Dienstag, 29. Juli 2008

dramulett-dienstag #13: das nähen von weißem leder in sengender hitze

Die Spielpause im Sommer ist einerseits lästig, andererseits bringt sie einen bunten Strauß voll kulturellem Hochgenuss zum Erblühen. Nur noch wenige Male, bevor der Fußballzirkus wieder losbricht, spielt unser VfLog-Theater-Ensemble. Vergangene Woche gab es die hochgelobte Uraufführung von Martin Zierolds neuem Klassiker "Latte, Pfosten, Tor". Und auch in dieser Woche gibt es wieder ein Schmankerl.

Gleißendes Licht. Ein leerer, 2x2 Meter großer roter Kasten; Boden, Deckel und drei Seiten geschlossen; an der vierten Seite rot lackierte Gefängnisstäbe. In einer Ecke des Kastens eine kleine Webcam.

Black.

Gleißendes Licht. In einer Ecke des Kastens hockt zusammengekauert ein komplett weiß gekleideter und geschminkter Mann. Ein ebenfalls weißer Ball liegt herum.

Black.

Gleißendes Licht. Der Kasten ist wieder leer.

Aus dem Off: Sie sehen mich nicht, weil sie mich nicht sehen wollen. Sie haben sich vorgenommen zu ignorieren, vermutlich sogar im vollen Bewusstsein eines Unrechts, das geschieht. Würden Sie wagen, mir in die Augen zu blicken: Sie sähen sich selbst und würden den Blick sofort wieder abwenden. Doch soweit lassen Sie es gar nicht kommen. Sie verschließen die Augen.

Black.

Gleißendes Licht, der weiße Mann ist zurück im Kasten, den Ball auf dem Arm.

Mann spricht zum Publikum, genervt: Es ist hell hier, ich weiß. Aber nehmen Sie es positiv: Einen kurzen Moment wenigstens können Sie mich anschauen und sich trotzdem weiter blenden lassen.
Der Ball fällt aus den Armen, er prallt auf den Boden, angeekelt: Weißt du was: Ich hasse dich. Ich bin der einzige, der dir wirklich nahe ist, seit acht Jahren, seitdem du Gefangener der DFL bist. Alle schauen dich geil an, aber nicht du bist es, der sie geil macht, sondern das, was nach dir kommt. Dich kann man nicht Mensch nennen, du bist nichts weiter als ein Logo. Seit acht Jahren hockst du hier in deiner Zelle. Niemand kümmert sich um dich, nur ich. Und du trittst mich mit Füßen, so oft es geht, so oft die es wollen.
M: Du bist ein Ball. Ich dachte, du liebst es, wenn du getreten wirst.
B: Ich liebe es, gestreichelt zu werden.
M: Aber wenn ich dich streichel, treten sie mich.
B: Du bist ein Opportunist.
M: Aber wieso beklagst du dich erst nach so langer Zeit?
B: Du hast ja nie etwas gesagt. Ich dachte, du kannst gar nicht sprechen.
M: Aber mit wem sollte ich mir hier unterhalten? Ich dachte, du kannst nicht sprechen.

Der Mann hebt liebevoll den Ball auf. Warmes, gelb-braunes Licht.

M, besorgt: Oh Gott, du bist ja hier auf dem Rücken aufgeplatzt. War ich das?
B, beschämt: Ja, ich glaube schon. Schon letzte Woche, als du für den neuen DFL-Spot immer wieder auf mich eingetreten hast.
M: Oh Gott, das tut mir leid. Du musst jetzt die Zähne zusammen beißen.

Mann reißt sich ein weißes Kopfhaar aus und beginnt, die Wunde zu nähen.

B: Aua.
M: Es ist das letzte Mal, dass ich dir weh tue. Diese Naht wird ewig Zeichen unserer Freundschaft sein.
B: Und wenn sie wieder kommen?
M: Ich übe jetzt Tag und Nacht, wie ich dich am besten mit meinen Füßen streicheln kann.
B: Auja!

Black.

Gleißendes Licht. Der Kasten ist wieder leer.

Aus dem Off:
Sie haben nichts verpasst, nur ein bisschen Leben. Aber das kennen Sie ja schon. Jetzt gleich geht das Licht aus. Dann verschwinden Sie endlich! Kaufen Sie sich eine Sitzplatzkarte für Wolfsburg gegen Leverkusen. Alles wird gut.

Black.

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