Mittwoch, 12. Oktober 2005

das war einmal #2

Angelehnt an die schöne WDR-Tradition, die 'Tageschau vor 20 Jahren' zu reanimieren, weil die alten Bänder einfach zu schön sind, um sie in den Archiven vergammeln zu lassen - diese Stücke sind immerhin holde Fernsehgeschichte -, widmen auch wir vom VfLog uns jetzt in unregelmäßigen Abständen unserer Best-of-Serie.

Heute erklärt Martin, weshalb er eher ganz auf Gladbach im Fernsehen verzichtet, als sich die Premiere-Bundesligakonferenz ansehen zu müssen. "Mittendrin, doch nie dabei" vom 13. Februar 2005.

Einen richtig guten Torjäger, so wie es Toni Polster zuletzt beim VfL einer war, so wie es Sverkos vielleicht einmal einer wird, einen richtig guten Torjäger sieht man an manchen Spieltagen 89 Minuten lang nicht. Aber dann ist er da, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort – und macht das entscheidende Tor zum Sieg. Mit der Premiere Bundesligakonferenz verhält es sich genau umgekehrt: Man sieht sie volle 90 Minuten, aber nie, nie, nie ist sie am richtigen Ort.

Man kann ihr auch gar keinen Vorwurf machen, im Gegenteil: ihr didaktischer Wert ist es, den gierigen Fußballahnungslosen, die keinen Verein haben, mit dem sie fiebern wollen, 90 Minuten am Stück, die einfach nur samstags Fußball sehen wollen, weil ihr Leben sowieso sinnlos ist und sie für Premiere ja bezahlt haben, die immer überall mitreden wollen, alles live erlebt haben wollen, von ihrem Plüschwohnzimmersessel aus, denen also eins zu beweisen: you can't have the cake and eat it. Zu deutsch: Du mußt dich entscheiden – willst Du die Torte haben oder essen.

Der Konferenzgucker will beides. "Live" das Topspiel sehen, aber auch wissen, wie es bei Bielefeld gegen Mainz steht. Über den verschossenen Elfer von Ballack schimpfen, aber auch über die nicht geahndete Notbremse in Bremen lachen können. So wählt er die Konferenz, und im Glauben, nichts zu verpassen, alles zu sehen, sieht er: nichts!

Die Konferenz zerfasert, zerreißt, zerstückelt. Um den Preis, jedes Tor möglichst 'zeitnah' zu sehen (live sieht man eh die wenigsten), weiß man überhaupt nicht mehr, warum die Tore fallen: War der Ausgleich verdient, glücklich, ein Witz? Keine Ahnung, denn eben waren wir noch ganz woanders und gleich sind wir auch schon wieder weg. Selbst in einem 60 Sekunden Tagesschaubeitrag ist mehr Spannung, mehr Kontextualisierung, kurz: mehr Fußball, als in der Premiere-Konferenz.

Man frage einen Konferenz-Gucker nach 30 Minuten, wer denn so spiele und wie es überall stehe. Gewöhnlich wird er maximal zwei, drei Spiele nennen können, oft mit falschem Ergebnis. Wer Konferenz guckt, guckt immer auch "Alle Spiele alle Tore". Aber anders als der Ein-Spiel-Schauer nicht im Modus der gespannten Erwartung des bei jedem Spiels wieder Mitfiebern-Könnens, sondern im Alzheimer-ähnlichen Modus des "ach ja, so war das, genau". Die Konferenz ist etwas für Menschen, die glauben, beim Fußball ginge es nur um Tore. Nicht ganz falsch. Mit gleichem Recht kann man behaupten, beim Sex geht es nur um den Orgasmus. Auch nicht ganz falsch, aber man bringt sich mit so einer Einstellung doch um jede Menge Spaß.

Die Konferenz ist der fernsehgewordene Beweis, daß man eben nicht immer am richtigen Ort sein kann. Sie hat nur einen Wert: sie bestraft die Dummen, Zögerlichen, Entscheidungsschwachen mit 2x45 Minuten Nullmedium á la Enzensberger vom Feinsten. Die Eingeweihten wählen lieber ein Spiel in voller Länge – und haben als Nicht-Konferenzler gleich noch einen Distinktionsgewinn.

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