Mittwoch, 5. April 2006

"manchmal kann einen das zermalmen"

Der dritte Teil des VfLog-Interviews mit Thomas Broich. (Teil 1 | Teil 2 | Teil 4)

Dir haftet das Medienimage des „denkenden Fußballers“ an. Pflegst Du dieses Image ganz bewusst, um als Figur auch unterscheidbar zu bleiben oder stört Dich diese Schublade?

Ich begreife das als Chance. Ich will mich nicht profilieren, aber – das hört sich jetzt komisch an – ich empfinde schon so etwas wie Sendungsbewusstsein. Ich denke, dass in unserer Gesellschaft einiges falsch läuft. Und wenn ich überzeugt bin, dass die eine oder andere Art zu leben besser für die Gesellschaft und den Einzelnen ist, dann trete ich damit auch nach außen, auch wenn ich noch jung bin und intellektuell auch nicht der Überflieger. Das hört sich vielleicht total lächerlich an, aber es geht mir wirklich letztlich darum, die Welt ein Stück besser zu machen.

Nun wird sich der Philosophie-Professor nicht von Dir die Welt erklären lassen wollen, und der ‚gemeine Fan’ interessiert sich vielleicht wenig für solche Gedanken. Hast Du den Eindruck, Du erreichst jemanden?

Ja, durchaus. Ich stehe natürlich zwischen diesen beiden Fronten, und manchmal kann einen das zermalmen, weil man es keiner Seite recht machen kann. Aber ich habe schon Briefe von Leuten bekommen, die sich bedankt haben, weil ich für sie ein Anstoß war, ihr Leben umzukrempeln, die nicht mehr nach der Arbeit vier Stunden Talkshows sehen wollten, die neue Potentiale an sich entdeckt haben. Und wenn nur einer auf ein Interview reagiert, ist das für mich doch schon ein Gewinn. Alle anderen können dann freilich sagen, „ja, so ein Spinner!“ Der eine reicht mir aus.

Dann ist das wohl auch Deine Antwort auf den nahe liegenden Hinweis, dass Du natürlich Deine Kritik immer nur aus dem Verblendungszusammenhang heraus äußern kannst, den Du zu kritisieren versuchst. Du bist ja selbst als Fußballprofi Teil der Entertainment- und Medienbranche. Es gibt schließlich auch die Möglichkeit, ganz auszusteigen, vielleicht irgendwo lokal Jugendarbeit zu machen…

Da hätte ich nicht diese Wirksamkeit. Musil schreibt im „Mann ohne Eigenschaften“ sinngemäß, Du musst erst wirken, um gutes bewirken zu können. Wie man dann letztlich wirkt, das bleibt ja jedem selbst überlassen. Ich habe nun einmal diese Bühne geschenkt bekommen, und es wäre schade, wenn ich sie nicht nutzen würde.

Auch wenn Du damit aneckst… Ein Fan schreibt zum Mainzspiel im Forum auf borussia.de „Zu dem Künstler Broich sage ich gar nichts mehr, der sollte sich vielleicht wirklich nur noch aufs Malen konzentrieren.“

Mainz war ja ein ordentliches Spiel, da sieht man, was man von der Einschätzung zu halten hat. Und ich will ja auch nicht jeden erreichen, dafür muss auch eine Bereitschaft da sein.

Nach Pierre Bourdieu zeigen sich soziale Unterschiede oft gerade über die „feinen Unterschiede“, zum Beispiel über Geschmack. Wenn Kasey Keller nach dem Kölnspiel zum Mikrofon greift und Schmähgesänge anstimmt, bist Du dann nach einem Match auch einfach nur aufgewühlt und voll dabei, oder hast Du auch dann einen anderen Geschmack?

Ich war ja, leider oder Gottseidank, nicht dabei, sondern schon in der Kabine. Ich habe das auch erst viel später erfahren, bin mir aber sicher, dass ich es unterbunden hätte, weil es einfach ziemlich unfeiner Stil ist im Triumph über einen Erzrivalen.

Giltst Du in der Mannschaft, mit Deinen Interessen, Deinem Musikgeschmack dann als Freak, oder ist es im Team egal, was jeder privat macht und mag?

Das ist ziemlich egal. Wenn man mal drüber spricht, dann finden es einige witzig, andere interessant und manche können auch gar nichts damit anfangen. Andersrum ist das ja genauso. Wenn mir jemand erzählt, er war auf einer Automobilausstellung, dann sage ich auch „wunderbar“, aber kann da persönlich nicht viel mit anfangen. Das heißt ja auch nicht, dass ich es werte.

Du studierst inzwischen Philosophie in Düsseldorf. Die WZ hat einmal geschrieben „so wie jeder andere Student auch“. Ich habe da ja spätestens beim ersten Referatsgruppentreffen Skepsis…

Das funktioniert ja auch gar nicht. Ich gehe zwar zur Uni, aber in sehr beschaulichem Ausmaß. Das sind nur drei bis vier Kurse in der Woche, die alle abends stattfinden. Alles darüber hinaus wäre ja auch eine Belastung, das ist auf einen ganz langen Zeitraum ausgelegt. Ich gehe hin wie jeder andere, mache meine Beteiligungsnachweise und Hausarbeiten, aber es ist kein normales Studium.

Im letzten Teil am Freitag lesen Sie, wo Thomas seine sportliche Zukunft sieht, wieso Literatur für ihn wichtig ist und was ihm in den Sinn kommt, wenn er an den Bökelberg denkt.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Nicht nur per eMail, sondern auch an dieser Stelle. Ich habe nach Teil 1 mich nach Teil 2 verzehrt, nach Teil 2 auf Teil 3 gewartet und bin jetzt nach Teil 3 äußerst gespannt auf Teil 4. Eure Interviewführung sagt mir sehr zu, die Antworten von Thomas Broich nicht so wirklich, was aber "für Euch" nichts ändert.

Beste Grüße

Th. Zocher

Anonym hat gesagt…

...na, dann freuen wir uns man auf ein "ordentliches Spiel" am WE gegen Hamburg :-(

Anonym hat gesagt…

Ich kann mich Mav nur anschließen - tolles Interview. Über Broichs Antworten vermag ich mich nicht aufzuregen - man merkt m.E. halt, dass er noch ziemlich "klein" ist. Ich freu mich prinzipiell über nen Typen im Tam, der sich nen Kopp macht Bei einem 24jährigen ist gegen ein bisschen Weltverbessererattitüde eigentlich nix einzuwenden. Das verflüchtigt sich mit der Zeit schon.
Beste Grüße!

Anonym hat gesagt…

Es gibt ihn also doch, den "denkenden Fußballer", der auch mal über den Tellerrandh hinaus schaut. Und falls Sie dies lesen, Herr Broich, hoffe ich inständig, dass sich ihre "Weltverbesserungsattitüde", wie es im vorherigen Kommentar ausgedrückt wurde, NICHT mit der Zeit verflüchtigt. Und viel Erfolg für Ihr Studium.