Dienstag, 4. März 2008

seitenwechsel #52

We call it a Klassiker, den wöchentlichen Seitenwechsel mit den lieben Kollegen von Seitenwahl. Seit der vergangenen Saison schreiben wir uns Brand-, Schmäh- oder Liebesbriefe - mit noch immer wachsender Leidenschaft. Diese Woche schreibt Maik von einer Welt, die völlig in den Fugen ist, obwohl 130 Kilo schwere Menschen sie mit Leben beschweren - das steht bei Seitenwahl. Bänkelsänger Mike kontert mit ungeschminkter Realität, der er eine Zeit lang schöne Augen machte.

Lieber Maik,

schön, Dich wieder bei uns zu wissen. Wie ich lesen konnte, hast Du die vergangenen Tage intellektuell anspruchsvoll genutzt, was ich an dieser Stelle sehr begrüße. Letztlich zolle ich Dir meinen größten Respekt. ICH halte diesen musikalischen Schrott über Lassos, Mexiko & Co. höchstens zehn Minuten aus (und nein, auch nicht unter Alkohol, um etwaige Leserbriefschreiber bereits im Vorfeld argumentativ zu entwaffnen). Dass Du old-school-mäßig Ski fährst, ist ein weiteres Lob wert. Gegen den Mainstream, forever!

Es wundert mich indes, dass Du die Niederlage Deiner Lila-Weißen gegen die Retortentruppe aus Sinsheim so emotionslos hinnimmst. Hoffenheim steht auf einem Aufstiegsplatz! Da wünscht man sich ja fast den 1.FC Köln lieber in der Bundesliga zurück. Wobei, bis zum 34. Spieltag sollen sie noch leiden, das mag ich irgendwie. Allein schon als Wiedergutmachung für meinen 90-minütigen Überlebenskampf neben dem 130-kg-Koloss, mit dem ich – Gott bewahre – keinen Kaffee trinken war. Aber dazu später mehr. Warum verliert Dein VfL nicht gegen meinen VfL brav mit 0:3 und trotzt der Hopp-Truppe einen Punkt ab? Damit wäre nicht nur der Borussia, sondern fast allen geholfen.

Elektronische Helferlein? Ich bin sofort dabei. Nein, ich gehöre nicht zu den Fußball-Romantikern, die den status quo auf Teufel komm raus erhalten wollen. Denn ich sehe die Problematik nicht. Natürlich behält der Schiedsrichter auf dem Platz die Kontrolle über das Spiel und nicht jede Entscheidung soll und darf vom Ober-Schiedsrichter auf der Tribüne korrigiert werden. Von diesen Tatsachenentscheidungen "lebt" der Fußball in der Tat. Absurde Vorschläge, dass jedes Team – ähnlich den neuen Regeln beim Tennis – einmal pro Halbzeit um Überprüfung bitten darf, lehne ich strikt ab, denn das würde das Spiel verzerren und zu oft als taktisches Mittel eingesetzt, um den Spielfluss bewusst zu unterbrechen. Doch gibt die Technik in der heutigen Zeit so viele Möglichkeiten her, dass man einen fünften Unparteiischen ohne Verzögerung implementieren könnte. Über Kopfhörer, Mikro und Funkverbindung mit dem Schiri auf dem Platz verbunden, könnte er in wenigen Sekunden und nach Betrachten der TV-Bilder ein kurzes "Elfmeter", "Rote Karte" o.Ä. durchgeben. Das zöge auch keine Verzerrung des Spiels nach sich, denkt man an die oft minutenlangen Diskussionen des Schiedsrichters mit seinen Assistenten und einem Rudel Spieler. Vor allem gehörten viele, viele unsportliche Dinge der Vergangenheit an. Sicher, ein Spieler, der hinter dem Rücken des Schiris den Ellbogen rausfährt, kann und wird zurzeit auch nachträglich gesperrt. Fakt ist jedoch, dass er das Spiel, in dem es passierte, zu Ende spielen konnte. Kommt der Ellbogenschlag nun hinter dem Rücken, so reicht ein kurzes "Tätlichkeit von van Bommel gegen Diego. Rot!", der Schiri pfeift kurz ab, zückt den roten Karten und weiter geht´s. Insofern: ein klares Pro für den Videobeweis!

Du merkst, dass ich ein Thema bis zu diesem Punkt ausgelassen habe. Und wie Du weißt, schreibe ich Euch jede Woche, ohne mir lange Gedanken über meine Worte zu machen. In dieser Woche ist das anders. Schon seit vergangenem Freitag vergehen nur wenige Stunden, in denen ich nicht darüber grübele, wie ich das, was seit Martins offenem Brief an Maren geschah, umschreiben könnte. Ja, sie hat sich gemeldet und wir haben uns getroffen! Ob dies Martins so netten Worten oder der Tatsache geschuldet war, dass sie einfach und endlich auf ihr Herz gehört hat, ist für mich unerheblich. Als ich am Freitagmorgen Ihre E-Mail las, in der sie ein spontanes Treffen noch am gleichen Abend vorschlug, war ich irritiert und glücklich zugleich. Wieder einmal hat sie mich aus der Bahn geworfen, so unberechenbar war ihr Verhalten in den vergangenen Wochen wie auch an diesem Freitagabend.

Borussia gewann, wie Du weißt, und direkt nach Spielschluss und Pressekonferenz fuhr ich zum kurzfristig vereinbarten Lokal. Ich war aufgeregt, hatte keine Zeit gefunden, mich ordentlich zu rasieren und war zudem unsicher wie ein 15-jähriger vor seinem ersten Date. Jedoch, als ich das Lokal betrat, war alle Aufregung mit einem Schlag wie weggeblasen. Da saß sie, und sofort fühlte ich mich zurückerinnert an den Abend, als ich sie das erste Mal sah. Die großen, strahlenden Augen, das verführerisch-süße Lächeln und diese entwaffnende Leichtigkeit, die sie umgibt. Lässig-lasziv rauchte sie an ihrer Zigarette, vor ihr stand ein frisches Pils. Es sind wohl diese Momente im Leben, in denen uns Goethes Worte in den Sinn kommen: "Verweile doch, du bist so schön!".

Einen gemütlichen Platz zu Tische gefunden, plauderten wir los. Wir plauderten, diskutierten, lachten, rauchten und tranken. Es war, als wollten wir all die vielen Jahre nachholen, die uns das Leben vorher nicht gemeinsam schenken wollte. Und zwischendurch immer wieder kleine Momente der Stille und des Knisterns, während sich unsere Blicke trafen. In diesen Sekunden tauschten unsere Augen die Worte aus, die wir uns selbst an diesem Abend nicht zu sagen vermochten, die wir jedoch beide verstanden. Die Wärme und Tiefe in ihrem Blick ließ mich nahezu alles um mich herum vergessen. Es waren kurze Momente, aber diese haben sich für alle Zeit in meine Seele gebrannt.

Das Lokal leerte sich von Stunde zu Stunde immer mehr, bis wir dort ganz alleine saßen. Die Kerze auf unserem Tisch war die einzige, die noch brannte im gesamten Raum und sie ließ Marens Gesicht noch wärmer und weicher wirken, als es ohnehin schon war. Den Kampf gegen die Zeit konnte ich jedoch nicht gewinnen. Wir verließen das Lokal erst tief in der Nacht und beim Abschied bemerkte die noch anwesende Besitzerin des Lokals, dass Maren und ich ein entzückendes Paar seien und dass wir einfach gut zueinander passten. Selten habe ich einer fremden Person so schnell so recht gegeben. Und selten hat mir eine so fremde Person mit so wenigen Worten so sehr weh getan.

Denn was lehrt uns das Leben? Sind es nicht immer die tragischen Dinge, die uns ewig in Erinnerung bleiben? Die Dichter und Denker zu ihren größten Werken veranlassten? Die Sportereignisse, auch und vor allem im Fußball, zu legendären Momenten werden lassen? Kennen nicht gerade wir Gladbacher Borussen die "Tragik des Scheiterns", die im Grunde den Mythos dieses Vereins ausmacht? Das Leben ist so anders als die Märchen und die Romanzen, die uns seit Menschengedenken begleiten. Entsprächen sie der Wahrheit, so wären sie keine Märchen. Maren nannte unser Märchen "Prinzessin, ich such Dich im Lande", und dabei lächelte sie. So, wie sie immer lächelt, mit ihren großen und strahlenden Augen. Ja, ich habe Dich gefunden, meine Prinzessin. Für diesen einen Abend, für diesen einen kleinen Kuss. Aber die Geschichte ist hier zu Ende. Und dies wusste ich, bevor sie begann.

So werden wir wieder getrennte Wege gehen. Ich werde Borussia weiterhin die Treue halten, sie kritisch begleiten, wohin der Weg sie auch führen mag. Und Maren wird ihren Weg gehen. Vor allem im kommenden Jahr, wenn sie das Versprechen ihres Verlobten einlösen wird, um ihn zum Traualter zu begleiten.
Manchmal treffen sich eben die richtigen Menschen zur falschen Zeit.

Lebe wohl, Maren!
Mike

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