Dienstag, 15. März 2005

alles hat ein ende – aber so schnell?

"Wer schönen Fußball sehen will, soll zu unseren Amateuren gehen", so ließ sich Dick Advocaat vergangene Woche zitieren. Ein ebenso schönes Bonmot wie seine Bemerkung, mit Spielern zu diskutieren habe "keinen Zweck".
Beides zweifellos hübsche Bemerkungen, Kommentare von der Art, wie sie auch Hans Meyer gerne von sich gab. (Nur daß Hans Meyer Ironie unterstellt wurde, Advocaat hingegen meint sowas ernst, so die allgemeine Überzeugung.) Hans Meyer war über lange Monate bei Fans und Presse (die ewig dumme BILD ausgenommen) beliebt, doch Dick Advocaat weht bereits nach wenigen Wochen in Gladbach der Medienwind eiskalt ins Gesicht. War er im November noch "Borussias neuer Liebling" (SZ), erkennen jetzt einige an ihm "autistische Züge" und die FR mußtmaßt, Marek Heinz sei nach Prag abgeschoben worden, weil er "zu gut am Ball" sei.

In was für einer Heuchlerwelt leben wir eigentlich? Als Dick Advocaat zum VfL kam, stand es um den Verein schlecht. Sehr schlecht. Verlief der Wechsel von Hans Meyer zu Ewald Lienen noch in bester Harmonie, mutete der Einstieg von Holger Fach schon eher wie eine Provinzposse an. Der Wuppertaler schaffte es binnen kürzester Zeit, auch den letzten Funken Selbstbewußtsein aus den Fohlen zu vertreiben und die Gladbacher in eine tiefe Krise zu stürzen. Auch mit seiner verunglückten Personalpolitik, die er im engen Verbund mit Christian Hochstätter betrieb, der vielleicht dubiosesten Figur im ganzen VfL-Gemenge (wir werden berichten).

Advocaat stand für einen Neuanfang, für einen Hoffnungsschimmer, er galt als "Garant für Qualität" (SZ) und zeigte der ganzen Liga, wo Gladbach hinmöchte: in den internationalen Fußball. Es ist gut, daß der VfL sich zu diesem Ziel bekennt. Und es ist gut, daß man nach Regionalligist Fach den Mut zu einem Champions-League-Trainer hatte. Ebenso richtig war es, in der Winterpause auch Spieler zuzukaufen. "Unseren Spielern fehlt die Qualität" – dieser Satz Advocaats war gleichermaßen Affront gegen die bisherigen Protagonisten wie eine schlichte Wahrheit.

Doch die Begeisterung nach ersten Siegen, großen Verpflichtungen mitsamt Elber-Euphorie hat nicht lange vorgehalten. Wer gehofft hatte, Gladbach würde noch in dieser Saison in den UI-Cup einziehen, war blind. Wie soll eine Mannschaft, die eine desolate Saisonhälfte gespielt hat und jede Menge neue Spieler integrieren muß, von heute auf morgen zu sich finden? Wer dachte, Advocaat würde im Abstiegskampf zunächst auf schönen Fußball achten, hat den Schuß nicht gehört. Jeder wußte schon bei der Verpflichtung, daß Advocaat notfalls Fußball spielen läßt, der so attraktiv ist wie "Sex in Stützstrümpfen" (SZ). Das ist auch richtig. Denn der VfL soll nicht absteigen. In der nächsten Saison werden dann die positiven Überraschungen kommen. Darauf wette ich.

Und wer heute über den mürrischen Dick meckert, wird dann einen Platz in der ersten Reihe der größten Bewunderer suchen. Da stehe ich schon heute, und ich freue mich schon jetzt darauf, wenn sich die Opportunisten wieder einreihen.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Schön, schön. Richtig auch. Aber wer Marek Heinz ziehen lässt, mimt beinahe schon beängstigend authentisch den Autisten, oder? Gruß,
der Franz

Martin hat gesagt…

Danke für das Lob, lieber Franz.
Ehrlich gestanden mag ich Heinz auch. Ich glaube aber, daß Dick das ähnlich sieht wie wir, denn er hat ihn ja nicht ziehen lassen, sondern lediglich ausgeliehen, damit er in Prag wieder zu seiner Form kommt. Und vielleicht kann er uns dann ja in der Hammersaison 2005/2006 wieder dienlich sein... Hab Vertrauen!

Anonym hat gesagt…

Sehe vieles sehr ähnlich, Martin! Respekt für den guten Artikel.

Zu Heinz nur so viel. Ich bin eigentlich auch Bewunderer der Künste des Marek H. Aber leider ist irgendwo anzumerken, daß dieser jenige- wie so manch anderer auch, Spieler wie Fan- nicht verstanden hat, worum es geht: den Klassenerhalt. Und um sonst nichts in dieser Saison. Um Borussia stand es wirklich sehr schlecht. Und steht es zum Teil immer noch. Und es wird noch einige Zeit dauern, bis die so oft zitierte Handschrift Advocaats zu erkennen sein wird. In dem Sinne, von der Art Fußball den er sich vorstellt. Bis dahin zählen nur- einzig und alleine die Ergebnisse und der Klassenerhalt.

Danke für den, wie ich finde, sehr treffenden Artikel!

Anonym hat gesagt…

Muss den ausgerechnet ich hier mal widersprechen? Was der Heinz kann, hat er in der letzten Saison in Tschechien und bei der EM nachhaltig bewiesen. Dass er sich in der Bundesliga nicht durchsetzen kann, davor und danach.

Was Dick Advocaat betrifft, bin ich auch sehr unsicher - das könnte so eine Vogts-Pflaume sein. Disziplinfanatiker aber wenig dahinter. Mit dem PSV und den Rangers Meister zu werden ist ja nur die Kunst, einen einzigen richtigen Gegner hinter sich zu lassen. Bei der EM darf er sich dagegen das Ausscheiden der Käsköppe höchstselbst and Revers heften. Ob er ein guter Trainer ist, wird man imho erst beim VfL sehen können. Bisher hab ich da so meine Zweifel...
JR