Samstag, 30. August 2008

erwartbar

Erwartungen bringen es mit sich, dass sie gewöhnlich erfüllt werden. Kluge Sozialwissenschaftler etwa haben früh erkannt, dass menschliches Zusammenleben, kurz: Gesellschaft sich auf wiederholt erfüllte Erwartungen gründet. Jeder darf aus guten Gründen erwarten, wie andere sich in bestimmten Situationen verhalten oder gar, was ihnen durch den Kopf geht. Und jeder weiß, was andere von ihm erwarten. Nur selten, dann aber meist ausdrücklich, werden Erwartungen enttäuscht. In der Regel klappt alles erwartungsgemäß, und das ist ein wirkliches und bemerkenswertes soziales Phänomen.
Entsprechend hat der VfL gestern beim Aufstiegsaspiranten Mainz mit 2:4 verloren. Das war verdient, hätte trotzdem auch anders laufen können. Doch, komisch: Eine Niederlage in Mainz ist einkalkulierter und fühlt sich weniger schmerzhaft an wie es eine Heimniederlage gegen Frankfurt täte. Diese völlig unsinnige und dennoch wahre Einlassung funktioniert nur über den Mechanismus der Erwartung; der scheint für den VfL oft eher hinderlich.

"Wenn sie immer so spielen, holen sie die nötigen Punkte ganz sicher", ist nach solchen Spielen oft zu hören. Das ist fraglos richtig und genauso paradox, denn wer Spiele wie gestern nicht verlöre, müsste nicht auf Punkte schielen, die in ferner Zukunft liegen.
Die Niederlage gegen Mainz ist sehr ärgerlich und bietet allen Anlass, mit der Gesamtsituation unzufrieden zu sein. Nach drei guten Spielen mit viel Lob bedacht und zwei Punkten mitten im Abstiegskampf zu stecken, ist allenfalls eins: erwartungsgemäß.

Mainz veranstaltete die ersten zehn Minuten ein Feuerwerk. Besonders Bancé im Anriff war von der Osnabrücker Verteidigung nicht in den Griff zu kriegen. Stefan Wessels rettete seinen Mitspielern vorerst den Abend und hielt einige Male glänzend. Der VfL hatte sprichwörtlich Mühe, am Ball zu bleiben, so schnell und druckvoll drängte Mainz auf die schnelle Führung. Das klappte nicht.
Osnabrück konnte sich befreien, obwohl auch nach dieser ersten überstandenen Druckphase noch immer viele Bälle viel zu schnell wieder verloren und zu hektisch in die Spitze gespielt wurden. Trotzdem: Das erste von unzähligen Malen an diesem Abend schien es nach zwanzig Minuten nicht völlig illusorisch, dass Osnabrück dem Spiel der Ewartungen diesmal ein Schnippchen schlagen kann.

Ein erster haarsträubender Stellungsfehler von Thomas Cichon, dem wie schon in St. Pauli größten Unsicherheitsfaktor in der Osnabrücker Defensive, bereitete das 1:0 von Mainz vor.
Der erneut sehr starke Andreas Schäfer feierte dann Premiere: Er schlug seine erste gefährlichen Flanke im VfL-Trikot, und das war so schön, dass sich netterweise ein Kollege aus Mainz erbarmte und die Vorlage verwertete.
Direkt im Anschluss ließ Matthias Heidrich Bancé zur erneuten Mainzer Führung einköpfen. Auch Anderson und Schäfer, die aus der Nähe zusahen, machten in dieser Situation nicht unbedingt den wachsten Eindruck.
Nach der Pause fiel nach einem tollen Spielzug und wieder von Schäfer vorbereitet der Ausgleich durch Lars Fuchs.
Den beiden letzten Mainzer Treffern gingen Patzer der Osnabrücker Innenverteidigung voraus: Beim 2:3 war es wieder Cichon, der eine schlechte Figur machte, beim 2:4 kam Anderson, der ansonsten ein sehensertes Spiel machte, zu spät. Schließlich kassierte der VfL drei in ihrer Entstehung fast identische Gegentreffer per Kopf, und das nervt.
Am Ende war auch die Umstellung, Frommer als zweite Spitze neben Reichenberger zu stellen, folgenlos geblieben, sicher auch, weil der eingewechselte Dominic Peitz sich erneut als Totalausfall entpuppte und Osnabrück seine Kraft im Mittelfeld fehlte, um das Spiel ein drittes Mal zu drehen.

Osnabrück verliert insofern erwartbar in Mainz. Und jetzt erwarten alle den ersten Saisonsieg gegen Frankfurt, ein Team, das man allein deshalb schlagen müsse, ist zu hören, weil es absehbar ein Konkurrent im Kampf um den Klassenerhalt ist. Auch das ist völliger Unsinn und dennoch wahr.

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