Montag, 6. August 2007

"dieses spiel gewinnst du - und das war's dann!"

Der zweite Teil des VfLog-Interviews mit VfL-Coach Claus-Dieter Wollitz. (Teil 1 | Teil 3 | Teil 4)

Was haben Sie beim Trainerlehrgang in Köln schon gelernt?


Wir hatten letzte Woche „Kommunikation – Rhetorik – Wahrnehmung“. Wie man zuhört, wie man sich artikuliert. Da habe ich was dazu gelernt, keine Frage, und ich werde auch noch weiterhin dazulernen. Für mich ist ganz einfach wichtig, dass jeder Trainer, der in dem Bereich arbeiten will, diesen Trainerschein machen muss.

Sie ärgern sich nicht darüber, dass Sie jetzt zwei Tage in der Woche in Köln sein müssen?

Das war vorher klar, dass ich das machen muss. Was für mich entscheidend ist: Der Lehrgang an sich mit den Teilnehmern, die dabei sind, ist sehr angenehm, sehr positiv. Viele nette Leute. Darüber hinaus nutze ich diesen Lehrgang auch, um mich weiter zu entwickeln. Der Stand, den ich habe, was zum Beispiel Trainingslehre betrifft, muss ja nicht der aktuellste sein, daher erwarte ich auch, dass ich das ein oder andere noch mitbekomme, was ich hier in die Mannschaft neu einbringen kann. Und wenn was dabei ist, was ich nicht brauche, muss ich das eben auch mitmachen. Das mussten aber meine Vorgänger oder Kollegen auch irgendwann mal.

Wie sehr stört das, dass Sie während der ersten Saisonphase nicht immer bei Ihrer Mannschaft sein können?

Mit dem Team aus Co-Trainer Meyer, Physiotherapeut Schröder, Manager Gans und Fitness-Coach Bartlett sind wir eingespielt. Wir machen das jetzt im vierten Jahr. Natürlich wäre ich gerne Anfang der Woche da, aber jeder wusste über das Problem bescheid: Wenn der DFB keine Sonderregelung mehr gibt, muss ich nach Köln. Das war dem Verein bekannt, seit ich 2004 hierher gekommen war, weil ich sofort gesagt habe, dass ich nur die Scheine bis zur Regionalliga habe. Ich denke auch, dass die Spieler damit umgehen können, weil das Profis sind und weil sie ein Ziel verfolgen, und das Ziel kann ja nur "Klassenerhalt" heißen . Wenn dann montags und dienstags der Cheftrainer nicht da ist, muss man da trotzdem professionell mit umgehen.

Das entscheidende Spiel gegen Ahlen, die Schützenhilfe von St. Pauli sind jetzt gut zwei Monate her. Wie oft lehnen Sie sich heute noch zurück und denken: „Geil!“

Ich lehne mich überhaupt nicht zurück. Zurücklehnen ist Rückschritt, und Rückschritt mag ich nicht. Wir haben natürlich die ersten Tage direkt nach dem Aufstieg genossen, ich habe mit der Mannschaft und auch im Freundeskreis gefeiert. Aber dann war relativ schnell klar: Ich kann keinen Urlaub machen, weil ich die neue Mannschaft mit zusammenstellen muss. Ich freue mich aber jetzt noch mehr als vor sieben Wochen, weil man jetzt eigentlich erst so richtig fühlt, in welcher Liga man angekommen ist. Der Kicker hat eine Serie gemacht über die "erste Sahne", die es in dieser Zusammensetzung in der zweiten Liga noch nie gegeben hat. Ich würde sagen, die wird es auch nie wieder geben, weil sich die Favoriten durchsetzen werden und gleichzeitig von oben die Vereine absteigen, die man immer im Fokus hat, dass sie die erste Liga nicht schaffen. Von daher bin ich einfach stolz, dabei sein zu können. Unser Ziel muss aber sein, diese Klasse zu halten. Nur dann kannst du hier weiter an den Visionen arbeiten, daran, dass sich Spieler entwickeln, dass im Stadion und im ganzen Umfeld etwas passiert. Das ist das Ziel, und dafür müssen wir alles tun. Ich habe da eine gewisse Gelassenheit, eine gewisse Zuversicht. Ich bin nicht euphorisch, aber ich bin auch nicht pessimistisch. Wir haben eine Chance – und die wollen wir nutzen.

War Osnabrück in der vergangenen Saison die zweitbeste oder die zweitglücklichste Mannschaft?

Man muss natürlich die gesamte Saison sehen: In der Hinrunde hat die Mannschaft gezeigt, dass sie Potenzial hat, wenn der Druck nicht da ist. Sie hat aber auch gezeigt, dass, wenn der Druck dazu kommt, dieses Potenzial nicht so da ist wie es sein müsste, wenn man aufsteigen will. Da kamen viele Faktoren zusammen. Die Liga war ja insgesamt sehr ausgeglichen, sonst wären St. Pauli und Osnabrück auch nicht aufgestiegen. Mit 63 und 62 Punkten kannst du normalerweise nicht aufsteigen, du brauchst eigentlich 70. Aber die anderen Mannschaften mit 58, 59 Punkten hätten normalerweise auch nicht im Fokus der Aufstiegskandidaten mitgespielt. Ich weiß nicht, ob das verdient oder unverdient war. Aber ich sag immer: Wer am letzten Spieltag die beiden Aufstiegsplätze belegt, hat’s dann vielleicht doch irgendwie wenigstens ein bisschen verdient.

Vor der vergangenen Saison waren Sie zuversichtlich, sich gut verstärkt und den Kader klug verbreitert zu haben. Am Ende fehlten doch wieder Alternativen auf manchen Positionen. Warum?


Weil sich dann bei manchen Spielern persönliches Ego entwickelt, persönliche Interessen. Bei anderen entwickeln sich Enttäuschungen, mit denen der eine besser umgehen kann als der andere. Außerdem hatten wir am Saisonende einfach unerklärlich viele Verletzte. Die ganze Zeit vorher war nichts, warum dann gerade da am Ende? Das ist schwierig. Aber zentral bleibt: Ich finde, der ein oder andere Spieler ist mit der Situation falsch umgegangen. In der Zeit Februar/März/April, da haben wir einfach zu viel liegen gelassen, weil wir uns zu sicher gefühlt haben, obwohl ich das intern immer angemahnt habe. In diese Situation haben wir uns selber rein gebracht, und in der Folge kam natürlich auch Kritik – intern und von außen. Dann hat man gesehen, dass der ein oder andere Spieler nicht so gefestigt ist.

Vor dem Pokalspiel gegen Gladbach - schon Ende Oktober - hatten Sie scheinbar erwogen, nach einem möglichen Sieg zurückzutreten. Offenbar war das eher ein Spaß. Wie kommt man auf so ein Hirngespinst?

Also Spaß würde ich das nicht nennen. Das war einfach so, dass in der Phase damals, wie das in Osnabrück leider sehr oft der Fall ist, die Erwartungen in eine Dimension schossen, der man hier nicht gerecht werden kann. Gleichzeitig war das so eine Findungsphase der Mannschaft, und es zeichnete sich eine klare Tendenz nach oben ab, obwohl wir da noch Siebter oder Achter waren. Und da hab ich für mich einfach gesagt: „Weißt du was: Dieses Spiel gewinnst du – und das war’s dann!“ Ich war vorher total überzeugt davon, dass wir das Spiel gewinnen, das habe ich auch der Mannschaft gesagt: "Wenn wir uns nicht großartig blöd anstellen, können wir das Spiel gar nicht verlieren." Weil da auch bei Gladbach einfach schon eine Tendenz zu erkennen war. Wenn du dann als Regionalligist gewinnst, haben sich wieder alle von jetzt auf gleich lieb und liegen sich in den Armen, und alles ist toll. Alle sagen: „Da wird super gearbeitet!“ Dieses Verhältnis, das passt für mich einfach nicht. Wenn man alles nur von einem Spiel abhängig macht, bin ich der falsche Trainer.

Warum sind Sie dann nicht zurückgetreten?

Weil ich das dann gegenüber der Mannschaft und dem Verein als ungerecht empfunden hätte. Genauso wie nach dem Aufstieg zu sagen „Ich geh jetzt“. Obwohl ich mein Ziel erreicht habe. Wenn ich gegangen wäre, kann ich persönlich da ja nur durch gewinnen. Ich könnte ja sicherlich auch irgendwie begründen, warum ich gehe. Aber das macht man nicht. Außerdem ist meine Mission erst dann erfüllt, wenn die Mannschaft nach dem Aufstieg auch die Klasse hält. Das habe ich damals gesagt, als ich angefangen habe: Wenn ich aufsteige, dann halte ich die Mannschaft in der zweiten Liga. Dafür arbeite ich jetzt.

Am Mittwoch, im dritten Teil, verrät Claus-Dieter Wollitz , was er sich nicht mehr bieten lässt, warum Dave de Jong nicht mehr für Osnabrück spielt und wieso Gladbach jetzt Zweitligist ist.

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