Der zweite Teil des VfLog-Interviews mit VfL-Coach Claus-Dieter Wollitz. (Teil 1 | Teil 3 | Teil 4)
Dann ging es von Schalke nach Leverkusen und von Leverkusen nach Osnabrück. Wie war das damals? Wie sind Sie zum VfLer geworden?
Schalke war damals mein erstes Jahr Profifußball. Unglaublich, wie das gelaufen ist, dass ich direkt Stammspieler geworden bin und eine sehr, sehr gute Serie gespielt habe. Dann bekam Schalke aber finanzielle Probleme und hat mich nach Leverkusen verkauft. Das war, nachdem 1988 Holland unter Rinus Michels Europameister hier in Deutschland wurde. Michels wechselte dann nach Leverkusen. Es ist natürlich nach einem Jahr Profifußball eine Ehre, unter so einem Trainer spielen zu dürfen, und deshalb bin ich gern dorthin gegangen.
Ja, und dann habe ich einen Riesenfehler gemacht, dass ich nach einem Jahr in Leverkusen die Segel gestrichen habe, obwohl ich einen Vier-Jahres-Vertrag hatte. Ich wollte eben unbedingt spielen. In Osnabrück war dann Schafstall Trainer, der ja auch schon mein Coach in Schalke war, deswegen bin ich nach Osnabrück gewechselt. Jetzt im Nachhinein war Osnabrück für meine Entwicklung mit Familie und drei Kindern unglaublich wichtig. Es war hier super möglich, ein reiferer Spieler zu werden. Aber sportlich gesehen, mit den Möglichkeiten, die ich eigentlich hatte, hätte ich das in Leverkusen durchziehen müssen und dort ein bißchen mehr auf die Karte Geduld setzen sollen. Das habe ich leider nicht getan.
Insgesamt waren es dann einige Stationen als Spieler – unter anderem mit zwei Abstiegen und einem DFB-Pokal-Sieg. Was war denn die schönste Station in Ihrer Karriere?
Ich habe mich grundsätzlich eigentlich überall sehr wohl gefühlt. Sehr, sehr schön waren sicherlich die vier Jahre Osnabrück. Krefeld aber auch, weil wir da neun Jahre lang gewohnt haben. Da war ich Spieler, bin nochmal nach Köln gewechselt und hab dann meinen Trainereinstieg in Krefeld gefunden, das war auch toll.
Ich hab auch ein sehr schönes Jahr in Wolfsburg gehabt, weil wir als Außenseiter ins DFB-Pokalfinale gekommen sind und eine unglaubliche Serie gespielt haben. Wenn man das 1995 gesehen hat, dann ist damals eigentlich so richtig entstanden, was Wolfsburg jetzt ist. Ich war Kapitän der Mannschaft. Als neuer Spieler von Hertha da hin zu kommen und direkt Kapitän zu werden, das war auch unglaublich. In Wolfsburg war einfach toll, wie da eine Mannschaft von ihrem Zusammenhalt gelebt hat, von einem unglaublichen Charakter, von dem Willem, was zu erreichen.
Aber auch Kaiserslautern war sehr, sehr angenehm, weil ich da mit Weltklassespielern gespielt habe, wie Andreas Brehme und den beiden Tschechen Kadlec und Kuka, die seinerzeit sehr, sehr gut waren. Auch in Köln nochmal zu spielen unter Bernd Schuster und Ewald Lienen – da hab ich schon einiges erlebt.
Erinnern Sie sich an das Spiel Ihres Lebens? Ein Spiel, von dem Sie sagen: "Da war ich echt stark!"
An was kann ich mich erinnern? Ich hab mal das Tor des Monats im Europapokal geschossen, aus 40 Metern, mit Kaiserslautern gegen Bratislava. Das ist natürlich ein Highlight, das nicht so viele schaffen. Ich hatte eben das Glück, dass sich keiner angeboten hatte, dann hab ich einfach draufgeschossen – und der Ball landete im Tor. Sonst hab ich als Spieler erst relativ spät eine gewisse Konstante in meiner Leistung gefunden, so mit 27, 28. Ich glaube, so mit 28 waren schon viele Highlights dabei.
Sie haben unter vielen verschiedenen Trainern gespielt. Schafstall, Michels, Schuster und Lienen haben wir schon gestreift. Von wem haben Sie am meisten gelernt?
Grundsätzlich lernt man von jedem etwas. Wissen Sie, ich mag dieses Passive nicht, ich mag dieses Zurückhaltende nicht, ich will das Selbstbestimmende auf dem Platz und versuche auch, meine Spieler davon zu überzeugen. Zum Beispiel der Rinus Michels. Was das angeht, war der unglaublich. Immer versucht er, seine Mannschaft dahin zu bringen, dass die das Spiel bestimmen.
Ich finde Ewald Lienen hat außergewöhnliche Qualitäten. Lienen wird leider sehr verkannt in Deutschland, er wird in eine Schublade reingesteckt, die dieser Mann überhaupt nicht ist. Für mich ist das ein absolut professioneller Fußballfachmann, ein Kenner, der unglaublich gut analysieren kann.
Zu Jürgen Gelsdorf habe ich eine sehr, sehr enge Bindung, weil er in Uerdingen nochmal mein Cheftrainer wurde. Er hatte so eine Gabe, dass er bei gewissen Spielern mit seiner Art einfach im tiefsten Herzen ankam, und die haben das auf dem Platz mit einer außergewöhnlichen Leistung zurückgegeben. Das hat Gelsdorf verstanden wie ganz wenige.
Lienen und Gelsdorf sind Menschen, die ich nicht nur auf dem Platz, sondern auch außerhalb des Platzes sehr schätze. Die interessieren sich nicht nur für den Spieler als Fußballer, sondern auch für den Spieler als Menschen, und das ist sehr beeindruckend. Man hat das Gefühl gehabt, dass das erste, was zählt, der Mensch ist und nicht der Spieler. Das finde ich sehr positiv.
Haben Ihnen Ihre viele Stationen und Erfahrungen als Spieler besonders geholfen, als Sie Trainer wurden?
Diese vielen unterschiedlichen Typen, unterschiedlichen Charaktere und unterschiedlichen Strukturen in den Vereinen sind mir sicherlich zugute gekommen, den Trainereinstieg unter schwersten Voraussetzungen zu meistern. Uerdingen war damals total pleite, innerhalb der sechs Wochen Saison-Vorbereitung fing es schon an, dass die nicht mehr bezahlen konnten. Am Ende waren sie völlig zahlungsunfähig. Aber wir hatten eine Mannschaft, die in der Rückrunde aus 14 Spielen 29 Punkte geholt hat. Das war unglaublich! Ähnlich war es auch hier in beim VfL. Osnabrück hatte damals eine sehr, sehr verkorkste Saison hingelegt, war aus der 2. Liga abgestiegen. Sich als junger Trainer dann den Umbruch zuzutrauen, bis auf zwei Spieler, die eine hohe Identifikation mit dem VfL haben, eine komplette Mannschaft auszuwechseln, das ist nicht eben selbstverständlich. Mit dem Jo Enochs und dem Wolle Schütte da was neues anzufangen, das war sehr beeindruckend.
Mittlerweile sind Sie im vierten Trainerjahr angekommen. Was ist noch Traumjob, wo nervt es?
Eigentlich ist immer noch alles Traumjob. Was nervt, aber das wird wahrscheinlich jeder Trainer sagen, ist, dass du nach jedem Spiel neu beurteilt wirst. Wenn du verlierst, taugst du als Mensch nichts. Das finde ich einfach nicht richtig, weil sich hinter jeder Geschichte ein Mensch verbirgt. Der Mensch ist eigentlich das wichtigste, was wir auf dieser Welt haben. Klar macht man nicht immer alles richtig, und es ist wichtig, dass man kritisiert wird, damit man sich selbst hinterfragt. Das ist alles korrekt. Aber man sollte nicht ins Persönliche gehen, und man sollte nie die Achtung vor dem Menschen verlieren, wenn man sich auseinandersetzt. Im Fußball ist das nach Niederlagen sehr oft anders, und das finde ich bedauerlich. Ich kann auf der einen Seite die Leute verstehen, dass sie enttäuscht sind, wenn der VfL verliert und man viel für den Verein opfert – gerade speziell Jugendliche und Studenten und Lehrlinge, und dann besonders auch Arbeitslose, die ihr letztes Hemd und ihren letzten Cent für den VfL sparen und auf Urlaub verzichten und so. Das weiß ich alles. Aber es gibt, auf die Regionalliga bezogen, 19 Vereine. Zwei können nur aufsteigen und fünf müssen leider absteigen. Einige Vereine werden ihre Ziele also nicht erreichen, und ich glaube, dass man das auch mal zu akzeptieren hat. Wenn man kritisiert, sollte man vorher eine Analyse machen, was gut war und was schlecht war. Alles andere finde ich einfach ein bißchen oberflächlich, und ich bin nicht oberflächlich. Deswegen ist das manchmal sehr verletztend.
Lesen Sie Montag, warum Spieler immer Druck brauchen, dass der VfL eigentlich hätte absteigen müssen und wie es ist, mit 13 Spielern zu trainieren.
Freitag, 14. Juli 2006
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