Sein Name ist Dr. Hartwig Piepenbrock, und ohne ihn ging nichts in Osnabrück. Als ein legitimer Vorgänger von Chelseas Roman Abramovic machte sich Mäzen Hartwig I. als VfL-Präsident einen Namen, den so schnell niemand vergessen sollte. Dass es einmal eine VfL-Familie ohne Patriarchen geben würde, war damals undenkbar. Piepenbrock war Alleinherrscher in Osnabrück, eine Funktion, die spätestens in den 80er Jahren offenbar gesellschaftlich stark nachgefragt wurde. Auf der ganz großen Bühne wirtschaftete König Helmut I. genauso selbstherrlich und alleinverantwortlich wie in Osnabrück Piepenbrock - beide sind jetzt Ehrenvorsitzende.
Zu diesen Zeiten leistete sich der VfL ein vereinseigenes Trainerkarussel: Anders war dem Bedarf an Fachkräften durch die von Piepenbrock verantwortete Fluktuation nicht nachzukommen, die bisweilen beängstigende Ausmaße annahm. Nach Gutsherrenart wurden Trainer entlassen und eingestellt, auch vor spontanen Spielersuspendierungen schreckte Piepenbrock nicht zurück. Wagte es ein Spieler, zur neuen Saision vorzeitig bei einem anderen Verein zu unterschreiben, wurde die Zusammenarbeit, nicht selten wohl ohne Rücksprache mit dem Trainer, umgehend beendet - natürlich von Piepenbrock persönlich. In der Saison 1988/89 verlor die Mannschaft am 1. Spieltag 1:4 in Bayreuth. Trainer Anton Rudinski wurde daraufhin sofort entlassen.
Der Unterhaltungswert war grenzenlos, die finanzielle Situation nach Piepenbrocks Rückzug Anfang der 90er ruinös, und das Image des Clubs mehr als ramponiert: Wer wollte sich mit einem Verein identifizieren, dessen Führungsetage offenbar von Tuten und Blasen immer weniger Ahnung hatte? Man litt zu dieser Zeit mit dem VfL, und gönnte trotzdem seinem Präsidenten jede Niederlage.
Umso beachtlicher und außergewöhnlicher ist der Weg, den der VfL nach Piepenbrocks Rücktritt einschlug. Die Verantwortlichen beim VfL, namentlich sein heutiger Präsident Dirk Rasch und Manager Lothar Gans, haben etwas geschafft, das viel zu selten nüchtern betrachtet wird: Einen konsequenten und gesunden Wiederaufbau. Dieses Vorhaben war nicht ganz risikolos, mehrfach schlitterte der VfL haarscharf an der Insolvenz vorbei, ein ums andere Mal konnte das finanzielle Aus erst buchstäblich in letzter Minute abgewandt werden. Dass dies gelang, spricht nicht zuletzt für die Männer in der Führungsetage. Diese Leistung, aus dem VfL wieder einen für alle Seiten verlässlichen Partner zu machen, ist gar nicht hoch genug einzuschätzen.
Heute spricht der VfL mal wieder ein gehöriges Wörtchen im Aufstiegsrennen zur 2. Bundesliga mit. Man möchte meinen, nie war die Identifikation der Fans mit ihrem Klub größer und harmonischer. Niederlagen und Rückschläge werden bedauert und beweint, Siege bejubelt - aber eben gemeinsam. Der VfL schifft in spannendem Fahrwasser, aber unaufgeregt, in sich ruhend - und ohne Sturm.
Donnerstag, 14. April 2005
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1 Kommentar:
Ihr habt es gut. Aus Gladbach kommt mir nur eins bekannt vor: Das Leben ohne Sturm... Aber Giovane ist ja bald fit. Schönen Blog habt Ihr da!
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