, 1. November 2006

seitenwechsel #12

Auf schillernde Juwelen kann man von vielen Seiten blicken und staunen. Seit 1997 bereits beobachtet Seitenwahl für seine Leser das Gladbacher Geschehen, 2004 gesellte sich der VfLog dazu. Beide Projekte haben ihren eigenen unverwechselbaren Charme. Seit Beginn der Saison 06/07 gibt es nun den SEITENwechsel: Seitenwahl und VfLog haben einen Briefwechsel begonnen, in dem alles möglich ist: Fachsimpelei, Verbalfouls, Streit und Harmonie. Solange die Tinte reicht, wird auf Seitenwahl und auf dem VfLog immer mittwochs der Brief der jeweils anderen Seite veröffentlicht.

Unten der zwölfte Seitenwechsel, diesmal hat wieder Mike zuerst geschrieben. Martins Antwort findet ihr bei Seitenwahl.


Hallo Martin, Hallo Maik!

Eine wahrlich turbulente Woche geht zu Ende und konträrer hätte sie für die beiden VfL nicht verlaufen können.
Nach dem Pokalduell unserer Mannschaften verliert die Borussia ihr erstes Heimspiel der Saison und die Lila-Weißen stürmen auf Platz 2 der Tabelle der Regionalliga, pikanterweise nach einem Spiel ebenfalls gegen Bayer Leverkusen, das Osnabrück gewinnen konnte.

Ich muss gestehen, dass ich keine Minute der Niederlage am Samstag gesehen habe. Ich hatte Jahrestag mit meiner Partnerin und selbst ein Fußballverrückter wie ich setzt ab und an Proritäten. Ich habe erst in der Nacht auf Sonntag erfahren, wie das Spiel ausgegangen ist. Ich zog es vor, gemeinsam mit meiner Holden ein schönes Abendessen zu genießen und anschließend ins Kino zu gehen. Da sie selber dem Fußball nicht vollends abgeneigt ist, schauten wir das "Sommermärchen" von Sönke Wortmann. Gut, dass ich zu diesem Zeitpunkt vom Ergebnis der Borussia nichts wusste. Zu brutal wären die Gegensätze gewesen, die mein Stimmungsbild da hätte verarbeiten müssen, wenngleich ich vom Film nicht so angetan war, wie es der Kinosaal an diesem Abend war. Ein mehr oder minder lustloser Zusammenschnitt der Videoaufnahmen, mit heißer Nadel gestrickt. So idealistisch Sönke Wortmann zum Teil wirkte, hier trieb ihn eher der Kommerzgedanke.

Geschockt haben mich am Sonntag eher die Reaktionen im Forum. Man könnte glauben, wir hätten soeben den 32. Spieltag erlebt und Borussia stünde mit 1,5 Beinen vorm Abstieg. Thomas beschrieb die aktuelle Situation in einem klugen Artikel. Ungeduld und überzogene Erwartungen sind Todfeinde einer jeden Entwicklung. Die letzten Jahre der Fluktuation haben zwar alle verflucht, geprägt haben sie anscheinend doch. Läuft es nicht, wird der Trainer in Frage gestellt, und die Mannschaft natürlich. Man bezahlt ja schließlich und will unterhalten werden. Das Idealistische, das in Mönchengladbach einst mit Händen zu greifen war, ist längst einem Köln- und München-ähnlichem Dauernörgeln gewichen. Söldner werden verschmäht, man will eigene "Fohlen". Die sollen aber bitte mindestens das Niveau eines Marcell Jansen erreichen, und bitte diesmal etwas schneller. Wenn Fans so oft beklagen, und ich ertappe mich bisweilen selber dabei, dass Borussia mit sehr wenigen Ausnahmen schon seit Jahren kein Spiel mehr in begeisternder Weise herumgerissen hat, sollte sich jeder fragen, woran das ebenfalls liegen kann. Hier soll kein falscher Eindruck geweckt werden: nicht die Fans sind schuld, wenn Borussia verliert. Doch trägt die Stimmung einen erheblichen Teil dazu bei und bei einem gellenden Pfeifkonzert, das von Woche zu Woche früher einsetzt, ist die Chance auf eine "begeisternde Wende" doch eher gering. Selbst grottige Spiele wie das 2:0 gegen Aufsteiger Cottbus, als der Sieg mehr der Fahrlässigkeit der Gäste denn der eigenen Souveränität verschuldet war, werden gefeiert. Da fehlt der objektive Blick, der Blick fürs Ganze fehlt ohnehin seit Jahren. Der Sieg zählt, nichts anderes. Eine traurige Entwicklung!

Doch will ich heute nicht ausschließlich mit negativen Gedanken abschließen. Die Entwicklung beim VfL Osnabrück ist wahrlich positiv und zu begrüßen. Wollitz scheint nach einem enttäuschenden letzten Jahr wahrlich die Mischung gefunden zu haben. Eines hatte er auf jeden Fall: die Unterstützung und die Geduld vom Vorstand. Hoffen wir, dass Borussia ähnlich denkt und handelt, trotz gegenteiliger Bekundungen des zahlenden Publikums. Ein Nachteil im Aufstieg sei jedoch bedacht: das automatische Heimrecht bei der Auslosung entfällt.

Es grüßt herzlich
Mike