Mittwoch, 14. April 2010

seitenwechsel #111

Kaum kann man noch die Jahre zählen, die es den wöchentlichen Briefverkehr mit unseren lieben Kollegen von Seitenwahl schon gibt. Ein Jubiläum reiht sich an das andere, und heute nun ließe sich die Schnapszahl der 111. Postille feiern. Doch Joachim und Martin sind aus anderen Gründen beschwingt. Joachim will gar seit langem zum ersten Mal wieder über "Fußball" sprechen, wie unten nachzulesen ist. Martin antwortet ganz beseelt und berichtet von Autos, die ihn nicht angefahren haben - nachzulesen wie immer bei Seitenwahl.

Lieber Martin,

Fußball! Ich beginne heute einfach einmal meinen Brief mit diesem Wort, nicht als Erinnerung daran, worüber wir hier schreiben, sondern als erfreuter Ausruf nach dem Frankfurt-Spiel. In dieser Partie sah die Leistung von Borussia nämlich verdächtig nach Fußball aus, und damit meine ich keineswegs allein das Ergebnis oder phasenweise Offensivbemühungen, sondern die gesamte Spielanlage sowie die Fähigkeit, das Tempo zu variieren und zum richtigen Moment wieder zu beschleunigen. Vielleicht das Schönste war für mich, daß erkennbar die Spitze der Fahnenstange noch nicht erreicht ist, denn manche Akteure offenbarten allzu deutlich, daß sie noch steigerungsfähig sind. Bleibt die Mannschaft zusammen und entwickelt sich weiter, dürfen wir uns auf die Zukunft freuen.

Gleichsam werde ich jetzt nicht mit Dir den Klassenerhalt feiern. Sicherlich passiert nach menschlichem Ermessen nichts Negatives mehr. Dennoch brauchen wir noch drei Punkte (oder wahlweise ein Unentschieden in Hannover), um mathematisch sicher zu sein. Ich bin alt genug und habe ausreichend Fußball erlebt, um die schwarze Magie von Negativserien und psychologischen Verknotungen am Saisonende zu kennen. 1993 hatte der 1. FC Saarbrücken nach 25 Spieltagen 23 Punkte (es galt noch die Zwei-Punkte-Regel) und feierte bei sechs Punkten Vorsprung auf Rang 16 bereits den Klassenerhalt. Dann verlor man neunmal am Stück und stieg als Letzter ab. Ich weiß, daß dies extreme Ausnahmen sind, aber die Vernunft gebietet, daß man feiert, wenn es etwas zu feiern gibt, und nicht vorher. Du feierst ja auch nicht Deinen Geburtstag am Tag vorher, nur weil Du weißt, daß er morgen kommen wird.

Somit bleibt der Schampus noch ein paar Tage im Kühlschrank. Es gibt ohnehin genug anderes zu besprechen. Beispielsweise, daß ein Spieler einen Zuschauer mit einer Flasche bewirft. Großartig, wie ich finde. Ich beispielsweise würde mich selbst auch manchmal mit einer Flasche bewerfen, wenn ich ein Spieler oder Trainer (gerne hier erwähnenswert: Peter Neururer) wäre und mir von mir manchen "Kommentar" anhören müßte. Oder nehmen wir das Gesocks auf den Rängen von Standard Lüttich, das beim Spiel gegen den HSV nicht zum ersten Mal Spieler mit Lasern geblendet, Unparteiische mit Feuerzeugen und anderen Gegenständen beworfen und auch sonst keine Gelegenheit zum Pöbeln ausgelassen hat. Offensichtlich sind ihnen die Waffeln durchgebrannt, und man müßte Spieler geradezu zwangsverpflichten, mit Gegenständen zurückzuwerfen. Macht man beim Schneeballwerfen ja auch, und warum muß man sich alles gefallen lassen, nur weil man Millionär ist?

Apropos Millionär: Hoppenheim steht wieder da, wo es hingehört, nämlich hinter uns. Erstaunlich, wie die letzten Jahre medial aufgebläht wurde, was letztlich langfristig betrachtet nur ein Furz im Wind der Geschichte bleibt. Ich schlage vor, daß die "Fans" vor Ort sich einen richtigen Verein suchen, beispielsweise Waldhof Mannheim (hehe…), wo man in kurzen Ausschnitten der Geschichte mehr Fußball geatmet hat als Software Sinsheim seit seiner Entstehung. Dann wird es auch wieder etwas mit den Emotionen.

Lieber Martin, abschließend die Frage der Woche: Steigt Osnabrück nun eigentlich auf, oder spielt Bochum nächste Saison gegen Aue? Nichts gegen Aue, ich war dort und fand es schön. Zudem ist das auch eine Bergarbeiterregion und paßt damit sehr gut zu Bochum. Aber es wäre schade um die kulinarischen Genüsse in der Zweiten Liga, denn diese herrlich verkohlte Bratwurst aus den Katakomben der westniedersächsischen Pferderennbahn ist kaum zu überbieten. Also: Wismut gegen Kohlwurst, wie lautet Deine Wahl?

Es grüßt Dich bei diesen Worten Hunger bekommend und einen Berliner verspeisend

Dein Joachim

Keine Kommentare: