Wäre man nicht leidenschaftsbedingt mit seinen Gedanken woanders; könnte man sich freimachen von einer tief durchdrungenen Antipathie gegen die Alibi-Kicker aus der Hauptstadt; hätte man nicht das Eigeninteresse, über einen Hamburger Sieg die Hertha in VfL-Nähe zu halten; dann wäre der HSV mit seinem schmucken Stadion etwas, in das man hineingeworfen wird und mit dem man sofort und gern beginnt mitzufiebern. Das ist ein Kompliment.
Das Spiel war recht gut, was ja beileibe nicht der Regelfall ist, wenn ich meinen schmalen Fuß in ein Stadion setze. Es war vor allem schnell. Der HSV führte nach sieben Minuten 2:0 und hatte ein Mal den Pfosten getroffen, die Hertha war überrannt worden. Bis Mitte der ersten Halbzeit blieb Hamburg am Drücker, bissig und überzeugend. Hertha war geschockt und agierte viel zu zögerlich. Schließlich aber wendete sich das Blatt. Die Berliner gewannen mehr und mehr Spielanteile, konnten jedoch bis nach der Gelb-Roten-Karte für Marcelinho nie den Eindruck erwecken, sie wollten daraus wirklich Kapital schlagen; ausgenommen vielleicht der Pantelic-Kopfball direkt vor der Halbzeit, der aus vier Metern gekonnt das Tor verfehlte. Wie gesagt: Eben ein Pantelic-Kopfball.
Hamburg spielte von nun an Konterfußball, und das machten sie bisweilen klasse. Besonders und ausdrücklich Demel, aber auch Mpenza überzeugten, einzig das letzte entscheidende Zusammenspiel mit Lauth scheiterte in den meisten Fällen.
Hertha spielte besonders nach der Hinausstellung von Marcelinho wirklich guten Fußball, sie spielten Powerplay in der Fremde und schnürten den HSV in der eigenen Hälfte ein. Einzig muss es in Berlin als verpönt gelten, über rechts den Weg nach vorn zu finden: Friedrich, von mir zwar nicht als maßlos begabter Kicker geschätzt, hätte durchaus öfter einbezogen werden dürfen. Dennoch: In dieser Phase merkte man dann, das Thomas Doll ohne vier Stammspieler und ohne van der Vaart auskommen musste, und der 2:1-Anschlusstreffer fiel folgerichtig. Sogar ein Unentschieden wäre allemal verdient gewesen. Umso schöner, dass es dazu nicht kam. Mit diesem Ergebnis bleibt der HSV weiter Bayern-Jäger, und der VfL kann sogar noch einen Punkt auf Hertha gutmachen.
Amüsant nebenbei übrigens die "Rothosen aktuell", das HSV-Pressemäppchen mit allerlei Informationen zum jeweiligen Spiel. Gesammelt werden sie offenbar von einem Fachmann aus Wolfsburg. In der Rubrik "Die Torjäger" steht Roy Maakay als Stürmer des VfL Wolfsburg ausgewiesen. Das, liebe Freundinnen und Freunde aus der VW-Stadt würde euch so passen; erspart es euch einfach deshalb, weil ihr hernach merktet, dass ihr auch mit Maakay nur wie immer Achter würdet. Denn dafür seid ihr ja Wolfsburg.
Sonntag, 11. Dezember 2005
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