Der zweite Teil des VfLog-Interviews mit VfL-Coach Claus-Dieter Wollitz. (Teil 1 | Teil 3 | Teil 4)
Wäre der VfL in die zweite Pokalrunde eingezogen, hätten Sie sich ein Videosystem zur besseren Spielanalyse gewünscht. Gibt’s das jetzt trotzdem?
Nein, das ist verworfen. Damit habe ich aber auch kein Problem. Vielleicht geht es anderen Trainer da schlechter: Die haben sich Spieler gewünscht, die sie jetzt nicht kriegen, weil auch sie die zweite Runde nicht erreicht haben. Für mich ist nicht wichtig, in Spieler zu investieren, für mich ist weiterhin von enormer Bedeutung, dass wir in die Infrastruktur investieren. Die Infrastruktur wurde jahrelang nicht so, wie sie im Profifußball hätte beachtet werden müssen. Wir sind dabei, das aufzubauen, und der Verein ist dabei nicht nur hilfsbereit, sondern macht alles möglich, was er möglich machen kann. Ich habe jetzt kein Problem damit, dass man das ein Jahr verschiebt. Es wäre schön gewesen, weil man allein schon das letzte Spiel in Frankfurt viel besser hätte aufarbeiten können.
Was leistet so ein System genau?
Es liefert alle Daten, die man braucht, um ein Fußballspiel zu analysieren. Ich bin nun wirklich kein Typ, der Spiel nur nach dem Computer bewertet, aber ich nehme mir schon Statistiken zur Hilfe, sei um Laufwege aufzuarbeiten oder Passspiele: Wie viele Kilometer hat der eine oder der andere Spieler gelaufen? Wie war die Grundformation?
Diese Daten spuckt das System für jeden einzelnen Spieler aus?
Das ganze 1x1 des Fußballs kann man abrufen. Wie viele Zweikämpfe hast du gewonnen? Wo standest du bei Standardsituationen? Standest du so, wie es vorher abgesprochen war? Das ist schwierig mit einer normalen DVD in einer Videoanalyse. Darum sind die Systeme so teuer und rechtlich geschützt, sonst hätte sie ja jeder. Das geht los bei 60.000 Euro und hoch bis 200.000 Euro. Jeder aufstrebende Verein oder jeder Verein, der sich in den letzten Jahren in der zweiten und sowieso in der ersten Liga etabliert hat, hat so was.
Blicken wir noch einmal kurz zurück in die letzte Saison: Waren Sie von irgendetwas im letzten Jahr enttäuscht – Spieler, Verein, Presse, Publikum?
Nein, absolut nicht. Das Ziel war der Klassenerhalt; das Ziel war, das Publikum mitzunehmen; das Ziel war, dass wir öfter ein ausverkauftes Stadion haben. Das haben wir alles übertroffen, etwa wenn man sieht, wie Mannschaft und Publikum miteinander kommunizieren. Mal merkt das Publikum, dass die Mannschaft jetzt Rückendeckung braucht, und die Leute schreien noch ein bisschen lauter. Was Besseres konnte man sich gar nicht wünschen. Und die Spieler haben zum Beispiel im letzten Spiel gegen Offenbach gemerkt, dass sie mal ein bisschen was zurück geben müssen. In diesem Spiel mussten wir auf den Punkt genau da sein, und die Mannschaft war auf den Punkt genau da.
Was war das Spiel mit der lautesten Halbzeit-Ansprache?
Das gab’s einige. Ich denke nur an Fürth: Wir führen 1:0, und aus dem Nichts haben wir 3:1 zurückgelegen. In Köln war ich sehr enttäuscht, weil wir aus dem Nichts eine Mannschaft aufgebaut haben. Wir haben in Gladbach am vierten Spieltag zur Halbzeit 2:0 zurück gelegen, ohne dass der Gegner großartig etwas investieren musste. Wenn man die zweite Halbzeit sieht, war da viel mehr möglich. Wenn man sieht, wie wir einen 1:0-Vorsprung in Hoffenheim verwalten wollten, wenn man sieht, wie wir gegen Augsburg gespielt haben, wenn man sieht, wie wir gegen Wehen zu Hause gespielt haben. Wir haben auch Spiele gehabt, die intern richtig Zündstoff gegeben haben, weil ich von meinen Spielern erwarte, dass die völlig frei und völlig unbekümmert auf das Spielfeld gehen. Anders gesagt: Wenn viele Spieler sich in Interviews äußern, dass sie sich unglaublich wohl fühlen und mit so viel Spaß in Osnabrück spielen, dann muss ich das auch auf dem Spielfeld sehen. Wenn ich diese Botschaft nicht sehe, frage ich mich: Was will der Spieler mir erzählen? Und dann gehe ich dagegen an. Von der Öffentlichkeit immer nur Lob erwarten und Kritik unter den Tisch kehren – so funktioniert dein Leben nicht und so funktioniert für mich auch eine Zusammenarbeit nicht. Wer gelobt werden will, muss sich auch kritisieren lassen. Was ich jedoch nie machen werde: Ich werde nie einzelne Spieler in der Öffentlichkeit kritisieren. Da rede ich immer von ‚Mannschaft’, da rede ich immer von ‚uns’.
Nach der jämmerlichen Niederlage in Hamburg in der letzten Regionalliga-Saison gab es allerdings schon persönliche Kritik.
Ja, aber das waren ja Fehler, nehmen wir Dominique Ndjeng, da war es ja für mich nicht möglich, dass noch als ‚Mannschaft’ zu vertuschen. Wenn ich gegenüber der Öffentlichkeit schon taktiere und Strategien fahre, wenn ich sage ‚Wir haben da heute versagt’, muss das irgendwie begründbar sein. Wenn sich dann wer beklagt nach dem Motto ‚Das waren nicht wir, sondern das war der und der’, kann ich trotzdem versuchen, das noch irgendwie als gruppentaktische Fehler zu verkaufen. Aber in Hamburg hatte ich überhaupt keine Handgabe mehr, Dominique Ndjeng in irgendeiner Art zu schützen. Da musste ich ihn einfach nennen, auch in der Schärfe. Ich glaube allerdings, dass andere Trainer ihn richtig vorgeführt hätten. Ich habe ihn kritisiert für seine Leistung in dem Spiel, die uns auf eine Niederlagenstraße gebracht hat. Ich habe ihn aber nicht insofern kritisiert, als dass ich gesagt hätte, dass er dafür mit verantwortlich ist, dass wir den Aufstieg nicht schaffen. Ich habe auch damals gleich gesagt, ich möchte noch drei Tage darüber schlafen, wie es mit ihm weitergeht.
Haben Sie irgendwann im letzten Jahr einen Moment lang insgeheim gezweifelt, dass es klappt mit dem Klassenerhalt?
Nie. (lange Pause) Jeder, der mit mir arbeitet und gearbeitet hat, weiß, dass ich zutiefst davon überzeugt war. Die Mannschaft war die ganze Zeit intakt. Es war nie so, dass Probleme gelöst werden mussten, die nicht gelöst werden konnten. Konflikte gibt’s natürlich immer, die gibt’s tagtäglich im Fußball, sowieso im Profifußball. Wer glaubt, die nicht zu haben, und sagt, alles sei immer eine große Harmonie, der erzählt nicht die Wahrheit. Auch wir hatten Auseinandersetzungen, aber nie so, dass man dachte, das geht in eine falsche Richtung. Ich hatte immer das Gefühl: Die Mannschaft will, der Verein will, das Publikum will, das ganze Umfeld möchte das, und dementsprechend hat’s dann auch funktioniert. Das ist aber keine Gewährleistung, dass es dieses Jahr wieder funktioniert.
Aber vor so einem Spiel gegen Offenbach überlegt man sich vorher doch schon mal: ‚Was sage ich, wenn’s nicht klappt?’
Nein. Ich war zutiefst überzeugt, dass unsere Strategie und auch der Weg in der konkreten Woche der bessere war als der, den Offenbach eingeschlagen hat. Offenbach hat einen psychologischen Fehler gemacht: Am Spieltag, als wir gegen Koblenz gewonnen haben, hat Offenbach gegen 1860 München gewonnen, und wir hatten beide acht Punkte Vorsprung. Die haben den Klassenerhalt gefeiert. Ich habe immer gesagt, dass es bis zum letzten Spieltag geht, sogar nach dem Sieg gegen Kaiserslautern, als die Mannschaft ein fantastisches Spiel gezeigt hat und den Gegner in allen Belangen beherrscht hat, und in einer Art und Weise, von der ich gedacht hatte, das bräuchte eigentlich Jahre. Ich war trotzdem immer auf diesen letzten Spieltag fixiert. Ich habe gewusst, dass wir das schaffen. Ich habe in den Tagen vorm Spiel nicht den Druck erhöht, sondern weg genommen. Wir haben uns erst Sonntagmorgen getroffen. Ich habe die kürzeste Ansprache meiner Trainerkarriere gehalten, ohne irgendeine emotionale Begleitung. Ich wurde überhaupt nicht laut, positiv laut, meine ich. Ich habe ganz sachlich dargestellt, wie ich glaube, dass Offenbach spielt. Die Mannschaft hat das alles eins zu eins umgesetzt, und ich hatte schon kurz nach Spielbeginn diesen Input, den man an der Haltung einzelner Spieler erkennt, dass die Mannschaft total auf dieses Ereignis, auf diesen Tag vorbereitet war.
Andreas Schäfer war vor der letzten Saison ziemlich umstritten. Lange haben Sie auf der linken Verteidigerseite noch nach einer Alternative gesucht, aber keine gefunden. Dann hat Schäfer eine sehr starke Saison gespielt und war eine der konstantesten Stützen. Hat Sie das selbst überrascht?
Nein! Andreas Schäfer hat bei mir persönlich selten in der Kritik gestanden. Andi Schäfer macht einen normalen Prozess mit, den ich genauso erwartet habe. Schon als ich ihn vor vier Jahren beobachtet habe, war für mich klar, dass er Potenzial auf einer defensiveren Position hat und nicht auf einer offensiveren. Hätte der sich versteift auf das offensive Spiel, das er in Kaiserslautern gespielt hat, wäre er kein Zweitligaspieler geworden, weil ihm da die Handlungsschnelligkeit fehlt. Er ist generell schnell, aber man muss zwischen Wahrnehmungsschnelligkeit, Handlungsschnelligkeit und Schnelligkeit unterscheiden. Das sind Riesenwelten. Auf jeden Fall hat er ein Entwicklungspotenzial und ist total zielorientiert für sich selber. Gesucht haben wir im letzten Jahr deswegen, weil wir ja sonst keinen haben. Dominique Ndjeng ist in der Regionalliga einfach gescheitert, das muss man so deutlich sagen. Ich habe auf der Position allerdings nie diesen passenden Spieler gefunden, von dem ich sage: Ok, es lohnt sich, dafür als Verein Geld auszugeben. Auch jetzt, nach einer guten Saison von Andreas Schäfer, wollten wir eine Alternative holen, weil: Was ist, wenn Andreas Schäfer durchhängt? Was ist, wenn Andreas Schäfer seine Leistungen vielleicht auch nicht bestätigt? Das glaube ich zwar nicht, ist aber natürlich denkbar. Das Ergebnis: Die Alternative René Trehkopf hat sich leider schwer verletzt und fällt einige Monate aus. Das ist Schicksal. Ich glaube aber ohnehin, dass es mit Andreas Schäfer noch weiter nach oben geht.
Im dritten Teil am Mittwoch lesen Sie, warum Deniz Naki weiter bei Leverkusen und nicht in Osnabrück spielt und wie begehrt Claus-Dieter Wollitz bei anderen Klubs ist.
Montag, 18. August 2008
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