Worauf waren wir an diesem Wochenende eigentlich so gespannt? Wofür haben wir gehofft und gebangt, uns vorsorglich musikalisch auf die große Depression eingestimmt oder doch wie manche Leserin optimistisch beschwingte Liedchen aufgelegt? Irgendwoher kam dieses Gefühl, in Hamburg werde sich alles entscheiden, werde die Wende zum Guten eintreten oder der völlige Zusammenbruch mit kathartischem Potential. Und auf dem Platz war dann doch wieder alles anders, vielschichtiger, uneindeutiger, eben: unentschieden.
Unser zunehmend rasender Reporter Maik hat ja bereits die Details aus der AOL-Arena mitgeteilt, bedauern muss man den lieben Kollegen, dass er diesem Hamburgspiel beiwohnte und nicht das fulminante 5:1 seiner Osnabrücker gegen das zweite Team des HSV erleben durfte. Osnabrück ist damit Tabellenführer, ganz ohne Rechenschiebereien und hochgerechnete Fehlspiele. Diese Großartigkeit wird in den nächsten Tagen noch hinreichend gefeiert werden, doch wie dies eben ist: Die Glückseligkeit wirft weniger Fragen auf als ihre Abwesenheit. Lila darf nun jubeln und genießen, Grün muss grübeln.
Was die Kollegen von borussia.de gestern noch eher nüchtern als "ersten Auswärtspunkt der Saison" würdigten, feiern die Torfabrikanten gar mit den Worten, Borussia habe "die Negativserie gestoppt". Aber ebensowenig wie die Leistung ein Entlassungsgrund für Heynckes ist, war dieses Spiel ein Befreiungsschlag, der wirklich Mut spendet. Der Samstag hat nichts geklärt, er verlängert nur die Zeit der Lähmung, auch wenn positive Ansätze zu sehen waren. Die schizophrenen Stimmen in unserem Kopf können weiter mit gleicher Plausibilität parallel die Geschichten von der bald durchschrittenen Talsohle wie von dem nicht aufzuhaltenden Niedergang erzählen. Wie in einem Vexierbild bietet Borussia die Perspektive auf mögliche goldene Zeiten mit Jupp, der demnach nur etwas Zeit brauchte, um sich so richtig einzufinden in seine Fohlenzeit, und zeitgleich auf Schreckensszenarien von neuerlichem Abstiegskampf, Auswärtskrampf und Unsicherheit daheim, von Trainerdiskussionen, Suchen nach neuen Lichtgestalten, Selbstzerfleischung aller Beteiligten.
Dass auswärts derzeit weder Erlösung noch Untergang zu haben ist, hätte man sich eh denken können, für ersteres sind wir zu schlecht, für letzteres zu sehr an Kummer gewöhnt. Was Hamburg also nicht war, Hannover wird es – sicherlich auch in seiner medialen Aufbereitung – werden: Ein Schlüsselspiel, das aufzeigt, ob die Tendenz nun tatsächlich wieder nach oben oder doch eher nach unten geht. Die verunsicherten Niedersachsen sollten ein geeigneter Gegner sein. Optimisten, die wir sind, legen wir Johnny Liebling in den CD-Player, wählen Track 10 und singen Jupp, auf die positiven Ansätze von Samstag bauend, zu: "Es ist niemals zu spät, wenn man mal weiß wie's geht."
Montag, 13. November 2006
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen