Mittwoch, 2. September 2009

seitenwechsel #89

Freunde der VfLiebe! Zum 89. Mal schon verständigen wir uns mit den lieben Kollegen von Seitenwahl über die Lage der Nation, d.h. der VfLs. Joachim prügelt diese Woche nicht auf alles ein, obwohl er könnte: Er träumt stattdessen, hüstel, von holländischem Fußball. Diplom-Mathematiker Maik übt bei Seitenwahl Prozentrechnung und erzählt von seinen Spaziergängen als Mister X im VfL-Trikot.

Lieber Maik,

ich hatte das Vergnügen, letzte Woche während meines Urlaubs keinen Internetzugang zu haben, wohl aber ARD-Videotext (der ist ungleich wichtiger, wenn man informiert sein will). Deshalb wußte ich auch von Borussias Sieg gegen Mainz, bevor ich den schönen SEITENwechsel zwischen Martin und Mike las. Aus deren Worten sprach feinste Poesie, gepaart mit einem Hauch Wehmut, wie sich das unter anständigen Menschen gehört. Sportlich gesehen freilich stelle ich fest: Thema verfehlt. Sehet her: Borussia steht auf dem E-Dings-Liga-Platz, und wenn Martin zurückkommt, wird er die Tabelle um 180 Grad drehen müssen, um sich in Abstiegsgefahr wähnen zu können.

Nun, ganz so betriebsblind ist selbst ein notorischer Optimist wie ich nicht, und so verkenne ich nicht, daß noch viel Sand im Getriebe ist. Wenn es trotzdem zu sieben Punkten aus vier Spielen gereicht hat (und den DFB-Pokal wollen wir auch nicht vergessen), dann bin ich nur um so froher. Steigerungsmöglichkeiten sind vorhanden, keine Frage, und man wird sich auch steigern müssen, denn die letzten beiden Spiele (ich habe sie mir nachträglich betrachtet) waren sicherlich keine Offenbarung. Ich hoffe nun, daß in den nächsten Wochen ordentlich Punkte gebunkert werden, denn die nächsten Gegner sind der Papierform nach leichter als das, was in der zweiten Hälfte der Hinrunde auf uns zukommen wird. Wie schön wäre das: Befreit von der Angst, unbedingt das nächste Spiel gewinnen zu müssen, einfach mal erlöst von akuter Sorge loszuspielen. Jahrelang haben wir uns das gewünscht, nun scheint es möglich und erfolgversprechend, wenn alles „normal“ läuft. Ach, ich fürchte nur, es wäre nicht meine Borussia, wenn das alles so einfach wäre und normale Spiele auch normal enden…

Während meines Urlaubs (in den Niederlanden, ich gestehe diesen schamlosen Tabubruch) konnte ich mich auf ansonsten weniger beachtete Sportarten konzentrieren, nämlich Hockey und Judo. Fasziniert war ich erneut von den Sicherheitskontrollen, über die man ja auch beim Fußball kurzweilige 500-Seiten-Wälzer schreiben könnte. Bei der Hockey-EM gab es eine seitenlange Liste von Gegenständen, deren Mitnahme verboten war, doch niemand kontrollierte am Eingang Taschen und Rucksäcke. Mehr noch: Hinter der Eingangskontrolle wurden an rund zehn Marktständen Hockeyschläger verkauft, und ein erstaunlich großer Teil des Publikums hatte sich auch entsprechend eingedeckt. Ein Paradies für Hooligans! Wasserflaschen darfst Du nicht mitnehmen, aber Schlagwaffen sind frei verfügbar.

Bei der Judo-WM war es umgekehrt: Nichts war verboten, aber die Taschen wurden sorgfältig kontrolliert, wobei eine ganze Batterie wurf- und schlagfähigen Materials unbeanstandet blieb. Nun, hätte ich Rabatz machen wollen (was natürlich, liebe Kinder, pfui ist), hätte ich mich sowieso eher beim Hockey ausgelebt, denn beim Judo kann man nie sicher sein, ob der zwergwüchsige Nachbar nicht irgendwelche farbigen Gürtel besitzt und Dir bei Bedarf kurz mal einen Knoten ins Rückgrat dreht. Insofern habe ich die Nicht-Kontrollen dann wieder verstanden: Der Markt regelt es von selbst (liebe Sozialdemokraten: Diesen Satz versteht Ihr nicht, aber das macht nichts, Ihr habt ja auch den Ausgang der Landtagswahlen am Sonntag nicht verstanden, sonst hättet Ihr Eure Parteioberen nicht so stürmisch gefeiert, wie man im Fernsehen peinlich berührt beobachten durfte).

Jedenfalls, und das ist das Entscheidende, habe ich nunmehr neun Wochen belgischer Sommerferien überlebt, was gegenüber den schon zu langen sechs Wochen, die in Deutschland Standard sind, nochmals eine geradezu unmenschliche Zusatz-Herausforderung darstellt. Eltern schulpflichtiger Kinder werden dies zweifellos bestätigen. Ab jetzt herrscht Normalität: Büroalltag, Schulalltag, Bundesligaalltag. Herrlich! Nächstes Jahr freilich brauche ich neue Herausforderungen, und die können nur E-Dings-Liga heißen. Nicht, daß ich vermessen wäre, aber als ich die letzten Tage in meinem Borussia-Outfit durch Rotterdam schlenderte und von niemandem angepöbelt wurde, mußte ich daran denken, daß dies vor rund zwanzig Jahren (die älteren Leser werden sich unschwer erinnern) völlig anders gewesen wäre. Deshalb plädiere ich an dieser Stelle für Europapokalspiele gegen Feyenoord, damit ein wenig Stimmung in die Bude kommt!

Es grüßt nach den Sternen greifend, doch vorerst noch mit Duisburg (niederländisch: Döis-bürch) im Sinn,

Dein Joachim

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