Mittwoch, 9. September 2009

seitenwechsel #90

Freunde der VfLiebe! Ein Prosit auf den 90. Seitenwechsel!
90 Seitenwechsel mit den lieben Kollegen von Seitenwahl, das sind sind 180 Reden zur Lage der Nation, d.h. der VfLs. Maik legt diese Woche bei Seitenwahl vor und macht, wie immer gekonnt, viel Lärm um Nichts. Joachim hat bei der Bundestagswahl die Violetten gewählt und behauptet wahrheitswidrig, in Osnabrück werde die Bratwurst noch auf Holzkohle gegrillt.


Lieber Maik,

Du sprichst von der Schwierigkeit, die fußballfreie Zeit zu überbrücken. Das ist tatsächlich nicht einfach, doch mir ist es einigermaßen gelungen – mit Fußball (oder was zumindest in Teilen danach aussieht). Zum einen haben wir ja diese fabelhafte WM-Qualifikation, die uns dazu zwingt, als professionelle Vorbereitung für ein Spiel gegen – ähem – Aserbaidschan über eine Woche lang die vermeintlich besten Kicker des Landes zu kasernieren. Zum anderen ist da die von Dir angesprochene Frauen-EM, die uns am Donnerstag eine Feierstunde verspricht.

Nach langem Rätseln bin ich darauf gekommen, warum man neun Tage lang trainieren muß, um gegen Aserbaidschan spielen zu können: Man hatte allein schon eine knappe Woche nötig, um sich auf maximal drei Arbeitssprachen zu verständigen, mit denen dann auf dem Platz Kommandos gegeben werden (den Rest der Zeit verbrachte man mit der Frage, wer denn diese Kommandos geben soll). Das ist nicht leicht. Ein beträchtlicher Teil unserer Nationalspieler ist bekanntlich nicht in Deutschland geboren (was sie für ihre aktuelle Tätigkeit geradezu prädestiniert, schließlich sind wir irgendwie alle irgendwo anders irgendwelche Ausländer, und sie sollen ja einfach nur runde Sachen in eckige Sachen treten), und wenn Marko Podolkowski sich mit Mesut Kakao unterhalten will, muß man eben erst einmal ein Grundvokabular festlegen und einüben. Nachdem das einigermaßen gelungen war, verpflichtete man einen Aufbaugegner, der vom Namen her Klasse vortäuscht, der aber außerhalb des eigenen Landes Fallobst ist. So gestärkt können wir nun gegen den gefühlt 487. der Weltrangliste antreten, im sicheren Gefühl, sich mit Berti Vogts auf Augenhöhe zu befinden (sorry für den alten Kalauer, mußte an dieser Stelle aber sein).

Ich habe da eher Sympathie mit den Belgiern. Es fand sich kein Fernsehsender bereit, die Länderspiele gegen Spanien und Armenien zu übertragen. Statt dessen las ich heute morgen in den Zeitungen Berichte über den einzigen Fan, der die Nationalelf nach Armenien begleitet hat. Dies ist tatsächlich kein Witz: Ein Aufrechter blieb noch übrig. Ich grüße den Mann von dieser Stelle und proste ihm aufmunternd zu, denn er ist der Einzige, der die Essenz des Fußballs verstanden hat. Schließlich geht es nicht darum, was die elf Würste auf dem Platz machen, sondern was Du selbst als Fan veranstaltest. Gerne erinnere ich mich beispielsweise an den Abend vor vielen Jahren, als ich im Fanblock der Gastgeber stellvertretend für ein nicht anwesendes Familienmitglied (Eintracht Braunschweig-Fan) im alten Aachener Tivoli ausgiebig den 1:0-Siegtreffer der Eintracht bejubelte. Ich fand an diesem Abend Freunde fürs Leben, zumindest sofern ich dies dem dissonanten Geheul meiner Blocknachbarn entnehmen konnte (sie stritten später untereinander, ob sie mich am Zaun aufhängen sollten oder nicht; das Ergebnis der Verhandlungen bekam ich nicht mehr mit, weil ich nach dem Schlußpfiff nach Hause ging). Viel Spaß also in Armenien!

Lieber Maik, Du hast natürlich völlig recht, konzentrieren wir uns lieber auf die Teams der Herzen, also unsere Titelmaschinen von der Frauen-Nationalelf und leicht lädierte Traditionsmannschaften wie den VfL Osnabrück, wo die Bratwurst noch nach echter Holzkohle schmeckt. Natürlich spielen wir eines Tages wieder gegen den VfL, und ich lasse jetzt auch die fiese Bemerkung weg, Du müßtest nur spezifizieren, welches Team von Borussia Du eigentlich meinst. Nein, ich liebe Osnabrück. Lange hielt ich die Stadt für eine Laune der Geographen, die nur die Leere zwischen Ruhrgebiet und Nordseestrand auffüllen wollten und daher meinen Schulatlas mit abgefuckten Namen wie Bielefeld, Paderborn und Osnabrück vollkleisterten. Dann kamen die Pokalspiele, und ich lernte nicht nur Tausende von Radfahrern kennen, von denen niemand die Verkehrsregeln kennt und die frechsten heute noch auf meiner Kühlerhaube sitzen, sondern auch offizielle Anfahrtswege, die erst einmal quer durch die Innenstadt führen, wobei doch ein einfacher Zufahrtsweg von der Autobahn auf der anderen Seite besteht, und einen echten Rasen, der nur deswegen so tief war, weil dort tags zuvor noch Pferde gezüchtet wurden. Und dann erst Claus-Peter Wollitz! Doch, mein Leben wäre heute ärmer, hätte ich Pelé nicht kennengelernt, denn den kannte ich zuvor nur aus den Geschichtsbüchern. Blaß war er geworden, aber das lag sicher an den ganzen Siegesfeiern (damals). Kurzum: Ich tausche Hoffenheim gegen Osnabrück. Sofort!

Ich wollte eigentlich noch etwas zur Frauen-EM sagen, aber meine 586 Wörter sind schon voll, und ich muß noch Deine Fragen beantworten. Tim Wiese fährt zur WM in Südafrika, weil er noch kein Pflichtspiel hatte und sich somit rechtzeitig der nordkoreanischen Nationalität versichern wird, da sich die Nordkoreaner bekanntlich bereits qualifiziert haben, sie aber eher kleinwüchsig sind und somit ein paar Hundert Pfund Muskelmasse gut werden gebrauchen können. Dem Wahl-O-Mat vertraue ich nicht mehr, seit er mir vor der letzten Bundestagswahl nur Parteien nahelegte, die ich grundsätzlich nicht wähle, weil ich nicht möchte, daß meine Nachfahren Russisch lernen müssen. Ich habe übrigens bereits per Briefwahl gewählt, und zwar das Richtige (es hat die Vereinsfarben eines Teams, das ich in diesem Beitrag bereits erwähnt habe). Und Michael Frontzeck ist ein guter Trainer, weil die Tabelle das sagt. Siehst Du, Maik, so einfach ist Fußball: Wir können hier lange reden, doch die Wahrheit steht samstags um 17.18h im ARD-Videotext auf Tafel 253.

Es grüßt Dich, Nürnberger Bratwürstchen verspeisend und auf die nächsten drei Einwechslungen von Silvia Neid vertrauend,

Dein Joachim

2 Kommentare:

Kapitän hat gesagt…

Es juckt mich (erstmal nur) in den Fingern, auch wenn man (resp. Joachim) es hier wahrscheinlich nicht hören bzw. lesen will: Osnabrück und sein Umland sind schöner, liebeswerter und in fast jeder Hinsicht einfach bedeutender als Gladbach, Paderborn, Hoffenheim, Bielefeld, Aachen (nicht mehr Bad, oder? Und wenn nicht mehr, warum? Oder besser, warum jemals?), Braunschweig, Nürnberg und ganz Belgien zusammen! Spanien liegt sicherlich gleichauf. Armenien, Aserbaidschan, Nordkorea lasse ich mal außen vor - da war ich noch nicht ;-))

Nicht für ungut!

NfdV.

Joachim Schwerin hat gesagt…

Ich höre das sogar sehr gerne und bezweifle keineswegs, daß man in der Gegend um Osnabrück gut Urlaub machen kann (hätte ich sogar fast mal gemacht, kam kurzfristig aber nicht zustande, was ich immer noch bedaure). Aber der Rasen, der Rasen... Der ist doch für Fußball nicht ganz unwichtig, oder?

Aachen ist, soweit ich weiß, deswegen nicht Bad, weil man dann im Alphabet nicht mehr an erster Stelle in der Liste der deutschen Großstädte wäre. Ich könnte jetzt süffisant anfügen, daß sie somit immerhin irgendwo Erster sind. Allerdings sind sie neulich, glaube ich, Deutscher Meister im Tennis geworden. Ist ja auch was.

Aachen bietet sich übrigens hervorragend fürs Einkaufen an: alles da, spottbillig. Aber nicht zum Urlaub. Gut, dafür haben wir ja Osnabrück. Aber, bitte, bringt erstmal den Radfahrern Verkehrsregeln bei...

Gruß Joachim