Der vierte und letzte Teil des VfLog-Interviews mit VfL-Coach Claus-Dieter Wollitz. (Teil 1 | Teil 2 | Teil 3)
Das Stadion war im ersten Saisonspiel gegen Freiburg nicht ausverkauft. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum das Stadion zum Auftakt gegen einen Aufstiegsfavoriten nicht voll war?
Ich war schon ein Stück enttäuscht, weil ich denke, dass es der Verein und die Mannschaft – und eigentlich auch Freiburg, so wie die auftreten – eigentlich verdient hätten, vor ausverkauftem Haus zu spielen. Mit dem neuen Stadion, mit der neuen Tribüne, im zweiten Jahr in der zweiten Liga – so ein Spiel muss eigentlich ausverkauft sein, und zwar Tage vorher. Da brauchst du normalerweise gar keine Tageskassen mehr öffnen. Das überrascht mich ein bisschen und macht mich auch nachdenklich.
Wieso?
Wenn man zum Beispiel Braunschweig sieht, die letztes Jahr in der Regionalliga nur einmal über dem Strich waren, nämlich nach dem letzten Spieltag, und die sich sehr, sehr glücklich für die dritte Liga qualifiziert haben: Die hatten einen Zuschauerschnitt von über 15.000. Über 15.000! Die hatten letzte Woche im ersten Heimspiel gegen Rot-Weiß Erfurt 19.000 Zuschauer. Das macht mich ein bisschen nachdenklich, weil sich hier in Osnabrück immer viele Leute mit anderen vergleichen. Wir sollten hier lieber für uns sehen, wie wir Woche für Woche das Stadion ausverkauft bekommen. Diese 2.000 Zuschauer, die am Freitag nicht da waren, können nämlich insgeheim Probleme lösen. Wenn die kommen, können wir mit diesem Geld auch weiter in die Infrastruktur investieren.
Auf der Pressekonferenz nach dem Spiel sagten Sie – irgendwie in Zusammenhang mit dem Einsatz von Anderson – den denkwürdigen Satz „Es ist wichtig, dass hier nicht so viel Scheiße geredet wird“. Was meinten Sie damit?
Es ist so, dass ich vor vier Jahren mal gesagt habe: Ich möchte gerne deutschsprachige Spieler. Wenn ich sage ‚deutschsprachige Spieler’, heißt das nicht, dass jeder Deutscher sein muss. Ich habe jetzt das Gefühl, dass mir viele unterstellen, dass ich nicht gerne mit ausländischen Spielern zusammen arbeite. Man muss wissen: Ich habe eine ausländische Frau, mit der ich sehr glücklich verheiratet bin, und ich habe ausländische Freunde. Aber als Trainer ist für mich das Verständnis und die Kommunikation mit meiner Mannschaft unglaublich wichtig. Da Anderson kein englisch kann, sondern nur portugiesisch, ist es unglaublich schwierig, ihm kommunikativ, mit meiner Art, sogar mit meiner Mimik, zu erklären, wie ich Fußball sehe. Wenn ich dann hinter vorgehaltener über mehrere verlässliche Ecken höre, dass ich ein Problem mit ausländischen Spielern hätte, finde ich das sehr schade. Dann kennt man den Menschen Wollitz nicht. Und deswegen sage ich: Das ist scheiße, was man da redet.
Künftig wird es in der ersten und zweiten Bundesliga wieder Relegationsspiele geben. Was halten Sie davon?
Das ist eine Aufwertung, ich finde das toll. Du kannst als Drittletzter noch eine Saison korrigieren. Und auch für die dritte Liga ist das nicht grundsätzlich negativ. Selbst wenn du den Aufstieg oder auf der anderen Seite eben den Klassenerhalt nicht schaffst, hast du noch einmal eine zusätzliche Einnahme, ein ausverkauftes Haus. Ich denke auch, dass das Live-Spiele sind, die noch einmal extra vom Fernsehen bezahlt werden. Damit kannst du für die neue Saison auch etwas korrigieren. Und grundsätzlich gilt: Eine Relegation hat immer einen Pepp, hat immer was Außergewöhnliches. Vom Reiz, vom Druck, vom ganzen Drumherum sind das zwei fantastische Spiele. Ich finde das einfach toll.
Ein anderes sehr kontroverses Thema der letzten Monate ist die Vermarktung der Bundesliga, also die Verträge zwischen DFL und der Firma Sirius und die Auseinandersetzung mit dem Bundeskartellamt. Die einen fordern faire Anstoßzeiten und Fußball im Free-TV, die anderen wollen auch mal einen Star im Team sehen, für den es mehr Geld brauchte. Auf welcher Seite stehen Sie?
Meine Meinung ist: Sollte das Kartellamt bei seiner Meinung bleiben, nimmt es zu viel Einfluss. In der ersten Bundesliga wird alles bleiben, wie es ist. Wer leidet, ist die zweite Liga. Und wer richtig leidet, sind Vereine wie Osnabrück, die von der Struktur her, was z.B. Investoren angeht, nicht die Möglichkeiten haben wie etwa Hannover 96 mit einem Herrn Kind. Bleibt alles so, wie es das Kartellamt will, werden über kurz oder lang Privatinvestoren in Vereine investieren dürfen, und zwar mehr als bisher. Die 51%-Regel wird dann kippen, denn wer viel Geld investiert, möchte auch mehr Anteile und mehr Einfluss haben. Ich halte das für keinen guten Weg für den deutschen Fußball, im Gegenteil: Wir brauchen Lösungen, mit denen alle gut weg kommen. Wenn es die Sportschau oder Fußball im öffentlich-rechtlichen Fernsehen weiter so geben soll wie bisher, dann müssen ARD oder ZDF mehr Geld bezahlen. Wenn wir in den europäischen Wettbewerben erfolgreich mitspielen wollen – und mit ‚wir’ meine ich logischerweise nicht Osnabrück, sondern Mannschaften wie Bayern München oder Stuttgart –, braucht es mehr Fernsehgelder, um Topstars finanzieren zu können. So einfach ist der Markt. In England, in Spanien und in Italien zahlen die das. Wenn wir das mitgehen wollen, dann müssen die Anbieter, im Zweifel eben die öffentlich-rechtlichen, tiefer in die Tasche greifen. Ich glaube, die können das. Doch wenn sie natürlich vom Kartellamt einen solchen Persilschein ausgestellt bekommen, finde ich das dürftig und dann ist auch absolut richtig, was Oliver Bierhoff gesagt hat: Da muss die Politik Druck machen. Denn nicht nur gesellschaftlich hat der Fußball einen absolut hohen Stellenwert, er ist auch wirtschaftlich für das ganze Land von enormer Bedeutung.
Vergangene Saison machten Kaiserslautern und Koblenz einige Schlagzeilen. Die einen sind klamm und bekommen plötzlich ordentlich Hilfe von der ebenfalls klammen Stadt, die anderen kaufen fleißig Spieler ein, die sie sich nicht hätten leisten dürfen und werden mager bestraft. Aus Protest hatten Sie angekündigt, in dieser Saison weder in Kaiserslautern noch in Koblenz die Pressekonferenz zu besuchen. Bleiben Sie dabei?
Grundsätzlich würde ich da gerne bei bleiben, dazu stehe ich auch. Auf der anderen Seite mache ich mir natürlich Gedanken, weil es eben Journalisten gibt, die da nichts mit zu tun haben und über die Fußballspiele berichten müssen. Die haben ein Anrecht darauf, dass ich nach dem Spiel eine Stellungnahme abgebe. Ich bin also im Moment nicht hundertprozentig mit mir im Reinen, wie ich mich da verhalte. Ich weiß natürlich auch, dass das Riesenärger mit der DFL gibt: Du bist verpflichtet, eine Pressekonferenz zu machen, es sei denn, es gibt einen triftigen Grund, das nicht zu tun. Und dies ist kein Grund. Ich weiß es also noch nicht, das wird eine Bauchentscheidung. Aus Respekt gegenüber den Journalisten müsste ich eigentlich hingehen, aus Respekt gegenüber der Liga und den Klubs, die abgestiegen sind, dürfte ich nicht hingehen.
Außerdem gab’s letzte Saison diese reizende SMS-Affäre mit Jos Luhukay. Stehen Sie weiter mit ihm in Kontakt, obwohl Mönchengladbach aufgestiegen ist?
Absolut. Letzte Woche vor dem Spiel gegen St. Pauli haben wir noch gesmst. Und ich hatte ihm schon vor dem Pokalspiel viel Glück für die Saison gewünscht. Ich smse auch sehr viel mit Marco Kurz, dem Trainer von 1860 München, und ich hab ein sehr gutes Verhältnis zu Robin Dutt. Ich hab zu einigen ständigen Kontakt. Und mit dem Jos habe ich dann noch mal nach dem Spiel gegen Stuttgart gesmst. Ich wollte ihn erst anrufen, aber ich weiß, wie das nach dem Spiel ist: Das nervt einfach, ich kenne das von mir, obwohl es ja lieb und gut gemeint ist, aber das braucht man dann nicht. Da habe ich ihm eben eine SMS geschrieben, dass er den Kopf hoch halten soll, dass er ein toller Trainer ist mit einer tollen Mannschaft und einem tollen Verein und dass ich ihm nur das Beste wünsche. Ich halte nicht nur menschlich viel von ihm, er ist auch ein absoluter Fachmann. Die Entwicklung, die er mit Christian Ziege in Mönchengladbach vorangetrieben hat, ist fantastisch und sensationell. Man sieht eine Handschrift des Trainers Jos Luhukay, und das ist das größte Kompliment, das man einem Trainer machen kann.
Gibt’s für Sie irgendeine Leidenschaft außer Fußball und Familie?
Da bleibt nicht viel Zeit. Ich gehe gern mal essen mit Freunden. Das ist vielleicht keine Leidenschaft, aber ich freue mich, wenn ich die Zeit finde, mit denen mal so ein richtig schönes Gläschen Rotwein zu trinken. Mein Problem ist allerdings, dass ich in der Öffentlichkeit sehr beobachtet werde: Wenn du ein Glas trinkst, dann hast du gleich drei Flaschen getrunken. Ich bin aber auch Freitag nach dem Spiel mit Freunden essen gegangen. Das sind Momente, die ich einfach genieße, auch weil diese Freunde sich mit mir freuen, dass der VfL Osnabrück in seiner Entwicklung den nächsten Schritt gemacht hat. Ich genieße dann einfach diese zwei, drei Stunden, weiß aber immer, dass ich am nächsten Tag wieder arbeiten muss. Mannschaftsbesprechung, Training, Spielbeobachtung – das ist permanenter Stress. Zum Beispiel muss ich jetzt das Video aus dem Freiburg-Spiel so vorbereiten, dass ich es am Mittwoch der Mannschaft zeigen kann. Das muss dann schnell und kompakt gehen, ich muss mir 30 Minuten auf den Zettel schreiben, welche speziellen Szenen ich zeigen will. Manchmal fehlt da einfach ein Stück Freizeit. Ich hoffe aber, dass sich das im Laufe der Karriere ein bisschen normalisiert.
A propos Wein, das Thema hatten wir schon einmal. Welchen leckeren und bezahlbaren Tropfen kann der Kenner empfehlen?
Da gibt’s mehrere. Ich bin ein Liebhaber des deutschen Weißweins, ob Riesling, Weißburgunder oder Grauer Burgunder. Und ich liebe italienische Rotweine, sehr kräftige. Und spanische im Winter. Eine spezielle Marke habe ich nicht. Ich hab von meiner Frau vor Jahren mal einen Weinschrank geschenkt bekommen, und die Weine, die ich habe, sind alle bezahlbar. Für alle.
Letzte Frage: Dürfen wir Sie zitieren mit dem Satz: „Der VfLog ist das großartigste Fußballmagazin, das ich kenne!“
Ihr seid das Größte? Ich soll das sagen?
Ich frage, ob wir Sie so zitieren dürfen?
Natürlich! (lacht) Selbstverständlich!
Montag, 25. August 2008
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1 Kommentar:
dieser Blog und Claus-Dieter Wollitz haben es wirklich geschafft, dass mir jetzt Osnabrück sympathisch ist...bedenklich, aber Chapeau!
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