Eigentlich gibt es nur einen einzigen Grund, im Champions-League-Spiel heute abend dem russischen Kolonialclub FC Chelsea die Daumen zu drücken. Er heißt José Mourinho.
Wie dieses vermeintliche enfant terrible des europäischen Fußballs derart flächendeckend Ressentiments einheimst, so dass sich jetzt sogar Ottmar Hitzfeld nicht zu schade ist, ihn öffentlich zu schelten ("arrogant, sehr kalt, nur von sich überzeugt, kein Sportsmann"), verdient aller Ehren.
Was Dick Advocaat sich beim VfL leider nur begrenzt leisten kann, performt Mourinho so perfekt und gleichfalls unterhaltsam, dass man neidisch werden möchte: Er wirkt immer stur und kompromisslos, reagiert überheblich besserwisserisch auf Ratschläge, scheint kritikresistent und gibt sich angenehm hochnäsig im Abkanzeln oppositioneller Meinungen. Insgesamt lässt er damit keinen Zweifel daran, auf all die Kleingeister um ihn herum gut und gern verzichten zu können. Ganz nebenbei darf er noch dafür herhalten, dass der schwedische Schiedsrichter Anders Frisk von seinem Amt zurücktrat, und musste sich dafür gar von so manchem Offiziellen beschimpfen lassen. Gibt es Schöneres?
Mourinho bewerkstelligt beachtlich sicher einen Drahtseilakt, der eigentlich keiner ist, denn der Tanz zwischen Genie und Wahnsinn ist bereits vorentschieden: Einen genialeren Top-Trainer hat es bisher vermutlich nicht gegeben, als legitimer Vorreiter darf vielleicht allenfalls Christoph Daum zu seinen Kölner Zeiten gelten.
Außer Frage steht wohl, dass Mourinho ein absoluter Fußball-Fachmann ist, taktisch wie technisch ein Perfektionist. Davon kann man sich leicht überzeugen, indem man seine Spieler befragt, die ihn allesamt als ihren Chef akzeptieren und einhellig bestätigen: Der Mann versteht das, was er tut.
Aber mehr noch: Mourinho ist ein Medienstar, und zwar einer mit einem ausgesprochen angenehmen Humor. Es mutut geradezu schmidtesk an, sich derart erfolgreich und nachhaltig als badguy des europäischen Fußballs zu vermarkten, und in der Folge das eigens kreierte Image selbstverstärkend in Anschlag zu bringen: Auf die Vorwürfe, arrogant, sehr kalt und nur von sich überzeugt zu sein, dann arrogant, sehr kalt und sehr von sich überzeugt zu antworten, das ist großer Sport. Oder mit Mourinho gesprochen in Richtung Hitzfeld: "Ein Trainer, der seit fast einem Jahr keinen Klub hat, sich aber bezahlen lässt, hat wohl zuviel Zeit, um solche Kommentare abzugeben."
Um die Ambivalenz perfekt zu machen und das "Rätsel Mourinho" zu komplettieren, setzt sich der Portugiese nebenbei noch als einer von viel zu wenigen Friedensbringern im Nahost-Konflikt ein und sprengt damit nachhaltig die Kategorien, in die die Öffentlichkeit ihn einzuordnen gewohnt bzw. gewillt war.
Dieser Mann spielt auf der Medienklaviatur eine überaus seltene und wunderbare Melodie. Fast müsste man wünschen, dass sie noch einige Wochen weiter klingt. Übrigens ist er einem seiner heutigen Gegner vom Typ her symphatisch ähnlich, nämlich dem Bayern-Manager Uli Hoeneß. Vielleicht werden sich beide bei einem Gläschen Wein im stillen Kämmerlein gemeinsam freuen, wie unglaublich erfolgreich sie sind.
Mittwoch, 6. April 2005
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3 Kommentare:
Ich fand diese Medienwut schon immer übertrieben, aber erst nach diesem Artikel ist mir klar: Der Mann ist ein Idol! Danke, VfLog!
...ein Idiot sicher, aber auch ein Spanier?
Ich dachte immer, er wäre Portugiese
Und Du hast so recht damit. Sorry für die Unachtsamkeit und besten Dank für den Hinweis: Schon geändert.
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