Der dritte Teil des VfLog-Interviews mit VfL-Coach Claus-Dieter Wollitz. (Teil 1 | Teil 2 | Teil 4)
Vergangene Saison ist einiges nicht so gelaufen, wie sich das alle beim VfL vorgestellt haben. Sie haben schon eingestanden, dass auch Sie Mitschuld daran tragen, beispielsweise weil Sie sich bei den Neuverpflichtungen verschätzt haben. Wie kann das passieren, dass gleich ein paar Spieler, die dazukommen, nicht die Leistung bringen, die man sich vorstellt?
Ein paar Spieler ist ja vielleicht ein bißchen hochgegriffen. Es waren drei Spieler: Florian Heidenreich, Marcus Wedau und Shergo Biran. Wir hatten vorher eine intakte Mannschaft, die sehr, sehr gut gespielt hat. Dann sind wir davon ausgegangen, dass wir nur noch auf einigen Positionen ergänzen müssen. Das hat dann einfach nicht gepasst. Ich trage dafür die Verantwortung, ich habe kein Problem damit. Von zwei Spielern haben wir uns schon getrennt: Von dem Biran, der eigentlich nie richtig gespielt hat für den VfL, der uns betrogen hat bei der Vertragsunterschrift, weil er eine Verletzung nicht gemeldet hat. Und von Marcus Wedau, der hier nie seinen Rhythmus gefunden hat. Er hat sich nie so richtig frei machen können von dem Druck. Bei Florian Heidenreich setze ich jetzt eben auf das zweite Jahr. Er hat ja ein gewisses Potenzial. Nur das Potenzial alleine reicht nicht. Um sich zu entwickeln, muss der Spieler auch mitarbeiten. Das kann nicht nur vom Trainer ausgehen, da muss eben auch der Spieler mitmachen wollen und seinen Teil beisteuern.
Wieso haben die, die fit waren, trotzdem so enttäuscht?
Weil ich keine Alternativen hatte. Die Spieler sind ja alles Superjungs und herzensgut, aber wenn sie keinen Druck haben und nie mit Konsequenzen rechnen müssen, nach schlechten Spielen auch mal auf die Bank oder auf die Tribüne zu kommen, dann hast du keine Möglichkeiten mehr. Eine Eigenmotivation haben die wenigsten Spieler. Sie brauchen immer das Wissen: "Oh, das ist mein Konkurrent. Wenn ich jetzt diese Woche nicht gut trainiere und der trainiert sehr, sehr, sehr gut, dann spielt der." Darauf haben wir jetzt versucht zu reagieren, wir haben den Kader breiter gemacht, ich finde auch in der Breite stärker. Es gibt mehr Alternativen, und das war die einzige Konsequenz aus dem letzten Jahr, die man ziehen konnte.
Was war der Punkt, an dem Sie in der letzten Saison selbst gemerkt haben, dass es nicht mehr weiter nach oben geht, sondern Sie vielmehr aufpassen müssen, nicht unten rein zu geraten?
Das war schon in der Winterpause mein internes Ziel mit der Mannschaft, weil ich eine Tendenz schon in der Hinrunde gesehen habe. Ich gewinne als Spitzenmannschaft zu Hause, dann verliere ich nicht jedes Mal auswärts. Das ist eine Tendenz, die spürt man, die riecht man. Das habe ich auch intern gegenüber dem Vorstand angesprochen. Ich habe schon relativ früh im September/Oktober erkannt, dass gewisse Spieler nicht bereit sind, ohne Druck und ohne Konsequenzen alles aus sich herauszuholen. Die, die mit angepackt haben, das waren sehr wenige. Viele andere waren verletzt. Ein Nouri ist für diese Mannschaft VfL Osnabrück, selbst jetzt noch, schwierig zu ersetzen, weil er für die Regionalliga außergewöhnliche Qualitäten besitzt, allein vom läuferischen und weil er in beide Richtungen spielen kann - nach vorne, aber auch sehr, sehr konsequent und sehr mannschaftsdienlich nach hinten. Jetzt bei der WM hat man das auch bei der Nationalmannschaft gesehen, mit Frings und Ballack, um nur mal das Mittelfeld-Zentrum zu nennen. Die gestalten das Spiel nach vorn, arbeiten aber auch sehr konsequent in der Defensive. Das konnten wir in der vergangenen Saison nicht. Und hinten konnten wir auch nicht den Ausfall von de Jong kompensieren. Dann ist uns noch der Torwart acht Spiele wegen eines Virus' weggefallen. Naja, das alles hat man dann irgendwann gespürt, und dann muss man einfach sagen: So schlimm wie es ist, aber der 10. Platz ist ok – mit der Auswärtsbilanz steigst du normalerweise ab. Das ist die Wahrheit, das ist schon ganz anderen Vereinen passiert. Nur das will in Osnabrück sowieso keiner wahr haben. Ich kann das ja sogar nachvollziehen, weil der Anspruch hier immer hoch ist. Ich finde, der Anspruch soll auch hoch sein, trotzdem aber muss man auch mit Niederlagen umgehen können.
In Ihrem ersten Jahr hier spielte die Mannschaft viel begeisternderen Fußball als in der letzten Saison. Da gab’s ganz oft diese Diagonalpässe aus dem defensiven Mittelfeld in die Spitze, die das Spiel dann ganz schnell machten. Diese Art zu spielen kam mit Ihnen nach Osnabrück. Warum gab es das in der letzten Saison gar nicht mehr?
Das hängt erstens zusammen mit Unbekümmertheit und mit Selbstvertrauen. Außerdem braucht man dafür eben die Vorbereiter für diese Situationen. Und da sage ich: Wedau nie richtig angekommen, Björn Joppe leider immer neben sich gestanden, Nouri nie da gewesen. Dann ist das Kreative schon weg. Diese Spielsituationen können nur gewisse Leute herbeispielen und vorbereiten, andere Spieler mit anderen Qualitäten können das nicht. Ich habe das auch oft genug gesagt, aber das möchte dann vielleicht keiner hören: In einer Fußballmannschaft muss die Balance stimmen, und wenn die Balance nicht stimmt, kann ich solche Spielsituationen nicht einmal trainieren. Wenn ich über Monate mit zwölf oder dreizehn Mann trainiere und ich spiele 6 gegen 7, kann ich das nicht trainieren. Ich kann natürlich 11 gegen 2 spielen, aber das bringt nichts. Da brauche ich 20 Leute oder wenigstens 18, um was zu stellen. Ich muss versuchen, sehr, sehr spielnah zu trainieren, damit ich diese Situationen dann auch am Wochenende spüre, wenn der Gegner dabei ist. Sonst fehlt hinterher einfach die letzte Spielkonsequenz, um dieses Tempo gehen zu können, das wir im ersten Jahr unglaublich gespielt haben und wofür wir überall gelobt wurden. Dafür fehlte in der letzten Saison einfach diese Kompaktheit der Mannschaft, und das wiederum hängt auch mit Fitness zusammen. Diese Fitness erarbeite ich mir aber auch im Training in spielnahen Situationen. Die erarbeite ich mir nicht, wenn ich zehn Mal um den Platz laufe. Dafür brauche ich eine gewisse Anzahl an Spielern beim Training, und die hatte ich leider nicht.
Sie haben sich außerdem sehr beklagt über die mangelnde Gefahr bei Standardsituationen. Der Ball ruht, das ist eigentlich die einfachste Möglichkeit, den Ball gefährlich an den eigenen Mann zu bringen. Wie genervt ist man da, wenn das immer wieder scheitert?
Da sagen Sie was, was auch ich sehr, sehr schwer nachvollziehen kann. Das ist eine Situation ohne Gegenspieler, normalerweise also ein Vorteil. Die meisten Spiele werden heutzutage durch Standardsituationen entschieden, weil die meisten Mannschaften auf Augenhöhe spielen und sich nur durch Kleinigkeiten unterscheiden. Das ist eben auch eine Sache von Konzentration, von Wille, sich dann auch im Training gewisse Sachen zu erarbeiten. Aber wenn ich im Training schon den Ball nicht über den ersten Pfosten kriege, wie soll ich ihn denn dann im Meisterschaftsspiel über den ersten Pfosten kriegen? Da spreche ich ja die ganze Zeit von: Wenn ich mit Konsequenzen nicht rechnen muss, dann tut sich nichts. Ich kann nicht einen Jan Schanda eine Ecke schlagen lassen oder ich kann nicht Wolfgang Schütte Freistöße schießen lassen. Die haben andere Qualitäten. Die anderen Spieler haben einfach in ihren Standardsituationen nicht das gebracht, was man bringen muss, um in der Regionalliga oben in der Tabelle mitzuspielen. Jetzt habe ich versucht, darauf zu reagieren. Ich denke, dass mit Bilal Aziz aus der Oberliga ein sehr, sehr guter Servicespieler dazugekommen ist, dazu Cartus, dann hoffe ich natürlich, dass Nouri jetzt relativ zügig zurückkommt, dann hätten wir drei. Dave de Jong kann das auch, dann hätten wir irgendwann mal vier, und das wäre ganz beruhigend. Ich bin ganz zuversichtlich, künftig das ein oder andere Spiel auch mal über eine Standardsituation zu gewinnen, eben mit gewissen Kopfballspielern und auch mit Spielern, die bereit sind, dahin zu gehen, wo du natürlich auch mal Ellbogen abkriegst - die verteilen wir übrigens auch. Wir haben glaube ich in der Saison 2004/05 48% der Tore aus Standardsituationen erzielt, letzte Saison lag die Quote bei 11%. Das sagt alles aus. Ich war früher ja selbst ein Mann des ruhendes Balles. Da kann man gar nicht nachvollziehen, was daran so schwer ist.
Lesen Sie Mittwoch im letzten Teil des Interviews, warum Osnabrück besser ist als St. Pauli, was Wollitz ganz kurz vorm Spiel macht und warum er Arminia Bielefeld um nichts beneidet.
Montag, 17. Juli 2006
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