Mittwoch, 6. Juni 2007

seitenwechsel #33

Schillernde Juwelen sind rar - deshalb sollte man sie von vielen Seiten beschauen und staunen. Seit 1997 bereits beobachtet Seitenwahl für seine Leser das Gladbacher Geschehen, 2004 gesellte sich der VfLog dazu. Zu Saisonbeginn haben Seitenwahl und VfLog einen Briefwechsel begonnen, um den Blick zu weiten.
Diese Woche ziehen wir noch einmal Bilanz und pausieren dann mit dem Seitenwechsel bis zum August. Der nach wie vor euphorische Aufsteiger Maik hat in dieser Woche noch einmal vorgelegt, seinen Brief gibt es bei Seitenwahl. Hier Mikes Antwort.


Lieber Maik, lieber Martin,

beginnen möchte ich mit einem Glückwunsch nach Osnabrück! Ich habe das spannende Saisonfinale vergangenen Samstag im Liveticker verfolgt und fieberte jede Sekunde mit. Als am Ende die Bundesliga der Herzen feststand, habe auch ich mich sehr gefreut. Ob das alles Gladbachs Abstieg erträglicher macht? Nein, das sind Floskeln. Ein Abstieg ist ein Abstieg und bleibt katastrophal. Natürlich spricht einiges dafür, sich auf die nächste Saison zu freuen. Frei nach Eurem Motto "Wenn es kein VfL ist, ist es kein Fußball" könnte man demnach die 1. Liga einstampfen. Während uns in der Bundesliga der Herzen Duelle wie Osnabrück-Gladbach, Köln-Mainz, Gladbach-Köln oder Osnabrück-Aachen erwarten, muss sich die 1. Liga Begegnungen wie Cottbus-Hannover, Rostock-Wolfsburg oder Leverkusen-Bielefeld stellen.

Ihr sprecht von Erinnerungen, die einem die Sprache verschlagen. Ich möchte mit meinen Erinnerungen gar nicht weit in die Vergangenheit schweifen, sondern kurz den Blick auf die vergangenen 12 Monate richten. Ich blätterte die vergangenen Tage durch unsere bisher 32 SEITENwechsel. Erst in der Reflexion wird deutlich, welche Saison wir gerade durchlebt haben. So schrieb ich in meinem ersten Brief: "In meiner Redaktion nehme ich – wie jede Saison – den Part des Optimisten ein. Den Spott, den man damit erntet, nehme ich locker hin. Das überlegende Grinsen zeige ich zwar, aber man sieht es nicht. Pessimismus und Skepsis galten schon immer als Zeichen der Gebildeten, der Intellektuellen. Nur Dummköpfe verfallen in Jubelarien." - Nun sitze ich hier, am späten Abend. Der Aschenbecher ist voll, der Kopf ist leer. Ich frage mich, warum ich das nicht gesehen habe. War ich so verblendet? Hat irgendeiner in diesem Land eine solche Saison erwartet? Sicher, es gab die Nörgler, die Choleriker, die Besserwisser, die alles von Anfang an gewusst haben wollen. Ja, ich habe mich verschätzt. Ich habe die Macht und den Willen der Medien unterschätzt, aktiv und gezielt Vereinspolitik zu betreiben. Ich habe den Charakter der Mannschaft respektive einzelner Spieler und, in der Konsequenz dessen, die Qualität der Mannschaft in Gänze überschätzt. Ich ging vom bestmöglichen Szenario aus. "Den Mutigen gehört die Welt!", so heißt es doch. Diese Welt kann schmerzhaft sein als Dummkopf.

Du fragst mich nach meinen Wünschen, meinen Einschätzungen für die kommende Saison. Das ist alles sehr vage, sehr undurchsichtig und frisch. Lasst uns dies in der kommenden Saison thematisieren, dazu hier nur kurz: Ich vertraue den Fähigkeiten Zieges und wünsche ihm alles erdenklich Gute und das Glück, das er in der jetzigen Situation unbedingt braucht. Von Luhukay bin ich weitaus weniger überzeugt, aber ich hoffe sehr, dass ich mich in ihm täusche. Meine Rückendeckung hat er dennoch vordererst, von anderen Seiten wird schon massiv und zwischen den Zeilen an seinem Stuhl gesägt. Unabhängig der noch zu erwartenden Transfers bin ich davon überzeugt, dass die nächste Saison in weiten Teilen ernüchternd sein wird.
Für die Lila-Weißen indes sehe ich positive Wochen und Monate. Dass dieser Verein samt seiner Fans in die großen Stadien der Republik reisen wird, ist Belohnung und Anreiz genug. Doch schon ziehen dunkle Wolken am Horizont der VfL-Glückseligkeit auf: Neben dem 1.FC Köln hat auch Borussia ihre Fühler nach Addy-Waku Menga ausgestreckt. Soll das nun folgende Sommerloch neben schlechter Sommermusik, Sommergipfeln und Sommermode für einen widerlichen Transferstreit unserer VfLs herhalten?
Für den VfL aus Osnabrück wird das Ziel einzig der Klassenverbleib sein, wie es für Borussia der sofortige Wiederaufstieg sein muss und wird. Die Wahrheit wird irgendwo dazwischen liegen. Doch ist dies, da habt Ihr mehr als Recht, leise klingende Zukunftsmusik.

Bis vor wenigen Wochen teilten wir uns Gedanken über ganze Ligen hinweg. In ein paar Wochen wird das Duell der VfLs eines sein, das unseres bereits seit dem ersten SEITENwechsel ist: eins auf Augenhöhe!

Wir lesen uns im August, einen schönen Sommer!
Beste Grüße
Mike

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