Donnerstag, 29. April 2010

seitenwechsel #113

In der vergangenen Woche kam es im Seitenwechsel zum Eklat. Joachim schrieb uns einen Brief, engagiert und liebevoll wie immer. Doch Martin blieb ihm eine Antwort schuldig. Diese Woche nun hat er bei den lieben Kollegen von der Seitenwahl sein Schweigen erläutert. Und Joachim ist nicht nachtragend, sondern antwortet umgehend, wie wir es von ihm gewohnt sind. Nämlich hier:


Lieber Martin,

Du hast Dich zwar bemüht, Deine jüngste Unpäßlichkeit wortreich zu erklären, und ich verzeihe Dir natürlich. Dennoch beschleicht mich das Gefühl, daß jetzt, wo der SEITENwechsel kurz vor dem Saisonabschluß steht und bereits den Klassenerhalt gesichert hat, der Schlendrian einkehrt. Verschollen, kein Internet, soso. Gibt es denn keine Brieftauben mehr? Zumindest die traditionelle Schneckenpost sollte noch funktionieren. Oder warst Du einfach in südlichen Gefilden und hast Dir die Sonne auf den Pelz brennen lassen, wie Du an späterer Stelle in Deinem Brief andeutest? Gegönnt sei es Dir, doch Disziplin muß sein. Frag mal van Gaal. Ein wenig Geduld noch, dann ist Sommerpause (eine besonders lange dazu) und Zeit für den wohlverdienten Urlaub.

Schön, daß immerhin Borussia sich nicht hängen läßt, wenngleich noch zwei Spiele ausstehen und man vorher nicht zu viel Lob versprühen sollte. Mir kam beim Betrachten des Bayern-Spiels in Lyon in den Sinn, daß ich Ivica Olic am Samstag im Spiel gegen uns gar nicht gesehen habe. Ich weiß ehrlich nicht, ob der da in der Startaufstellung war oder nicht. Gegen Lyon schießt er dann einen Hattrick, so kann Fußball sein. Sollte er am Samstag mitgespielt haben, ist es natürlich eine Auszeichnung für unsere Mannschaft, daß er so unauffällig war. Andererseits möchte ich das Resultat gegen die Bayern auch nicht überbewerten. Die Bayern sind ein Meister darin, dosiert das Nötigste zu machen. Ich denke also jetzt nicht, daß wir besser sind als Lyon, vielmehr reichte den Bayern gegen uns ein Punkt, und den haben sie erzielt. Schön für uns, schön für die Bayern, aber das war es dann schon.

Im übrigen verstehe ich, warum sich Leverkusen jüngst die Bezeichnung Vizekusen hat schützen lassen, denn Schalke könnte bald ebenfalls auf solche Bezeichnungen aus sein. Vizekirchen statt Gelsenkirchen wird bald Konjunktur haben, warte es nur ab. (Und siehe da: Meine Rechtschreibkontrolle zeigt mir Vizekusen als Fehler an, nicht jedoch Vizekirchen – dies ist also bereits ein feststehender Begriff!)

Meine Lieblings-Champagnermarke, lieber Martin, möchte ich Dir derzeit nicht nennen: Das Produkt ist zwar lecker, aber ich kenne die Leute, die es herstellen, und die sind nicht lecker, daher möchte ich hier nicht kostenlos werben. Ich versteigere hiermit vielmehr den Werbeblock im folgenden SEITENwechsel. Gegen Zusendung einer Bootsladung Prozentbeladenem könnte hier IHRE Werbung stehen, selbst wenn es Weißbier wäre.

Dafür verrate ich Dir auf Deine Nachfrage hin, was man sonst noch von Frankreich lernen kann (Fußballspielen ist es nicht). Beispielsweise, wie man drei Wochen zur besten Sendezeit Werbung für die eigenen Tourismusregionen macht, indem man die schönsten Landschaftsbilder filmt, ein paar Radfahrer hinzunimmt und das Ganze Tour de France nennt – bald wieder im Lehnsessel mit einer Bouteille Rotem und einer Palette stinkigem Schimmel herrlich zu genießen. Denn eines ist klar, lieber Martin: Wir werden diesen Sommer viel Zeit haben, spätestens nachdem Deutschland im Achtelfinale der WM gegen Algerien durch einen Hattrick Karim Matmours ausgeschieden ist. Den verkaufen wir dann für € 53 Millionen nach Madrid, legen das Geld bei der Sparkasse an und kaufen für die Zinsen Griechenland, Portugal und Irland, einschließlich der jeweiligen Nationalmannschaften. Zumindest zwei oder drei Spieler könnten es davon in unsere erste Elf schaffen, mit dem Rest werden wir Regionalligameister und steuern auf eine große Zukunft zu.

Es grüßt Dich im Hintergrund die Fäden spinnend und im Vordergrund die Marseillaise auf Deutsch trällernd

Dein Joachim

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