Samstag, 23. Januar 2010

schlechte zeit für fußball**

Ich weiß doch: nur der Glückliche
Ist beliebt. Seinen Schuss
sieht man gern. Sein Fuß ist schön.

Der versagende Verteidiger hinten links
Zeigt auf den schlechten Rasen, aber
Die Zuschauer schimpfen ihn einen Versager
Doch mit Recht.

Die grünen Fohlen und die lustigen Fans der Borussia
Sehe ich nicht.

Von allem
Sehe ich nur der Berliner rissiges Tornetz.
Warum rede ich nur davon
Daß die vierzigjährige Herthanerin gekrümmt geht?
Die Brüste der Mädchen
Sind warm wie ehedem.

In meinem Lied ein Reim
Käme mir fast vor wie Übermut.

In mir streiten sich
Die Begeisterung über den mitreißenden Offensivfußball
Und das Entsetzen über die Fehler in der Abwehr.
Aber nur das zweite
Drängt mich zum Schreibtisch.


**Das Gedicht ist in der vergangenen Woche im Nachlass von Bertolt Brecht aufgetaucht. Er hat es offenbar als dramaturgische Skizze und Vorlage für sein später erschienenes Gedicht "Schlechte Zeit für Lyrik" genutzt. Wir veröffentlichen es exklusiv und anlässlich des Auswärtsspiels in Berlin.

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