Mittwoch, 4. Februar 2009

seitenwechsel #73

Die Winterpause war wie immer kalt und öd. Der Ball rollt nicht, und auch die Feder trocknet aus. Nun aber hat die Bundesliga ihren Spielbetrieb wieder aufgenommen und die Zeilen flattern wie Bananenflanken zwischen den Kollegen von Seitenwahl und unserem kleinen Familienblog. Martin weiß noch nicht genau, was er mit dem neuen Jahr anfangen soll, träumt von 2010 und konkreter Poesie bei Seitenwahl. Joachim stimmt ein und zitiert aus Interviews mit Spielerfrauen.

Lieber Martin,

zunächst Dank für Deine lieben Neujahrswünsche, die ich gerne in gleicher Form an Dich zurücksende. Das Jahr ist noch jung (Borussia ist rechnerisch noch nicht abgestiegen), da kann man durchaus noch den Jahreswechsel-Modus eingeschaltet lassen.

Dies trifft um so mehr zu, als mich der Rückrundenstart stimmungsmäßig unvorbereitet getroffen hat. Ich war froh, das Fußballjahr 2008 (genauer gesagt das zweite Halbjahr – wie weit scheint das erste Halbjahr inzwischen entfernt!?) zu den Akten legen zu können. Da zudem auch noch die Transfers ungewohnt früh abgeschlossen waren, konnte ich mich leichten Herzens anderen Dingen hingeben: einer dahinfließenden Sequenz aus Vierschanzentournee, Wintersportwochenenden, Handball-WM und Australian Open. Und plötzlich war da der Rückrundenstart. Ich hatte zu Hause zu arbeiten und gebe gerne zu, daß ich nebenbei gerade noch das Interesse aufbrachte, den Videotext laufen zu lassen. Ich habe mir aber nicht mal das Spiel auf Fohlen-TV angeschaut. Ich wäre daher nicht undankbar gewesen, der SEITENwechsel hätte erst eine Woche später begonnen, denn wie das von Dir erwähnte Murmeltier geht es mir derzeit auch: Ich bin aufgeschreckt aus wohligen Träumen, habe mit Erschrecken das Resultat in Stuttgart zur Kenntnis genommen und beschlossen, daß ich für mich die Winterpause einfach verlängere.

Das mag ungerecht sein, ich weiß es, und die Jugend in all ihrer Kraft und Begeisterungsfähigkeit wird mir jetzt zurufen: Du Weichei! Schaue und leide! Reise und friere; Hauptsache, Du singst! Ich antworte: So blöd war ich auch mal, damit ist aber Schluß. Ich will gar nicht bestreiten, daß noch genug Hoffnung da ist, daß die neuen Spieler Kredit verdienen, daß die Mannschaft Unterstützung braucht etc. pp. Natürlich, und Friede auf Erden denen, die so handeln, möge es Euch der Fußballgott vergelten. Doch was bleibt unter dem Strich? Bielefeld gewinnt in Bremen, und wir schmeißen wieder die alte Leier an: Gut mitgehalten, Chancen herausgespielt, dumme Tore gefangen, Neuzugänge haben sich halbwegs ordentlich eingefügt, Cottbus hat auch verloren.

Was ist daran neu? Und was ändert es?

Tatsächlich haben wir wieder ein Defensivbollwerk, das trotzdem Tore fängt, nach wie vor dieselben Stürmer, die immer noch nicht treffen, und ein Sammelsurium an Durchschnittsspielern aus aller Herren Länder, die wohl selber nicht wissen, warum sie gerade für Borussia spielen. Das ist anderswo sicher nicht viel anders, aber augenfälliger wird es schon. Ich habe jüngst ein Interview mit Logan Baillys Freundin gelesen, in dem sie gefragt wurde, warum der Torwart denn gerade zum Tabellenletzten in Deutschland gewechselt ist. Ihre Antwort sinngemäß: Er verdient sich dumm und dämlich, so dumm und dämlich, daß er ihr gesagt habe, sie solle nicht mehr zur Arbeit gehen, denn in Deutschland müßten Spielerfrauen nicht arbeiten, der Mann schleppt die Kohle an.

Das Ergebnis ist, daß die Mannschaft nicht besser spielt als vorher, daß inzwischen aber nur noch ein Deutscher in der Startelf steht, und der ist auch bald weg. Ich bin hier nicht für Deutschtümelei, aber wenn man schon keinen Erfolg hat, ist es mir lieber, man hat ihn mit dem ein oder anderen eigenen Nachwuchstalent nicht, als daß man ihn mit den gesammelten Stalteris und Baillys dieser Welt nicht hat. Sollen die Fans etwa ihre Euros ins Stadion tragen, damit Familie Bailly ausgesorgt hat? Ich weiß, daß das maßlos vereinfacht ist, aber so fühle ich mich derzeit.

Und insofern, lieber Martin, hast Du völlig recht: Wenden wir uns der Poesie zu. Du gehst auch sehr schön in Vorlage, meine politischen Präferenzen kennend, und ich würde Dir gerne mit Ernst Jandl antworten, doch den muß man reden, gar schreien, nicht schreiben. Außerdem werde ich sentimental, denn das schönste Gedicht ist für mich der Dialog zwischen Stadionsprecher und Zuschauern nach einem (möglichst entscheidenden) Tor. Da bleibt mir nur die Hoffnung auf das Heimspiel gegen Hoffenheim, wenngleich meine Befürchtungen in eine andere Richtung gehen. Bei der Querfeldein-WM letzten Sonntag soll es einer Meldung einer belgischen Zeitung zufolge einem in einer geschlossenen Anstalt einsitzenden Niederländer gelungen sein, auszubrechen und mit seinem Fahrrad zunächst unbehelligt eine Runde mitzufahren. Von der Polizei hinterher befragt, sagte der Mann aus, er habe sich gute Siegchancen ausgerechnet. Ich mußte an Borussia denken und hoffe, der Schein trügt, daß hier jemand kurz aus der Zweiten Liga entsprungen ist im Wahn, er könnte mit den bislang gezeigten Anstrengungen in der Bundesliga bestehen. Gegen solche Eindrücke helfen keine Pillen, nur Punkte. Am besten direkt im nächsten Spiel.

Es grüßt Dich an ein Borussia-Kissen gelehnt, doch ohne Borussia-Krawattennadel (die ist runtergefallen und zerbrochen, aber man kann sie noch kleben),

Dein Joachim

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