Montag, 20. Februar 2006

kater nach eigentor

Als Cristian Lell beherzt zum 1:0 einnetzte, am Samstag gegen 16:40 Uhr, da bestellte ich - übrigens in völliger Unkenntnis der Ereignisse im fernen Borussiapark und stattdessen im fragwürdigen Siegestaumel über den souveränen 2:1-Sieg meines VfL - gerade mein erstes Gläschen Weißwein in einem Hamburger Café. Smudo war übrigens diesmal nicht dabei, wie überhaupt niemand da war, der die Ereignisse des Nachmittags richtig einzuordnen imstande gewesen wäre. Ich war allein.

Noch eineinhalb Stunden lang war es ein froher Samstag, weil ich mir verbeten hatte, dass Martin mich über das Spiel in Gladbach ins Bild setzt. Die eineinhalb Stunden bis zur Sportschau waren friedlich; was dann folgte, war Ärger. Auf das erste Gläschen folgten weitere, und der Abend hätte mehr verdient gehabt, als sich mit Weißwein und später Bier und Gin zu betrinken. Er hätte Champagner verdient gehabt, wenn absehbar wäre, dass die Fohlen-Verantwortlichen zügig die richtigen Konsequenzen aus diesem Spiel ziehen werden.

Man musste bereits im August vergangenen Jahres kein allzu gewandter Prophet sein, man brauchte keine Kristlallkugel und bedurfte keiner Handleserei um vorauszusehen, dass nicht alles Gold war in Gladbach, was Gold glänzte. Opa Hotte samt Schneuzer und Glatze zum Beispiel war schon damals kein Garant für modernen Fußball. Horschtl hat die Fohlenelf - dafür danke! - vor dem Abstieg gerettet, anschließend wurde sein Trainertalent - leider! - mächtig überhöht. Er hat den VfL nach fast zwei Dritteln der Saison auf Tuchfühlung zu den UEFA-Cup-Rängen gebracht, das hat viele Jahre niemand mehr geschafft. Doch es sei mir - und dafür mag man mich getrost undankbar schimpfen - gestattet anzumerken: Wo erst stünden wir ohne ihn?

Gestern Abend sagte Michael Degen sinngemäß im großen RTL-Block-Mega-Giga-Dolly-Buster den wahren, für Privatfernseh-Verhältnisse schon weisen Satz: "Es ist nicht schlimm, einmal umzukehren. Schlimm ist nur, wenn man es zu spät tut!" Was so oft im Leben wahr ist und so selten wirklich Konsequenzen zeitigt, das soll doch wenigstens dort Anklang finden, wo Leidenschaft ein Leben lang wirkt: Bei der Liebe zu den VfLs. Es mag pessimistisch klingen, aber wenn es so weiter geht wie bisher, verspielt die Borussia die Riesenchance für eine komfortable Ausgangsposition in der kommenden Saison. Deshalb ist die Zeit reif für Frontalattacken, mh!?

Die Truppe mit jungen Spielen wie Jansen, Bögelund, Broich oder Sonck hat das Potenzial, zu einer Klasse-Mannschaft zu werden, mit Spielwitz, Courage und Geschick. Dafür braucht es zweierlei: Einen neuen Trainer, einen, der für Fortschritt, Konzept und Moderne steht. Und eine langfristige Strategie. Für beides hat die Borussia erstmals seit langem wieder Zeit, weil sie nicht in den Wirren des Abstiegskampfes dümpelt. Bis zum Beginn der kommenden Spielzeit könnte eine Fohlenelf geformt sein, die diesen Namen verdient - das nämlich hat Köppel nicht geschafft. Nötig ist dafür eine Wachablösung, und zwar eine stilvolle. Mit dem Übergang von Meyer zu Lienen hat der VfL so etwas schon einmal geschafft. Horschtl hat so eine respektvolle, aufrichtige Wachablösung verdient; die Mannschaft hat sie bitter nötig.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Maik und Martin, ihr bekommt in dieser Frage meine volle Zustimmung. Wenn das die Spielweise ist, mit der wir uns bei dem Potenzial, das diese Mannschaft zweifelsohne besitzt, zufrieden geben wollen, dann ist das nicht mein VfL. Und trotz der Freude über den Sieg gegen den FC: So viel Dusel hat man nicht oft.
Ich musste meine Meinung über Köppel in den letzten Monaten auch revidieren. Wir haben ihm viel zu verdanken, keine Frage. Und er mag auch ein Mann sein, den viele Fans als "einen von uns" bezeichnen. Aber eines ist er sicher nicht: Der Mann, der die Weichen für einen Neuanfang stellt.

Anonym hat gesagt…

Weise gesprochen! Selbst wenn eine Passage des Kommentars schwer verständlich bleibt: Was ist eine "Kristlallkugel"?

Maik hat gesagt…

Zur Erklärung: Eine "Kristlallkugel" ist der Stumpf eines besonders aufwändig geblasenen Weizenbierglases, das in Fußballerkreisen immer öfter der schnöden Kristallkugel einer ordinären Wahrsagerin den Rang abläuft.