Sonntag, 2. September 2007

der schal

Im Prinzip war das Spiel für Osnabrück gelaufen, bevor es angefangen hatte. Im Shuttle-Bus zum Stadion antwortete ein kleiner Junge seiner Mutter auf die Frage, warum er seinen Gladbach-Schal nicht trage. „Immer, wenn ich den Schal nicht anhatte, hat die Borussia zwei Tore geschossen!“ Was soll man gegen einen übermächtigen Schal tun? Schließlich muss es der Schal gewesen sein, denn – das ist die gute Nachricht für Osnabrück – ein übermächtiger Gegner war weit und breit nicht zu sehen.

Der erste Sieg für die Borussia im vierten Spiel – endlich! Zwar hatten diesen Lauf der Dinge kluge Köpfe schon früh vorausgesehen, doch führte das 2:1 in Gladbach für hörbares Durchatmen. Ein desaströser Saisonstart, der Trainer und Mannschaft noch mehr unter Druck setzt, ist vorerst einmal abgewendet.

Der denkwürdigste Moment dieses Vfduells fiel in die 34. Spielminute. Die Gladbach-Fans in der Nordkurve skandierten lautstark: „Osnabrück, Osnabrück!“ Anschließend hallte ein „Vau-Ääff-Äähell!“ zu den Lila-Weißen und wurde dort mit „Vau-Ääff-Äähell!“ beantwortet. So ging das eine Zeitlang hin und her: „Vau-Ääff-Äähell!“ – „Vau-Ääff-Äähell!“ Schön war das und rührend und wie wir uns das immer erträumt hatten: Ein waches Zeichen der VfLiebe.

„Der individuellen Klasse eines amtierenden deutschen Nationalspielers war die Osnabrücker Hintermannschaft zwei Mal nicht gewachsen“, sagt der Borusse nach der ersten Halbzeit. „Bei den zwei Neuville-Treffern hat Gladbach jeweils zwölf gegen zehn gespielt, denn Hennings und Aziz mit ihren Fehlern im Mittelfeld sind ihrer eigenen Mannschaft in den beiden Situationen schwer zuzurechnen“, entgegnet der Osnabrücker. Gladbach also führte schnell 2:0 und war doch bis dahin eigentlich genauso chancenlos wie Osnabrück.

„Wie viele Fans von denen wohl mitkommen“, fragte sich ein anderer Fohlen-Fan im Shuttle-Bus. „Nie im Leben mehr als 1000“, prophezeite sein Freund. Jener Freund wird sich heute zwei Mal gewundert haben. Das erste Mal über die gut gefüllte lila-weiße Kurve. Das zweite Mal in der zweiten Halbzeit, als eine völlig verwandelte Osnabrücker Mannschaft ein zuweilen sehr gefälliges und kombinationssicheres Angriffsspiel aufzog und die Borussia, abgesehen vom ein oder anderen Konter, zeitweise in der eigenen Hälfte einschnürte.

„Ich werde mir nie in Passivität die Liga ermauern wollen“, erklärte VfL-Coach Claus-Dieter Wollitz nach Spielschluss, was ihm außer den beiden Gegentoren an der ersten Halbzeit überhaupt nicht gefallen hatte. Eben zu passiv, zu zurückhaltend, zu harmlos. Das hieß umgekehrt nicht, dass Gladbach ein Feuerwerk abgefackelt hätte, doch die entscheidenden Zweikämpfe gewann die Borussia. Ohne viel investieren zu müssen, führte Jos Luhukays Team souverän. Dann wechselte Wollitz mit Tredup und Manno zwei Schwachpunkte aus und mit Thomik und Touré, der erst zwei Mal mit der Mannschaft trainiert hat, zwei Aktivposten ein. Wie von Zauberhand änderten auch Aziz und vor allem Nouri ihre Arbeitseinstellung und machten all das richtig, was sie in der ersten Hälfte falsch gemacht hatten. Luhukay fand, zu diesem Zeitpunkt hätte seine Mannschaft eigentlich schon 3:0 führen müssen, am Ende hätte das Spiel dann jedoch auch unentschieden ausgehen können.

Glücklich also, dass die Borussen das Osnabrücker Tor nach den Neuville-Treffern vornehmlich friendly unter Feuer nahmen (Hohoho!), zeigte nun der VfL, dass er auch bei großen Namen in dieser Liga mitzuspielen gedenkt. „Wir haben heute drei Dinge gezeigt: Wir können Tempo gehen! Wir können Fußball spielen! Wir wollen auch in fremden Stadien angreifen!“ Pele Wollitz fand das Spiel seiner Mannschaft in der zweiten Hälfte „ordentlich, wenn nicht sogar gut“. Anscheinend fanden das auch die Osnabrücker Fans, die ihre Mannschaft feierten, als sei der 2:2-Ausgleich doch noch gefallen. Der blieb dem Aufsteiger verwehrt, obwohl in den letzten Spielminuten gar Thomas Cichon die Abwehrkette verließ und sich ins offensive Mittelfeld (!) einordnete. Schließlich muss sich Osnabrück mit Komplimenten begnügen, die immerhin zuversichtlich stimmen für die kommenden Monate; die drei Punkte hat der VfL verloren. Die Borussia dagegen gewinnt nach einem zeitweise starken Fußballspiel den ersten Dreier. Seit an Seit stehen beide VfLs nun auf den Plätzen Zehn und Elf in der Tabelle.

In Erinnerung bleiben: Die Trainer Jos Luhukay und Pele Wollitz, die sich einander herzend ein erregtes „Bis morgen!“ zuhauchten; Erich Ruthemöller, der das Spiel bei jenem Trainerlehrgang analysieren lassen will und nun grübeln muss, welches Team aufgrund welcher Halbzeit das bessere war; Oliver Neuville und Assimiuo Touré, die, obwohl erstmals (von Beginn an wieder) dabei, sogleich ihren Wert für ihre Mannschaften unter Beweis stellten; und der Schal, der den BorussiaPark so schnell nicht wieder sehen wird.

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