Und sie schreiben und schreiben und schreiben. Zum 81. Mal geht die Post ab. Während Martin auf Seitenwahl hadert und um seine Gesundheit fürchtet ist Joachim in dieser Woche ganz euphorisiert: alles wird gut. Dank Bielefeld und dem stinkenden Geißbock. Wenn das keine Aussichten fürs Wochenende sind.
Lieber Martin,
ich verstehe Deine Gefühlslage vollkommen: Wohin Du auch schaust, stets ist da Bielefeld. Für einen Ort, den es gar nichts gibt, ist das ganz schön bemerkenswert. Und tatsächlich, auch ich wähne mich manchmal von kleinen, ärgerlichen Bielefelds umgeben. Dennoch sollten wir nicht vergessen, daß Bielefeld durchaus praktisch und gut sein kann (ich hätte noch „quadratisch“ einfügen können, aber nicht ohne Vergütung für diese Werbung, Herr R.). Erstens als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Vor nicht allzu langer Zeit saß ich neben dem damals arbeitslosen Michael Frontzeck auf der Pressetribüne des bald nicht mehr existenten Aachener Tivolis und fragte mich, wann und wo er wieder einen Job findet. Auf einmal war er in Bielefeld, und überraschender noch, er ist da immer noch.
Zweitens dient Bielefeld vortrefflich als unschuldiges Schimpfwort. Ich schenkte meinem Chef Ende letzten Jahres einen Borussia-Adventskalender, nur um zu erfahren, daß er den an seine Frau weitergab, der die Schokolade nicht schmeckte und die sich dann noch beschwerte, am 24. sei der Schokofußball auch nicht größer gewesen als am 23. Was sagt man seinem Chef in solchen Situationen? Eben: „Du Bielefeld“ (er kommt aus Münster, da ist das vielleicht sogar eine Beleidigung; ich hätte mich vorher mal informieren sollen).
Drittens aber, lieber Martin, ist Bielefeld nahezu die einzige Mannschaft, die ab und an – und gerade, wenn es darauf ankommt – gegen Borussia zu verlieren neigt, sieht man von diesen zotteligen Stinkevierbeinern aus dem Vorort von Leverkusen ab. Allein deshalb trage ich Bielefeld im Herzen und meine, wir sollten ständig gegen Bielefeld spielen. Am besten auch in der Relegation. Ich weiß, daß das nicht möglich ist, aber wenn wir gegen Aachen spielen, was ich Dir jüngstens vorhersagte, ist das ja auch fast wie gegen Bielefeld. Ich weiß ebenfalls, daß sich bei dieser Konstellation bei vielen Fans die Zehennägel aufrollen, doch seien wir ehrlich: Das letzte Spiel, das jemals in der Kartoffelkäfer-Schachtel ausgetragen wird, ist eine historische Niederlage gegen Borussia – geht Dir da nicht wie auch mir der Steinborn ab? Alle Hände zum Himmel, und die Pfeifen sind verstummt? Nein, Martin, diese Saison verwöhnt uns Borussia bis zum Äußersten: Hans Meyer ist zurück, Spannung bis zum letzten Spieltag und dann noch ein Sieg in der Relegation, das ist wie Weihnachten, nur mit besserem Adventskalender.
Es gibt da freilich ein kleines Problem. Ich rede hier nicht von Herzinfarkten, auch wenn ich allmählich in das Alter komme, wo man auf die Pumpe achte sollte. Es gibt da vielmehr diese winzigkleine Möglichkeit, daß wir es im Fall der Fälle nicht packen. Das wäre etwas unangenehm, denn dann freuen sich die anderen, und wir reisen wieder nach Osnabrück. Wer will das schon, außer dem VfLog (wenigstens gut, daß ich dafür sicher im Schach gewinne, denn Dein letzte Zug hat wieder alle Schachtheorien überrumpelt: Meine Dame schlägt trotzdem Deinen Bauer auf e4 und sagt Schach.)?
Und so fahre ich am Sonntag mit einem kleinen Zagen, doch großer Hoffnung nach Mönchengladbach, trage öffentlich große Zuversicht zur Schau, um mich innerlich ein wenig zu gruseln, zucke bei jeder Tormeldung zusammen, denn parallel spielt Cottbus (wer hätte das besser erfinden können?), um am Ende mit 54.000 anderen den Platz zu stürmen, Rasen auszugraben, Tore abzubauen, Hans Meyer in Rotkäppchen-Sekt zu ersäufen und mit nicht mehr vorhandener Stimme „So ein Tag, so wunderschön wie heute!“ zu krächzen, nur weil wir durch ein Abseitstor (alles gleicht sich aus, lieber Martin) von Colautti in der letzten Spielminute 1:0 gewonnen haben. Und ich frage Dich erneut: Was gibt es Besseres als das?
In Tränen aufgelöst vor so viel Glück umarme ich Dich, mein Bruder in Borussia,
Dein Joachim
Freitag, 24. April 2009
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