Sonntag, 29. Mai 2005

große gefühle

"Wenn man hier aufläuft und dann sieht, was Ihr Euch alles einfallen lasst, dann hat man schon mal eine Träne im Auge", bekannte Mannschaftskapitän Markus Feldhoff nach dem Abpfiff, als er sich per Stadionmikro an die Fans wandte und sich für die unglaubliche Unterstützung während der ganzen Saison bedankte. "Für eine Mannschaft, von uns verehrt, war jedes Spiel die Reise wert", stand da diesmal in großen Lettern auf Transparenten in der Ost-Kurve. Die Spieler kamen bereits vorher zum Aufwärmen Hand in Hand aus der Kabine und zahlten in gleicher Münze voraus: In Buchstaben-T-Shirts gehüllt war jeder einzelne Kicker Teil einer langen "Danke! Danke! Danke!"-Kette, auch die verletzten Fabian Ewertz und Wolfgang Schütte waren dabei. Die Mannschaft drehte derart vereint eine Art Ehrenrunde, aber nicht sich sondern ihren Fans zu Liebe. Die Stimmung war also schon zu Beginn dieses letzten Heimspiels geradezu rührselig.

Was folgte, ist einmal mehr so unglaublich, dass es sich vermutlich am besten mit "Typisch VfL" beschreiben lässt: Ein 4:3-Sieg gegen den Wuppertaler SV nach einem mitreißenden, beherzten Fight und nicht ohne Zittern; ein Spiel, dessen Verlauf ein frühes, nicht viel beachtetes Werk vom Regisseur des mittwöchlichen Champions-League-Finals war.
Pele Wollitz hatte die Abwehr umgestellt, Dave de Jong ins Mittelfeld geordert und Daniel Flottmann in die Innenverteidigung neben Jan Schanda gestellt. Dieser Wechsel brachte gerade in der Anfangsphase einige Unsicherheiten mit sich, so fielen auch die ersten beide Tore der Wuppertaler nach Abstimmungsschwierigkeiten in diesem Mannschaftsteil. Es scheint beinahe, der VfL können nicht gewinnen, ohne nicht vorher in Rückstand zu geraten. Das 0:1 (8.) stellte jedenfalls recht früh klar: Kein souveräner Sieg; wenn es noch was werden soll mit dem Aufstieg, dann bedarf es mal wieder eines Kraftakts. Ähnliches dachte sich wohl auch Markus Feldhoff, der in der 29. Minute beim Elfmeter Gästetorwächter Christian Maly eindrucksvoll in die komplett falsche Ecke schickte, um dann ebenso treffsicher den anderen Pfosten anzupeilen. Es sollte ja spannend bleiben. Deshalb gingen die Wuppertaler nach dem zwischenzeitlich doch verbuchten Ausgleich (Reichenberger, 33.) kurz vor der Pause auch wieder in Führung - wohlgemerkt in einer Spielphase, in der der VfL drückend überlegen war und recht eindrucksvoll nach vorn spielte. Es war eine Frage der Zeit, wann das nächste Tor fiel; dass es aus einem Wuppertaler Konter resultierte und auf der falschen Seite fiel, war nicht vorgesehen, ist aber angesichts des dann folgenden Spielverlaufs für die Dramaturgie nicht wegzudenken.

Man fürchtete ein wenig, der VfL könnte womöglich in Lethargie und ungeduldige Konzeptlosigkeit zurückfallen, doch weit gefehlt. In der zweiten Halbzeit legte die Wollitz-Truppe noch eine Schippe drauf. Der Trainer bewies gleichermaßen Mut wie Händchen, schließlich standen mit Jank, Menga, Reichenberger und Feldhoff in Halbzeit Zwei vier etatmäßige Stürmer auf dem Platz, Wollitz spielte zeitweise 4-2-4 - wenngleich zumeist Menga oft hinter den Spitzen agierte -, und seine Rechung ging auf. Publikumsliebling Menga sorgte erst für den Ausgleich (54.), dann staubte er nach einem druckvollen und sehenswerten Latten-Kopfball seines Kapitäns auch noch zur Führung ab (67.). Ebenfalls nach einem Lattenkracher, diesmal in Folge eines De Jong-Freitstoßes, machte Markus Feldhoff, der einmal mehr unter Beweis stellte, dass er für die Mannschaft unersätzlich ist, mit dem 4:2 (73.) alles klar, jedenfalls so einigermaßen. Die Führung war hochverdient, die Mannschaft hatte mal wieder ein Spiel unnachahmlich und mit einer beachtlichen Energeileistung gedreht, sie konnte, das stimmt vielleicht am hoffnungsvollsten, dabei sogar auf spielerische Mittel zurückgreifen, wurde nie ungeduldig und war in den entscheidenden Situationen eiskalt. Das Stadion stand Kopf, nach langer Zeit wurde einmal wieder der lila-weiße Walzer "Oh, wie ist das schön" angestimmt. Bei solchen Spielen weiß man eben, dass die Liebe zum VfL auf Gegenseitigkeit beruht.
Gut, der VfL wäre nicht der VfL, wäre es nicht nochmal ein bißchen spannend geworden. Etwas zu sehr in Sicherheit wiegend, fiel natürlich noch der 4:3-Anschlusstreffer (88.), aber mit ein bißchen Zittern macht Siegen ja auch viel mehr Spaß.

Am Ende Jubel, Trubel, Heiterkeit! Es macht Stolz zu sehen, wie versöhnt und herzlich Mannschaft und Fans miteinander umgehen. So stockte Markus Feldhoff während seiner Ansprache am Ende das ein oder andere Mal die Stimme, das Dankeswort fiel denn auch sympathisch kurz aus. Ach ja: Freibier gab's auch noch, 700 Liter von Mannschaft, Verein und Sponsoren. Was für ein Spiel!

Einzig die Konkurrenz ziert sich, dem VfL am Ende doch noch den Aufstieg zu ermöglichen. Braunschweig schlägt Paderborn. Damit greift Szenario 1; am letzten Spieltag müssen zwei Teams patzen: Lübeck darf nicht in Chemnitz (Gott sei Dank noch nicht gerettet) gewinnen und/oder Braunschweig muss gegen Bielefeld (abgestiegen) verlieren und/oder Paderborn muss in Wolfsburg (auch abgestiegen) verlieren. Träumen wir?

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

"...ein Spiel, dessen Verlauf ein frühes, nicht viel beachtetes Werk vom Regisseur des mittwöchlichen Champions-League-Finals war..."

Köstlich.

"nach langer Zeit wurde einmal wieder "So ein Tag, so wunderschön wie heute" angestimmt"

Ich meine, es wäre der "Lila-weisse Walzer" gewesen, welcher allerdings nächste Woche noch einmal geübt werden sollte.
Man kannte weitenteils schon das Zwischenergebnis aus Paderborn, was doch viele erstmal nachdenklich werden liess.

sk

Maik hat gesagt…

Du hast natürlich vollkommen recht: Es war der Walzer, und ich war wohl noch etwas benommen. Danke für den Hinweis. Möge er nächste Woche noch lauter erklingen.