Auf schillernde Juwelen kann man von vielen Seiten blicken und staunen. Seit 1997 bereits beobachtet Seitenwahl für seine Leser das Gladbacher Geschehen, 2004 gesellte sich der VfLog dazu. Beide Projekte haben ihren eigenen unverwechselbaren Charme. Seit Beginn der Saison 06/07 gibt es nun den SEITENwechsel: Seitenwahl und VfLog haben einen Briefwechsel begonnen, in dem alles möglich ist: Fachsimpelei, Verbalfouls, Streit und Harmonie. Solange die Tinte reicht, wird auf Seitenwahl und auf dem VfLog dienstags nach Spieltagen der Brief der jeweils anderen Seite veröffentlicht.
Unten der fünfte Seitenwechsel. Diesmal hat zuerst Maik an Mike geschrieben, den Brief findet ihr bei Seitenwahl. Unten Mikes Antwort.
Lieber Maik,
da hast Du mir zu Beginn Deines Briefes einen Schrecken eingejagt!
Gleichwohl ich sofort erahnen konnte, worauf Du hinaus willst. Dass Ihr diese zugegeben komplexe und schwierige Thematik erst wenige Tage vor der eigentlichen Entscheidung aufgreift, verdeutlicht mir nur allzu sehr, wie sehr Euch dies intern beim VfLog zerreißt. Die beharrliche Schweigsamkeit von Martin zu diesem Thema nährt diesen Verdacht umso mehr.
Doch, und hier setzt mein Widerspruch an, spricht in der Tat vieles gegen die angestrebte und im Grunde schon beschlossene Reform. Es kommt eben nur darauf an, aus welchem Blickwinkel man dies betrachtet. Gerecht wird dies nicht entschieden werden können, weil die Ansätz zu verschieden sind. Ganz gleich, wie es ausgeht, es wird böses Blut und Ärger geben. Lass mich erklären, warum ich das so sehe:
Wir haben zur Zeit 9 Oberligen mit je 18 Vereinen, das ergibt 162 Mannschaften. Der Großteil dieser Vereine wandert gezwungenermaßen von der
Viert- in die Fünftklassigkeit ab. Gerecht? Wettbewerbsverzerrung? Für diese Ligen bedeutet dies auch ein Absinken des schon jetzt spielerisch armen Niveaus, weiteres Ausbleiben von Fernsehgeldern, die bereits mit heutigem Stand verschwindend gering sind. Dazu die Schwemme von Zweitvertretungen der Bundesligisten, die zwar sportlich eine Herausforderung darstellen, aber keine Leute ins Stadion ziehen. Du löst das Problem, das bereits jetzt in der Regionalliga vermeintlich herrscht, nicht, sondern verschiebst es nur eine Liga weiter. Wurden die Oberligisten, Verbandsligisten, Bezirksligisten gefragt, was sie davon halten? Haben nicht auch der VfL Osnabrück, die Eintracht aus Braunschweig oder der FC St. Pauli eine Zweitvertretung in den Niederungen des deutschen Amateurfußballs? Werden nicht auch dorthin die Spieler gesandt, die in der ersten Mannschaft zur Zeit nicht zum Zuge kommen?
Kennst Du Manfred Vobiller? Der Mann ist Geschäftsführer des sympathischen SC Pfullendorf, Regionalliga Süd. Herr Vobiller stemmt sich als Einziger gegen die Meinung und den Willen der restlichen 37 Regionalligavereine. Und womit? Mit Recht, wie ich finde. Vobiller hegt große Zweifel an der wirtschaftlichen Tragfähigkeit des angedachten Modells: "Woher das Plus an Einnahmen kommen soll, konnte vom DFB auch keiner sagen. Lediglich bei den TV-Geldern wurde jetzt mal pro Jahr und Verein die Summe von 500.000 Euro in den Raum gestellt. bisher bekommen die Regionalligisten rund 370.000 Euro.
Dieser Unterschied allein würde den Kohl also garantiert auch nicht fett machen."
Hast Du Dir über die weiteren Kosten Gedanken gemacht? Welche (bisher in keinem Etat eingeplanten) Fahrtkosten kämen auf die Vereine zu? In diesem Zusammenhang steige ich direkt in die Diskussion um die erhöhten Zuschauerzahlen einer eingleisigen Regionalliga ein. Wie viele Pfullendorfer oder Unterhachinger würden sich denn am Sonntag auf dem Weg nach Lübeck machen? Ebenso verlangt die Professionalisierung der Regionalliga, dass bisher ehrenamtlich tätige Geschäftsführungen, wie es beim schon erwähnten Sportclub Pfullendorf der Fall ist, so nicht mehr zulässig wäre. Die Spieler würden ob dieser Tatsache sicher über die ein oder andere Gehaltserhöhung Gedanken machen, wenn sie dann schon offiziell als "Profi" geführt würden.
Rettig sagt bedeutungsschwanger "Gemeinwohl schlägt Einzelinteressen". Das klingt wahnsinnig klug, ist aber ziemlich kurz und egoistisch gedacht.
Letztlich streben die Wortführer dieser Reform - im Gros die Vertreter der tatsächlichen oder selbst ernannten Traditionsclubs - ene Vereinfachung an, die ihre Vereine schneller in den wirklich bezahlten Fußball zurückführt, weil sie sich höhere Einnahmen und dadurch größeren sportlichen Erfolg versprechen. Wenn man für eine solche Reform plädiert, dann soll man ehrlich bleiben und keine fadenscheinigen Gründe á la "Wettbewerbsverzerrung"
anbringen, die in meinen Augen nicht vorliegen. Jede Saison steigen vier Vereine trotz der diversen Zweitvertretungen in die Zweite Liga auf. Es dreht sich am Ende eben doch nur ums Geld, das verteilt werden will und soll.
Als Borusse bin ich klar gegen eine Änderung des status quo. Als Fußballfan hingegen habe ich für Deine Argumente durchaus Sympathien und Verständnis.
Beste Grüße
Mike
Dienstag, 5. September 2006
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