Sonntag, 22. Juli 2007

das war einmal #16

Unsere Rubrik "Das war einmal" berichtet von Vergangenem. Manchmal ist das schön nostalgisch, machmal aber auch erschreckend, weil das alte aktuell ist wie eh und je. Wir wollen uns auch heute jeder Bewertung enthalten, was nun gilt, haben aber einen Artikel aus dem Fundus gekramt, der einst einem Brandbrief gleichkam und für einige Furore sorgte. Nach einem verlorenen Auswärtsspiel gegen Köln forderten wir "Gebt uns unsere Borussia zurück!". Das war im September 2005.

Vorab: Ja, die zweite Hälfte war besser. Ja, ein Unentschieden wäre möglich gewesen, hätte etwa Kahé frühzeitig nach der Pause ein Tor erzielt. Aber darum geht es hier nicht. Heute geht es um Grundsätzliches, und das Spiel in Köln, die erste Halbzeit zumal, ist nicht mehr als ein Symbol für eine Entwicklung, die länger währt und schwerer wiegt als ein verlorenes Auswärtsspiel. Es geht um die Entfremdung von einem Verein, von meinem Verein.

Lange Zeit war unser Motto, mal mehr, mal weniger ironisch, die absolute Affirmation. Wenn wir nur fest genug daran glauben, so hofften wir, dann wird alles gut auf der Fußballwelt. Und wir haben uns wirklich Mühe gegeben: Wenn wir Neuverpflichtungen nur lautstark genug loben, dann werden sie auch prima spielen. Wenn wir Trainern nur freundschaftlich huldigen, dann werden sie auch Erfolgstypen sein. Aber die Zeiten der Autosuggestion sind vorbei. Es ist Zeit, der Wahrheit ins Auge zu sehen: Die Borussia der letzten Monate ist nicht mehr meine Borussia. Das schmerzt, und ich liebe diesen Verein viel zu sehr, um ihn kampflos aufzugeben.

Betrachten wir den VfL einmal, nur kurz, weil es so schwer fällt, mit Abstand und ohne Emotionen: Mittelmaß seit Jahren, bestenfalls, hat man es in den letzten zweieinhalb Jahren geschafft, 4 Trainer zu verschleißen. In 18 Monaten wurde gar eine ganze Mannschaft ausgetauscht, mehr als 20 neue Spieler verpflichtet. Hätte Bayern München eine derartige Einkaufspolitik verfolgt, wäre klar: Alle würden sie mit Recht für ihre Söldnertruppe verachten. Nun ist Fußball ein einfaches Spiel, und eine einfache Regel gilt gerade für die unsympathischen Clubs: Der Erfolg gibt ihnen meist recht, siehe Bayern. Aber eine Augen-zu-und-durch-wir-kaufen-alles-was-nicht-bei-drei-auf-den-
Bäumen-ist-Politik zu fahren, Trainer zu feuern und zu verpflichten und dann derart schlecht zu spielen, das ist nicht nur unsympathisch, das ist unfähig. Ich muss für dieses Urteil nicht die Namen all der "Verstärkungen" aufzählen, die sich entweder als Invaliden oder als abgehalfterte Pensionisten herausstellten – jeder Fan kennt sie.

Christian Hochstätter mußte nicht zuletzt für seine verfehlte Transferpolitik gehen, und das war richtig. Doch offenbar reicht dies noch nicht als Neuanfang, denn auf der Bank, die Schönrederei ist vorbei, sitzt die personifizierte Vergangenheit: Horst Köppel. Dieser Mann ist eine blanke Fehlbesetzung. Er mag ein liebenswerter Mensch sein, ein guter Trainer ist er nicht. Nach Advocaat hätte auch meine Großmutter Gladbach wieder auf die Erfolgsspur gebracht, das Zauberwort heißt "Erleichterung". Dumm nur, dass man ihn nach dem Klassenerhalt nicht feuern konnte, besser wäre es gewesen. Allein die Startelf gegen Köln! Wie kann man immer wieder Helveg als zentralen Verteidiger aufstellen, um ihn dann in der Halbzeit auf die Außenposition zu verschieben, weil er viel zu langsam und allgemein überfordert mit der zentralen Position ist? Die desaströse Abwehrleistung der Borussia während der ersten 45 Minuten in Köln ging zu einem großen Teil auf Helvegs Kappe. Derzeit setzt Köppel stets zu Beginn auf ein Team, bei dem zwei Auswechslungen (Helveg & Lisztes) schon vorab feststehen. Wieso wird dann ein Talent wie Thomas Broich über Monate kaputtgemacht? Während seines halbstündigen Einsatzes hat er gestern bewiesen, dass er um ein Vielfaches mehr Impulse bringen kann als der (natürlich: frisch gekaufte) Lisztes. Überhaupt, wo sind unsere alten Helden hin? Sverki bekommt einen Stürmer nach dem anderen vor die Nase gesetzt, keiner macht mehr Tore, aber unser einstiges Jungtalent vergammelt. Strasser ist kein Brasilianer, aber in der Abwehr auf der zentralen Position allemal kein derartiger Wackelkandidat wie Helveg.

Es wird Zeit, dass man bei Borussia einsieht: Wir haben im Kader nur Mittelmaß, und mittelmäßige Neuverpflichtungen werden daran nie etwas ändern können, auch 100 nicht. Dieser Verein braucht nicht immer neue Trainer, die immer neue mediokre Kicker ihres Geschmacks serviert bekommen. Borussia braucht einen Trainer, der aus dem, was wir haben, eine Mannschaft formt. Horst Köppel ist dazu nicht in der Lage. Horst Köppel muss weg!

Nach dem Abgang von Bernd Krauss hatte der VfL schon einmal eine Phase, in der er keinen Tritt mehr fand. Hannes Bongarts, Norbert Meier, Friedel Rausch, Rainer Bonhof reichten sich die Klinke in die Hand und alles wurde immer schlimmer. Dann kam Hans Meyer. Wir brauchen heute einen neuen Hans Meyer des 21. Jahrhunderts. Ich will nicht die Fohlenelf zurück, aber wir brauchen eine Rückbesinnung auf das, was Borussia einst ausgemacht hat, ihr Mythos, meinetwegen: ihre Marke. Ein sympathischer, kleiner Verein vom Niederrhein zu sein, der gegen jede Wahrscheinlichkeit mit Chuzpe und Charme Großes erreicht hat - nicht mit Geld, Größenwahn und Gestrigen an der Seitenlinie.

Ein neuer Hans Meyer könnten heute Männer wie, ja liebe Köln-Hasser, Uwe Rapolder, Jürgen Klopp oder Ralf Rangnick sein. Trainer mit einem modernen Verständnis von Fußball, denen es um eine Mannschaft geht, die eine Mannschaft formen können. Auch wenn Mainz und Schalke anderes beteuern: Klopp oder Rangnick, einer von beiden wird bald wieder auf dem Markt sein. Ich hoffe, dass wir dann zuschlagen. Ich will meine Borussia zurück, einen Verein, auf den man stolz sein konnte, weil er anders war als andere. Ich will eine Borussia, die nicht gerne Bayern München wäre, dabei aber so viel, viel schlechter ist. Ein anderer VfL ist möglich, und es ist eine Schande für die leitenden Akteure am Niederrhein, dass es heute so viel mehr gute Gründe gibt, Fan von Mainz oder Freiburg zu sein als von Gladbach.

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