Mittwoch, 14. Mai 2008

seitenwechsel #58

Langsam, langsam neigt sich die Saison dem Ende, doch - wie es so schön heißt - jedem Ende wohnt ein Zauber inne. Das hat das Ende mit dem Anfang und der Mitte gemeinsam. Bei uns heißt dieser Zauber Seitenwechsel: Mit den lieben Kollegen von Seitenwahl schreiben wir uns jede Woche Brand-, Schmäh- oder Liebesbriefe - mit noch immer wachsender Leidenschaft. Diesmal: Der alte Spargelstecher Maik erklärt die Welt bei Seitenwahl! Mike verspricht daraufhin Doktorspiele mit den eigenen Kindern und zaubert in mehreren ersten Ligen.

Lieber Maik,

nun, die Werbung lehrt uns, dass es Dinge gibt, die man nicht kaufen kann. Darüber hinaus existieren in unserem bescheidenen Leben ebensolche Dinge, die man auch nicht erklären kann. Warum 40 Prozent der Menschen (respektive deren Urin) nach Spargel riecht, das ist erklärbar. Die Liebe ist unzweifelhaft selten erklärbar. Belassen wir es also dabei und genießen den Augenblick. Borussia ist vergangene Woche aufgestiegen, ich bin bereits vor Wochen aufgestiegen, in meine ganz private 1. Liga. Aber lass Dir gesagt sein: sollte ich einmal Kinder haben, werde ich direkt nach der Geburt die erste Urinprobe nehmen, um festzustellen, ob es zu den 60 oder den 40 Prozent gehört.

Doch zum Sportlichen: den Eintrag Eures Lesers habe ich ebenso vernommen. Mir stellt sich bei einer solchen Aussage unweigerlich die Frage: Was ist denn Gladbach? Meint er das Gladbach, das sich - mit einem kleinen Zwischenhoch 1994-96 - seit über 20 Jahren im unteren Mittelfeld der Bundesliga respektive in der zweiten Liga herumtreibt? Das Gladbach, das sich in den 80ern als heutiges Schalke oder Leverkusen - schön, aber eigentlich erfolglos? - präsentierte? Oder meint er immer noch das Gladbach, das in den 70ern existierte? Tradition belastet, und nur der, der die Tradition als Vergangenheit und nicht als Aufgabe begreift, wird erfolgreich sein. Der Verein Borussia Mönchengladbach wird in diesem Sommer 108 Jahre alt. Von diesen 108 Jahren waren ganze zehn - zugegeben - sehr erfolgreich. Aber lassen wir uns doch nicht davon verrückt machen, sondern akzeptieren einfach die Realität. Recht machen kannst Du es ohnehin keinem mehr. Es ist so, wie es Christian Ziege in einem Interview vor einigen Tagen vollkommen richtig konstatierte: Die ersten acht bis zehn Plätze in der Bundesliga sind mehr oder weniger fix vergeben. Dazu gehört leider auch der VfL Wolfsburg. Das Ziel muss demnach zu allererst lauten, zu den besten der unteren Tabellenhälfte zu gehören. Ist das die gefürchtete "graue Maus"? Vielleicht, aber entscheidend ist doch nicht die Platzierung, sondern das, was Du daraus machst. Wer in den vergangenen (Aufstiegs-)Tagen das inszenierte Spektakel in Mönchengladbach mitbekommen hat, der wird ahnen, was mal passiert, sollte Borussia auch nur annähernd so erfolgreich werden wie in diesem besagten zehnjährigen Zeitfenster. Der Fan muss begreifen, dass ich nicht beim 24-Stunden-Rennen ganz vorne mitfahren kann, wenn ich zwar den Motor, das Getriebe und das Fahrwerk eines Rennwagens habe, das Ganze aber im Chassis eines kultigen, knuffigen VW Käfers.

Es ist kurios: Ausgerechnet der VfL Osnabrück kann dafür sorgen, dass der 1. Beck'sche Fußballclub aus der Pfalz den Abstieg vermeiden kann. Die Osnabrücker brauchen einen eigenen Sieg gegen Kickers Offenbach, leisteten jedoch damit direkte Schützenhilfe. Selbst ein Sieg des FC Augsburg würde daran nichts ändern, sofern Lautern sein Heimspiel gegen Köln gewinnt. Ich höre schon Wolfgang Overath nach dem Schlusspfiff, wie er was von Traditionsvereinen faselt. Ausgerechnet der Präsident des Vereins, der Sponsoren präsentiert, die es gar nicht gibt und dessen Verein vor gerade mal 60 Jahren aus einer Fusion und unter dem Einsatz vieler Gelder entstand. Dass ein Kölner durchaus Sympathien für die Hinterzimmer-Machenschaften aus der Pfalz empfindet, sollte keinen überraschen. Ach, ich weiß, dass es im Fußball keine Gerechtigkeit gibt. Der eine findet es gerecht, wenn er mit seinem dicken Auto den besten Parkplatz bekommt, der andere hofft auf den Abstieg des 1. FC Kaiserslautern. Kann natürlich auch daran liegen, dass der eine zu den 40, der andere zu den 60 Prozent gehört. Wer weiß das schon?

Ganz egal, wie das am Sonntag ausgeht. Die Bundesliga der Herzen ist vorerst Geschichte. Unsere VfLs gehen ab sofort getrennte Wege. "Bundesliga der Herzen - Reloaded" wünsche ich mir - bei aller inzwischen entwickelten Sympathie für Deine Lila-Weißen - nicht wirklich. Robin Dutt ermahnte auf der Pressekonferenz vergangenen Sonntag: "Ich will Euch nie mehr in der 2. Liga sehen!" Würdest Du ihm widersprechen?

Es grüßt Dich herzlich
Mike

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Das finde ich jetzt wirklich interessant: Mike, Du stellst Dir also die Frage „Was ist eigentlich Gladbach?“ und kommst zu dem Zwischenergebnis, dass es doch mehrere Gladbachs, unterschieden nach Epochen unterschiedlichen sportlichen Erfolgs, gibt. So gesehen wäre Gladbach tatsächlich immer Gladbach, egal was auch passieren mag...
Lieber Mike, für mich war Gladbach ein Schuss mehr jugendlicher Leichtsinn als technokratisches Kalkül, ein Schuss mehr Leidenschaft als blanke Ergebnisorientiertheit, ein Schuss mehr Hans Meyer als Sepp Maier, ein Schuss mehr leere Kassen als volle Geldspeicher, ein Schuss mehr Puma als Addidas........
In diesem Sinne: Lang lebe Pele Wollitz!