Donnerstag, 13. August 2009

seitenwechsel #86

Same procedure as last season, Joachim? Same procedure as every season, Martin! – Der Ball rollt wieder, und auch der Briefverkehr wird wieder aufgenommen. Für eingeschworene Fans ist längst der Verzicht auf den Seitenwechsel viel härter zu ertragen als ein paar Wochen ohne Fußball. Nun ist das Warten endlich vorbei. Joachim kommt frisch erholt aus dem Urlaub zurück und eröffnet voll Euphorie. Da wird selbst unser Nörgler Martin mitgerissen und bestellt Frontzeck prompt in die Weltregierung – nachzulesen in seiner Antwort bei Seitenwahl.

Lieber Martin,

war die Sommerpause nicht wieder herrlich? Man konnte sich – ganz ohne störende Fußball-Europa- oder gar -Weltmeisterschaften – auf Kernsportarten wie Radeln durch französische Weinberge, Tennisspielen auf Londoner Maulwurfhügeln oder Pokern konzentrieren. Den Vogel schossen diesmal die Schwimm-Weltmeisterschaften ab, wo die Anzüge erstmals selbsttätig schwammen, so daß auch die Deutschen wieder zu Medaillen kamen. Hand aufs Herz: Hast Du dabei Fußball vermißt?

Den der Nationalelf sicherlich nicht; die spielt ja diese Woche gegen ein Land, das selber gar nicht weiß, ob und daß es existiert, irgendwo kurz vorm Hindukusch, von dem irgendwann einmal ein inzwischen zurecht vergessener Verteidigungsminister fabulierte, dort würde Deutschland verteidigt (ich wußte bis dahin nicht, daß sich Usbekistan in der dortigen Landessprache „Deutschland“ schreibt). Borussia schon eher, auch wenn es mir sehr zupaß kam, daß ich noch schnell zwei sehr erholsame Ferienwochen eingeschoben habe, die mit dem ersten Spieltag endeten. Das war als Vorgriff auf eine erneut nervenaufreibende Saison gedacht, und der Plan war, daß ich mich schnell nach meiner Rückkehr erst einmal mit ein paar Literflaschen Baldrian, kiloweise Kaugummi (mampfen beruhigt ungemein) und knautschbarer Wandbekleidung zum Ausgestalten des Fernsehzimmers (fliegende Gegenstände führen sonst unweigerlich zu Katschen) eindecken wollte.

Gedacht, geirrt – so sprach nicht nur früher immer mein Lateinlehrer zu mir, so kam es auch hier. Schon im Urlaub war ich leicht irritiert durch den durchaus souveränen Sieg im DFB-Pokal. Als ich dann noch die Auslosung zur zweiten Hauptrunde vernahm, machte sich fettes Grinsen in seiner schönsten Form breit, als Neururer-Haß-Fratze. Ja, und dann Bochum… Was soll ich dazu sagen? So schönen Fußball wie in der ersten Halbzeit habe ich seit ungefähr der Mitte der neunziger Jahre (das Jahrhundert habe ich vergessen) nicht mehr von Borussia gesehen, daher war ich vom Verlauf der zweiten Halbzeit fast erleichtert: Ja, dies ist immer noch mein Verein, seufzte ich behaglich. Schließlich muß man sich an Schönes erst langsam gewöhnen. Die drei Punkte hätte man natürlich dennoch gerne mitgenommen, und so blieb zunächst eine etwas betretende Verwunderung übrig.

Nun habe ich mir das Spiel nochmals auf Fohlen-TV angeschaut, langsam und mit ein bißchen Analyse hier, ein bißchen Spulen da, und ich muß feststellen: Das Positive überwiegt deutlich. Nein, mehr noch: Ich will mich kein bißchen ärgern. Der Asodingsbums schießt zwei solche Tore nie wieder (und das war schließlich der Knackpunkt des Spiels), die rote Karte gegen Dante erschien mir vertretbar, nur einen Elfer hätte ich kurz vor Schluß gerne gehabt, schließlich haben Verteidigerarme hoch in der Luft – quasi in Handballtorwart-Manier – im Fußball nichts verloren. Dennoch: Keinerlei Kritik am Schiedsrichter, dafür waren das Spiel und Borussias Ausgangsposition zur Halbzeit zu gut.

So bleibt, daß Borussia bis zur 50. Minute und in der Schlußviertelstunde in Unterzahl vollends überzeugte, wie auch einige längst Abgeschriebene – war der Jaurès tatsächlich unser Jaurès, oder hat den heimlich einer durch einen Klon ersetzt? Selbst Levels vermag ich heute kaum zu kritisieren; spielt er so weiter, verzeihe ich ihm gerne die nächsten vier Eigentore, die er unweigerlich schießen wird. Und daß die Mannschaft nach dem Anschlußtreffer ins Schleudern kam: Schwamm drüber. Ich hatte bei erneuter Betrachtung keineswegs daß Gefühl, daß sie auf einmal gänzlich schlecht spielte, aber so ist das halt in einem vermeintlich gewonnenen Spiel – wer selbst einmal Fußball gespielt hat, weiß das.

Eines freilich kann ich nicht aufhören zu bemängeln: diesen idiotischen gelben Querstreifen auf den Trikots. Positiv ist, daß ich diese Saison Geld spare, denn ein derartiges Trikot kommt mir nicht in den Kleiderschrank. Negativ ist, daß das Gelb wirklich nicht zum Verein paßt, und warum muß dann da noch Postkrank draufstehen? Nein, man gebe mir Erdgas oder Datsun, und für die Mannschaft erbitte ich mir, sich ein Vorbild an den Schwimmern zu nehmen. Ich bin davon überzeugt, wären wir am Sonntag in den WM-Badehosen aufgelaufen, dann hätten wir gesiegt. Die Badehosen wissen, wie schon gesagt, ja selbst, wie man am besten ins Ziel kommt.

So bleibt mir nur noch, mir das Spiel ein weiteres Mal über neunzig Minuten anzuschauen, aber mit zweimal hintereinander die erste Halbzeit. Dann gehe ich als Tabellenführer ins Spiel gegen Hertha. Die haben auch einen Schweizer Trainer, wie die Bochumer. Da werden sich doch genug Löcher im Käse finden lassen!

Wer ist Köln, frage ich Dich aus luftiger Tabellenhöhe und grüße Dich in Vorfreude auf noch mehr Zuckerfußball,
Dein Joachim

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