Mittwoch, 15. November 2006

seitenwechsel #14

Auf schillernde Juwelen kann man von vielen Seiten blicken und staunen. Seit 1997 bereits beobachtet Seitenwahl für seine Leser das Gladbacher Geschehen, 2004 gesellte sich der VfLog dazu. Beide Projekte haben ihren eigenen unverwechselbaren Charme. Seit Beginn der Saison 06/07 gibt es nun den SEITENwechsel: Seitenwahl und VfLog haben einen Briefwechsel begonnen, in dem alles möglich ist: Fachsimpelei, Verbalfouls, Streit und Harmonie. Solange die Tinte reicht, wird auf Seitenwahl und auf dem VfLog Woche für Woche der Brief der jeweils anderen Seite veröffentlicht.

Unten der vierzehnte Seitenwechsel, diesmal hat zuerst wieder Mike geschrieben. Martins Antwort findet ihr bei Seitenwahl.


Lieber Martin, lieber Maik,

als angehender Sportjournalist war das vergangene Wochenende äußerst lehrreich.
Begonnen hat alles mit der Pressekonferenz aus dem St.Elisabeth-Krankenhaus in Köln. Da rief ein zur Zeit arbeitsloser Trainer zur Pressekonferenz, und alle folgten. Eine schauspielerische Farce sondergleichen, doch in dieser Stadt und in diesen Zeiten scheint nichts bizarr genug zu sein. Unabhängig davon, ob Herr Daum in dieser Woche Trainer beim hier ansässigen FC wird oder nicht; das, was an diesem Morgen geschah, spottete jeder Beschreibung. Dass sich Journalisten für nichts zu fein oder zu schade sind, stimmt mich betrüblich. Mit ein bißchen Eiern, frei nach Oliver Kahn, hätte man Herrn Daum mitteilen können, dass er, sofern er sich zu seiner Jobsuche äußern möchte, sich um ein Interview gerne bemühen dürfe.

Teil zwei der Kuriositäten war die Berichterstattung des Spiels unserer geliebten Borussia beim Hamburger SV. "Noch nicht einmal gegen Gladbach" war nach dem Spiel zu lesen, von einem "äußerst glücklichen Punktgewinn der schwachen Gäste", der absolut "unverdient" gewesen sei. Es ist schon interessant, wie ein Großteil der Kollegen ein solches Spiel bewertet. Von einer Überlegenheit der Hamburger habe ich nichts gesehen. Dass 90% aller Hamburger Torschüsse mehr Richtung Elbe denn Keller/Heimeroth flogen, wurde geflissentlich unterschlagen. Man müsste sachlich argumentieren, das scheint völlig aus der Mode gekommen zu sein.

Womit wir beim dritten Highlight des Wochenende angekommen sind: dem Stammtisch des DSF. Diese Sendung boykottiere ich seit meinem persönlichen Besuch im April 2005, doch da Peter Pander als Gast geladen war, nahm ich mir die Zeit und einige Tassen Kaffee, verschob die ansonsten für einen Sonntagmorgen obligatorische Lektüre der "Zeit" und schaltete das Fernsehgerät ein. Frank Buschmann, Benno Weber und Udo Lattek. Allein diese drei Namen in einer Runde stehen für alles, nur nicht für sachliche und kompetente Diskussionen ums Thema Fußball. Nachdem man eine geschlagene Stunde die "Probleme" beim FC Schalke 04 durchgekaut und unter anderem den Jubellauf von Gustavo Varela analysiert hatte, wurde das Thema "Borussia" angekündigt. Letztlich verkam dies zu einer Diffamierung von Herrn Heynckes, wobei sich die Herren Lattek und Weber besonders hervortaten. Den journalistischen Anspruch eines Herrn Buschmann habe ich schon persönlich erlebt. Falls Du das lesen solltest, lieber Frank: bleib beim Basketball, da passt Dein hysterischer Kreisch-Stil ("O'Neal mit dem Monster-Dunk in das Gesicht") besser. Peter Pander reagierte alles in allem recht gelassen; zu banal, dämlich und abgegriffen wirkten die Angriffe auf Heynckes. Ich erinnere mich, als der stellvertretende Chefredakteur des "kicker" in selbiger Runde gegen Kasey Keller wetterte, dass dieser ein besserer Fliegenfänger sei. Herr Wild, erinnern wir uns noch?

Oliver Fritsch, der jeden Tag den phantastischen Newsletter des "indirekten-freistoss" zusammenstellt, hat dies bereits ausreichend thematisiert. Der deutsche Sportjournalismus verkommt immer mehr zum Unterhaltungsevent. Wann, außer in der wunderbaren Fußball-Berichterstattung der FAZ, der SZ oder der NZZ, wird sachlich über dieses schöne Thema Fußball geschrieben und gesprochen? Wo bleiben die sinnigen Analysen, wo eben nicht alles gut ist, wenn gewonnen und nicht alles schlecht, wenn verloren wird? Die Boulevardisierung des Sportjournalismus schreitet leider immer weiter voran. Das Ergebnis dieser schwarz-weiß-Berichterstattung erleben wir jede Woche in den Fankurven. Ist es daher nicht schön, dass es Formate wie den VfLog und SEITENWAHL gibt?

Es grüßt nachdenklich
Mike

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