Donnerstag, 26. Februar 2009

seitenwechsel #75

Erst wenn der letzte Tropfen Tinte zu Papier gebracht ist, wird diese Brieffreundschaft enden. Und da zwar Märklin und Opel pleite gehen, aber Lamy und Pelikan bisher aus den Schlagzeilen herausgeblieben sind, dürfen wir noch auf viele Seitenwechsel hoffen. Und somit auch auf die heute von Joachim angekündigten insgesamt zwölf Partien Fernschach, die nun eröffnet sind. Auch sonst ist Joachim fidel wie eh und je. A propos "Fidel": Martin probt den Klassenkampf, wie immer nachzulesen bei Seitenwahl.

Lieber Martin,

das Wichtigste zuerst: e7-e5. Ich weiß zwar nicht, warum Du die weißen Steine hast, aber dies ist ja nur der Auftakt einer Fernschachmeisterschaft über zwölf Partien.

Dreizehn Partien hat Borussia gar noch, um dem Abstieg zu entgehen. Ich möchte nun nicht im Kaffeesatz lesen und Trends beschwören, die mathematisch keine sind. In einem magst Du mir aber recht geben: Diese Mannschaft ist nicht tot. Sie mag hanebüchene Fehler machen, sehr wechselhaft spielen, hier und da einen Mangel an Qualität aufweisen und in einigen Szenen zu unbedarft sein, aber sie lebt. Und kämpft. Und punktet! Mir war am Samstag nach dem Anschlußtreffer bewußt, daß aller Voraussicht nach noch der Ausgleich fallen wird, denn so ist unsere Borussia. Es handelt sich hier gleichsam um ein Naturgesetz, die Mönchengladbacher Unfähigkeitsrelation, Punktgewinne frühzeitig in trockene Tücher zu wickeln. Was gänzlich unsicher erschien, war, was nach dem Ausgleich passieren würde. Ich muß sagen, ich bin beglückt über die erneut nachgewiesene Fähigkeit, zurückschlagen zu können, wenngleich ich konzediere, daß dies halt Hannover war, bei allem Respekt. (Aber gut, auch gegen die Bayern und in Bremen wehrte man sich noch erfolgreich.)

Überhaupt zum Thema „beglückt“: Es war ein rundum faszinierendes Wochenende. Vor dem Spiel wurden die Presseplätze mit Aufklebern Marke „Borussia-Fans gegen Medienhetze“ tapeziert, und während der ersten Halbzeit erlaubten sich zehn Schlümpfe, die Pressetribüne zu beehren (übrigens völlig friedfertig, soweit ich das sehen konnte) und in einer Mischung aus Karnevalsseligkeit und Zivilcourage den anwesenden Medienvertretern ihre Unzufriedenheit mit Teilen des Journalismus zur Kenntnis zu bringen. Manch anregendes Gespräch in den der Presse vorbehaltenen Eingeweiden des Borussia-Park bewies anschließend, daß die Botschaft angekommen ist: Wer sich nicht angesprochen fühlte, reagierte erheitert, aber es gab auch mimosenhafte, verärgerte und schmallippige Kommentare, bei denen nicht viel gefehlt hätte, und es wäre ein Aufruf an die UNO zur Entsendung von Blauhelmen ergangen.

Man sollte doch hier etwas die Proportion wahren. Zum einen herrscht in der „fünften Jahreszeit“, gerade im Rheinland, eine Form von Ausnahmezustand, die man nicht mögen muß, die man aber im vorhinein kennt. Wer also provoziert, sollte wenigstens mannhaft reagieren, wenn dann eine karnevalsbeseelte Reaktion erfolgt. Zum zweiten wird immer wieder beklagt, unsere Jugend sei apolitisch; wie erfrischend ist es da, wenn die jungen Leute Bürgertugenden entdecken. Details zur Ausführung tun hier nichts zur Sache, es geht um den demokratischen Mehrwert, der unzweifelhaft geschaffen wird, solange es nur friedlich bleibt. Drittens zudem ist weithin Konsens, keineswegs nur unter den Borussen-Fans, daß es nun einmal Gruppierungen gibt, deren Interesse nicht das Wohlergehen des Vereins Borussia Mönchengladbach ist und die auch ansonsten keine Taten vollbringen, auf die man, selbst wenn man die Pressefreiheit für ein hohes Gut hält, nicht verzichten könnte. Daher mag die Abordnung der Schlümpfe etwas verloren gewirkt haben, sie ist aber nur öffentlicher Ausdruck eines allgemeinen Gefühls, das in Kenntnis der Tatsache existiert, daß aktuelle und qualifizierte Berichterstattung über Borussia Mönchengladbach auch ohne Teile der traditionellen Presseorgane in vollem Umfang gewährleistet bleibt.

Lieber Martin, eine ganz andere Frage stelle ich mir zum Ende hin, und da schließe ich an unseren Briefwechsel von letzter Woche an: Was ist die „Abwackprämie“? Zuerst dachte ich ja, Du meintest die „Abwrackprämie“, und fast hätte ich dümmlich-nichtverstehend Deinen Text korrigiert. Dann fiel mir die Brillanz Deiner Wortschöpfung auf (und wenn Du wirklich die Abwrackprämie gemeint hättest, hättest Du sowieso den beamtendeutsch-korrekten Ausdruck „Umweltprämie“ verwendet): Du beziehst Dich auf Dr. Franz-Xaver Wack, bis 2007 DFB-Schiedsrichter und nach wie vor Zahnarzt. Was also ist die Abwackprämie? Eine Prämie, die man zahlen muß, damit ein Schiedsrichter seine Pfeife an den Nagel hängt? Ein Bonus, den man als Schiedsrichter bekommt, wenn man mindestens so gut wie Dr. Wack pfeift? Ich fürchte, ich stehe ein wenig auf dem Schlauch, aber ich bin sicher, daß Du oder unsere Leser wissen, was gemeint ist.

Diese Woche grüßt Dich von der sonnigen Seite der Pressetribüne mit einem dreifachen „Humba humba Hoffenheim“

Dein Joachim

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