Was Fußball so alles ist, das weiß niemand besser als ein VfLer. Lebensinhalt, Wertesystem, Religion, besser als Sex, großes Kino, Tragödie, Komödie, jaja, wem sagt ihr das... Das schöne an uns VfLern aber: Wir reden nicht dauernd darüber, denn im Zentrum unseres Glaubens stehen nicht die Attribuierungen, die doch nur hilflose Metaphern bemühen, im Zentrum steht die stoische Erkenntnis: Fußball ist nicht dies, das und jenes, besser als x und so toll wie y. Nein: Fußball ist. [In Worten: Punkt.]
Nicht jeder aber ist derart erleuchtet, nicht jeder kann es sein. Und so kam es einem Münchner Komponisten namens Moritz Eggert und einem Schalker Autoren namens Michael Klaus in den Sinn, die bisher rein bildhafte Nähe von Fußball und großer Bühne praktisch umzusetzen in ein "Fußballoratorium". Das Werk ist Teil des "Kunst- und Kulturprogramms der Bundesregierung zur FIFA WM 2006" (man beachte die übrigens hübsche Differenzierung zwischen Kunst und Kultur...) und feierte am Sonntag bei der RuhrTriennale Premiere. Diesem Festival sind wir aus vielerlei Gründen mit zarten Banden herzlich verbunden, unter anderem, weil es sonst so trübe Gegenden wie Duisburg, Bochum (nochmal Danke für das 2:6 gegen Mainz!), Gelsenkirchen oder gar Essen mit etwas Licht erhellt.
Und so konstatieren wir denn auch, dass besagtes Oratorium gespickt ist mit recht feinen Ideen, witzigen Passagen und hübschen Szenen: Etwa, wenn in der beeindruckenden Jahrhunderthalle die mit Orchester, Solisten und Chor opulent besetzte Bühne sich nach der Pause erst nach und nach füllt, weil einzelne Orchestermitglieder (mit Fan-Schals) noch eine Bratwurst essen waren, wenn ein Orchester-Trompeter den Triumphmarsch der Aida so herrlich schief spielt, wie wir es aus unseren Kurven lieben.
Nett ist es auch, wenn ein Solist sich mit tragisch-zitternder Stimme echauffiert: "Zweimeterzwei ist unser Langer lang und kriegt den Ball nicht aus dem Strafraum! Zweimeterzwei und verliert jedes Kopfballduell! Zweimeterzwei! Ich wusste gar nicht, dass man Scheiße so hoch stapeln kann!"
Geradezu dankbar bin ich für den Funken Kapitalismuskritik, den der Abend noch zu bieten hatte. Der Vorwurf, heute dächten alle Stars mehr an den Stand ihrer Aktien als an die Tabellenposition ihrer Vereine, kumuliert in der Erkenntnis: "Wenn der Leitzins steigt, sinkt der Laktatwert."
Doch je länger der Abend dauert, desto deutlicher wird dies: Ein Fußballspiel ist eben immer noch unterhaltsamer und ein Fußballfan braucht keine Oratorien in Jahrhunderthallen, keine Symphonieorchester. Ein Fußballfan braucht 11 Mann. [In Worten: Punkt.] So einfach ist das, und weil das so einfach ist, übt der Fußball eine Faszination aus, die gar in der Lage ist, Stoff für ein Oratorium herzugeben. Das ist gut für Festivalmacher, dem Fußballfan kann es herzlich egal sein. Er genießt das Original im Stadion.
Dienstag, 13. September 2005
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