Mittwoch, 18. Februar 2009

seitenwechsel #74

Auch wenn Borussia mit zehn Mann verteidigt, zwei gehen immer in die Offensive: Der heiß geliebte Seitenwechsel deutet Woche für Woche die VfWeLt. Joachim spricht sich heute gegen Statistik und für Videotext aus, was Martin sehr verwirrt – nachzulesen in seiner Antwort bei Seitenwahl.

Lieber Martin,

was ist nur aus uns geworden? Ein Volk von Rechnern und Bedenkenwälzern! Wir spielen unentschieden in Bremen und sind dennoch enttäuscht, weil unser Tabellennachbar so langsam außer Reichweite entschwindet. Wir üben uns in mathematischen Kunstfertigkeiten, um zu ermitteln, ob wir schon am 26. oder erst am 27. Spieltag absteigen können, und dennoch müssen wir feststellen, daß Mathematik und Statistik nur Glitterzeug sind; Tand und Tinnef ohne Bedeutung.

Warum? 21:3. 35:5. Ersteres sind die Torchancen von Bremen und Mönchengladbach laut kicker, letzteres die Torschüsse laut ARD-Videotext. Mathematisch sehr simpel: Beides ergibt 7:1 für Bremen. Und wir ging das Spiel dann tatsächlich aus? Eben.

Was entnehmen wir daraus? Das hängt wohl von der Erwartungshaltung ab. Das Spiel war spannend, sehr sogar. Es kannte Höhen und Tiefen; von Frustration in der 77. Minute über ungläubige Erleichterung in der 79. Minute zu Nagelbeißen danach und schließlich einem satten Plumps auf den Allerwertesten nach gefühlten zwanzig Minuten Nachspielzeit. Und gleichzeitig war das Spiel Schrott. Eine Mannschaftsleistung wie bei einem Zweitligisten, höchstens. Das ist gar nicht beleidigt, anmaßend oder anklagend gemeint, sondern einfach als Feststellung. Wenn Du so spielst, holst Du ab und zu mal einen Punkt, auch einen überraschenden, aber große Sprünge nach oben machst Du in der Tabelle nicht.

Ich will jetzt gar nicht über das Spielsystem reden. Historiker kennen es aus dem Siebenjährigen Krieg. 1759 agierten die Preußen in der Schlacht bei Kunersdorf erstmals mit einem derartigen 12/0/-1 – System, mit verheerenden Folgen übrigens, weswegen das System bis zum italienischen Griechenland-Feldzug 1941 in den Taktikbüchern verstaubte. Inzwischen findet es außerhalb des Irak keine Anwendung mehr, bis letzten Samstag, doch darf bezweifelt werden, ob ein weniger vorbelastetes System erfolgversprechender gewesen wäre. Man kann den Bremern ja nichts vorwerfen. Sie haben sich bemüht, aber halt nicht getroffen. Daß vor Bailly noch zehn andere Borussen spielten, fiel dabei weiter nicht auf, obwohl ich Steve Gohouri bei diesem kleinen Rundumschlag mal ausnehmen möchte.

Nun hoffen also alle auf Dante; wie passend. Dantes Hauptwerk war bekanntlich „Die Komödie“ (später als „Göttliche Komödie“ noch bekannter), die in der Hölle beginnt, dann ins Paradies führt und mit Selbstläuterung und Buße endet, ob in Liga eins oder zwei, ist dabei nicht überliefert. Die Details lasse ich mal weg, weil sie hier nicht interessieren (was bedeutet, daß ich sie gerade nicht präsent habe und nicht googeln möchte). Ich bin aber übernächste Woche dienstlich in Florenz, dem Geburtsort Dantes; wenn es Fragen gibt, was das alles bedeutet und warum Dante also jetzt für Borussia spielt, obwohl er eigentlich seit rund sieben Jahrhunderten tot ist, dann frage ich ihn. Ansonsten warten wir einfach auf ihn und hoffen, daß er uns gleichermaßen Punkte sichert wie Bailly. Beide haben zweieinhalb Millionen Euro gekostet, da müssen sie ja gleich gut sein (Mathematik! Siehe oben.).

Apropos Bailly: Kein Tag im belgischen Videotext ohne Bailly. Nach dem Spiel in Bremen hat ein Telefonat eines belgischen Sportsenders mit ihm dazu geführt, daß die ersten vier Hauptseiten des Videotextes ausschließlich über seine Leistung in Bremen gingen. Sämtliche Stellungnahmen von Trainer und Mitspielern wurden gesammelt und übersetzt, um zu dem Schluß zu gelangen, daß hier endlich mal ein Belgier so richtig in der Bundesliga Fuß gefaßt hat (nun ja… Wie lange?). Höhepunkt war die Erwähnung, daß er in der Elf des Tages beim kicker stand. Die anderen zehn Spielernamen wurden gleich mitgeliefert. Kurzum: Belgien dreht am Rad, und ich bin sicher, Peter van Houdt, Joris van Hout und der Nico vom Friedhof erkundigen sich bereits über neue Verträge.

Fehlen nur noch Details: Hannover weghauen, Klasse halten, Champions League. Wie sagte einmal ein Deutscher Banker? Peanuts. Er hatte recht: Seiner Bank geht es nach wie vor gut, trotz Krise. Alles eine Frage der Einstellung, und die muß man einfach nur vorleben.

Es grüßt Dich somit von Sieger zu Sieger

Dein Joachim

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