VIP, der/die; -, -s [Abk. für engl. very important person: "sehr wichtige Person"]: Wenn Industriebosse hochverschuldeten Fußball-Klubs Millionen-Spenden angedeihen ließen, wenn Sportfunktionäre über die mafiöse Realisierung eines Stadionumbaus gleichmütig hinwegsehen sollten, wenn Sponsoren erfolgreich bestochen wurden, um auch in der nächsten Saison ihr Scherflein zur nach wie vor im Tabellenmittelfeld dümpelnden Mannschaft beizusteuern oder einfach, wenn sich der Geldadel vor Ort in der Nähe des einfachen Volks sehen lassen und zugleich lokales Fußballcholorit demonstrieren wollte, dann enstanden ab etwa Mitte der 90er Jahre VIPs (very important persons).
Wegen seiner enorm negativen Konnotation wird vom Begriff „VIP“ jedoch seit einigen Jahren Abstand genommen. So wurde vermehrt festgestellt, dass das für ein angemessenes VIP-Erlebnis notwendige einfache Stadion-Volk es nicht goutierte, als Fans zweiter Klasse wie wirtschaftlich unrentables Füllwerk behandelt zu werden. Der Fan, traditionelles Gegenstück zum VIP, wurde unruhig und drohte, würde er weiterhin weniger bauchgepinselt als sein vermeintlicher VIP-Gegenpol, die Unterstützung des Vereins einzustellen.
Infolge dieser Streikdrohungen wurden in vielen Stadien die Durchmesser der Bier-Pipelines vergrößert, die Bratwurst schwerer und der Stufenabstand auf den exorbitant ausgeweiteten Stehplatztribünen massiv angehoben, um auch klein gewachsenen Fans ein maximales Stadionerlebnis zu ermöglichen. Außerdem ist auch der VIP seither mehr oder weniger aus Deutschlands Stadien verschwunden. Statt seiner gibt es neuerdings Zuschauer, die auf so genannten Business Seats oder in Logen Platz nehmen. Sie sind funktional äquivalent mit dem VIP, operational treten sie aber professioneller auf und verleihen sich den Anschein eines lediglich betuchteren Fans.
Ob es sich bei der postmodernen Form des Business-Seat-Zuschauers wahrhaftig um richtige, wenngleich materiell besser gestellte Fans handelt, oder ob sich der konventionelle Fan seiner weiter voranschreitenden kommerziellen Ausbeutung als Stadion-Füllwerk lediglich nicht bewusst wird, ist bisher nicht hinreichend erforscht. Der VIP jedenfalls ist mittlerweile ein Relikt vergangener Jahre, als Fußballvereine noch weniger skrupulös die komplette ökonomische Wertschöpfung avisierten und VIPs für hinreichend effizient befunden wurden.
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Samstag, 2. Juli 2005
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1 Kommentar:
"Der Fan, traditionelles Gegenstück zum VIP,..."
schön :-))
..., aber wertet das nicht ein bißchen?
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