VfLog-Interview mit Claus-Dieter "Pele" Wollitz
Er war auch zu aktiven Spielerzeiten nie unumstritten, aber auch damals schon hatte er selten ein Problem damit. Claus-Dieter Wollitz wandelte schon, als er noch selbst auf dem Platz stand, zwischen pomadigem Wahnsinn und mitreißendem Genie. Mal verwandelte er Freistöße wie im Tiefschlaf und spielte die entscheidenen tödlichen Pässe, und mal eben nicht. Als VfL-Trainer will der, den sie Pele (wohlgemerkt mit der Betonung auf der ersten Silbe, nicht brasilianisch auf der letzten) nennen, konstant gut sein. Dennoch geriet er in der vergangenen Saison massiv in die Kritik. Das hat ihn getroffen - und noch mehr motiviert. Wollitz will weiterhin offensiven Angriffsfußball spielen lassen, weil alles andere Käse sei.
Wir sprachen mit ihm vor dem ersten Testspiel gegen Haste über seine eigene aktive Zeit, über seine Erlebnisse als junger Trainer, die Diskussionen um seine Person, die vergangene verkorkste VfL-Saison, seine Fußballphilosophie, seine Leidenschaft zum Fußball und zu einer guten Flasche Wein. Im ersten Teil des Gesprächs, den wir heute veröffentlichen, geht es um den kleinen Claus-Dieter, der sich mir nichts dir nichts im Gelsenkirchener Parkstadion wiederfand. (Teil 2 | Teil 3 | Teil 4)
Bevor wir später ausführlich zum VfL kommen, starten wir mal mit ein paar Fragen zu Ihnen persönlich. Sie sind in Brakel in Nordrhein-Westfalen geboren worden. Wie hat denn der kleine Claus-Dieter damals zum Fußball gefunden?
In meiner Familie sind einfach alle Fußballer. Brakel ist zwar ein kleiner Ort, trotzdem gab es sehr, sehr viele in meinem Alter, die auf der Straße kickten. Da gab’s noch diese Straßenmeisterschaften, wo die Siedlungen gegeneinander gespielt haben. Ich war damals sehr klein, und ich war immer der jüngste, aber ich hatte schon ein gewisses Talent, deswegen durfte ich bei den Älteren mitspielen. Ich hab von morgens bis abends Fußball gespielt. Ich komme zwar aus einem gut-bürgerlichen Elternhaus, aber was den Fußball angeht, bin auf der Straße groß geworden. Für mich gab’s nur das. Und irgendwie habe ich dann ja auch den Weg in die Bundesliga geschafft.
Alle guten Spieler mussten früher in der Jugend immer Libero spielen, weil man bei denen sicher sein konnte, dass die hinten nichts anbrennen lassen. War das bei Ihnen auch so?
Nee, überhaupt nicht. Ich habe eigentlich nie im Defensivbereich gespielt. Im Prinzip nur später in der Bundesliga, in Köln. Sonst habe ich immer offensiv gespielt, offensives Mittelfeld, ganz oft sogar auch Stürmer.
Und was der Lieblingsverein als Kind?
Wie bei so vielen auch: Bayern München. Früher gab’s ja noch diese Taschenbücher von Rummenigge, Breitner, Beckenbauer - die hab ich natürlich auch alle gelesen. Und wenn ich jetzt noch Bundesliga gucke oder Europapokal, wünsche ich das dann auch immer Bayern München, weil ich das anerkenne, dass sie über 30, 40 Jahre oben in der Spitze der Bundesliga ohne große Skandale kontinuierlich ihren Weg gegangen sind. Sie sind finanziell unglaublich abgesichert und können auf einem Top-Niveau spielen. Es gibt viele Vereine, die das kurzfristig schaffen, sich dabei aber so hoch verschulden, dass sie die Existenz und die Tradition auf’s Spiel setzen. Das ist nicht der Weg, den ich so gut finde.
Was das angeht, gibt es ja auch in der Regionalliga gute Beispiele.
Ja, es gibt überall genug Beispiele, wenn Sie bedenken, dass vor Jahren schon Nürnberg einmal in den UEFA-Cup gekommen ist. Aber da weiß man, dass das nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. Wenn ich richtig informiert bin, sind dort sogar einige ins Gefängnis gegangen. Dafür jedenfalls mussten dann andere Vereine absteigen. Das hat für mich mit Sport nichts zu tun, das hat nichts mit Respekt oder mit Korrektheit zu tun. Ich finde, dass dann die Strafen auch drastischer sein müssten als sie es schon sind. Ein gewisses Risiko sollte jedem Verein vorbehalten bleiben, damit man gewisse Ziele erreichen kann, damit man eine gewisse Tradition aufrecht erhalten kann. Aber ich finde, dass man in den Planungen schon so arbeiten sollte, dass ich das, was ich einnehme, auch nur wieder ausgeben kann. Und dann muss man auch die Öffentlichkeit so darüber informieren, dass eben mehr nicht möglich ist. Das Problem ist, dass der Druck in manchen Städten oder Vereinen sehr, sehr groß ist, weil es dort immer Gremien gibt oder, meistens in Traditionsvereinen, viele ehemalige Spieler, die zu wissen meinen, wie das heutzutage zu gehen hat. Diese Störfaktoren beeinflussen im negativen Sinne einige Vereine.
Wenn wir uns die furchtbare Welt vorstellen, in der Fußball nie erfunden worden wäre, was wären Sie dann heute?
Och, da möchte ich mich gar nicht mit beschäftigen. Dann würde mir persönlich was fehlen. Ich bin sehr, sehr leidenschaftlich, was diesen Sport betrifft, ich führe den mit unglaublich viel Liebe und Herz aus. Mir sind auch nicht 18 Stunden zu viel, sondern ich könnte 24 Stunden dafür hergeben. Natürlich braucht man zwischendurch seine Ruhepause, aber ich habe, was das betrifft, sehr, sehr viel Energie und versuche das jetzt auch immer an meine Mannschaft zu vermittteln.
Was habe Sie denn nach der Schule gemacht damals?
Ich hab dann in Brakel Zimmermann gelernt. Dann kam eines Tages Rudi Assauer, und der hat mir einen Vertrag gegeben. Ich wurde Profi bei Schalke 04, seitdem bin ich in diesem Zirkus Fußball. Natürlich bin ich dafür sehr dankbar, weil Fußball eben das ist, was viele gerne zum Beruf machen möchten. Aber vielen fehlt dann dieses Talent, das man schon in die Wiege gelegt bekommt. Ich hatte das Glück.
Lesen Sie Freitag, warum Osnabrück eigentlich ein Fehler war, wie man aus 40 Metern ein Tor des Monats schießt und warum Ewald Lienen ein außergewöhnlicher Trainer ist.
Mittwoch, 12. Juli 2006
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