Donnerstag, 21. Dezember 2006

seitenwechsel #19

Auf schillernde Juwelen kann man von vielen Seiten blicken und staunen. Seit 1997 bereits beobachtet Seitenwahl für seine Leser das Gladbacher Geschehen, 2004 gesellte sich der VfLog dazu. Beide Projekte haben ihren eigenen unverwechselbaren Charme. Seit Beginn der Saison 06/07 gibt es nun den SEITENwechsel: Seitenwahl und VfLog haben einen Briefwechsel begonnen, in dem alles möglich ist: Fachsimpelei, Verbalfouls, Streit und Harmonie. Solange die Tinte reicht, wird auf Seitenwahl und auf dem VfLog Woche für Woche der Brief der jeweils anderen Seite veröffentlicht.

Unten der neunzehnte Seitenwechsel, diesmal hat wieder einmal Mike den Anfang gemacht. Martins Antwortbrief findet ihr bei Seitenwahl.


Lieber Martin, lieber Maik,

ich bin müde, geistig müde. Seit Freitag Abend schon sitze ich jeden Tag am Rechner, will Euch schreiben. Etwas Nettes, etwas Passendes, das zur Jahreszeit passt. Nur blieb das Blatt respektive der Bildschirm meist leer. Landauf, landab, quer durch alle Zeitungen und Foren liest man sachliche und weniger sachliche Analysen. Überall kommen die Ratten aus ihren Löchern, die nervigen "Ich-habs-ja-immer-gewusst"-Blender, die sich in solchen Zeiten zu vermehren scheinen. Natürlich wäre es auch an uns, SEITENWAHL, der momenten Situation den richtigen Anstrich zu geben. Aber ich kann nicht, und ich will nicht. Ich bin froh, dass jetzt Pause ist.

Normalerweise fallen in solchen Emails und Artikeln oft Floskeln wie "Es wird Zeit, zur Ruhe zu kommen, das Jahr zu reflektieren" usw. Das Jahr reflektieren! Manchmal frage ich mich, ob die Menschen dies automatisiert machen oder nur, weil sie ständig lesen, dass es von Jedermann gemacht würde.
Ich habe mir eben unseren ersten SEITENwechsel durchgelesen, vier Monate ist das nun schon her. Martin schrieb mir seinerzeit, dass es die viele Optimisten waren, die Gladbach oft zum Verhängnis wurden, da sie oft mit sehr viel Zuversicht in die Saison gestartet waren, um am Ende - bitter enttäuscht - den Kopf des Trainers zu fordern. "Think pink!", und das bis zum Ende; das hatte Martin seinerzeit gefordert. Dem Optimisten, das schrieb ich Euch damals, haftet oft das Etikett des Naiven an. Ich sehe das anders. Der Optimist geht mit seiner Meinung voran, er prescht vor. Auch auf die Gefahr hin, dass er sich eine blutige Nase holt. Der Pessimist hält sich meist bedeckt und kommt dann aus der Sonne. Wirkt unheimlich clever, ist es aber nicht. Etwas Positives hat die sportliche Krise in Mönchengladbach allerdings: wir haben bei SEITENWAHL deutlich mehr Besucher. Die Menschen gieren dann doch mehr nach negativen Schlagzeilen, weil dann jeder einen Lösungsvorschlag hat, wie es besser zu laufen hat.

Wieviel Seiten hätte wohl ein Thema "Danke Peter Pander, dass Du nicht vier Millionen Euro für Valdez ausgegeben hast!" in den bekannten Foren? Zur Erinnerung, das war der Wunderstürmer von Werder Bremen, den sich viele Fans gewünscht haben und der bisher ein ganzes Tor für den BVB geschossen hat (im DFB-Pokal). Aber nein, Heynckes und Pander haben sich im Sommer hingesetzt und überlegt, welcher Spieler auf dem europäischen Markt die besten Chancen hat, zum absoluten Flop zu werden? Verletzungsanfällig sollte er noch sein! "Wenn schon Gegenwind im Winter, dann richtig", werden sich Pander und Heynckes gedacht haben. Ist gar nicht so einfach, da halb Europa zur Borussia wechseln wollte, freiwillig natürlich. Und natürlich hat jeder Fan der Borussia schon vor Monaten gewusst, dass Theofanis Gekas ein absoluter Top-Stürmer ist. Nur der blinde Pander, der holt den nicht!

Entschuldigt meinen Zynismus so kurz vor dem Fest der Liebe. Ich werde mich herunterzählen, mir einen Kaffee kochen, eine Zigarette rauchen und heute Abend mit meiner Freundin, die als FC-Fan noch viel mehr durchmacht, ins Kino gehen. Der Gutschein zu diesem Abend war heute in meinem Adventskalender, den sie mir gebastelt hat. Es sind eben doch die kleinen Dinge im Leben, die das Glück bedeuten. Was bedeutet schon ein 16. Tabellenplatz der Borussia gegen ein kleines "duplo", das morgens mit einem lieben Zettel in meine Tasche gelegt wird?

Im neuen Jahr wird es weitergehen. Ich werde bis zuletzt meinen Optimismus nicht verlieren, auch wenn es mitunter schwer fallen wird. Ich glaube an die Mannschaft, ich glaube an Heynckes. Wissen kann ich es nicht. Selbst Heynckes bezeichnete mich als Ahnungslosen, doch ist es ein schönes Gefühl, damit nicht allein zu sein.

Frohe Weihnachten & bis nächstes Jahr!
Herzlichst
Mike

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