So viele Brand-, Schmäh- oder Liebesbriefe haben wir uns schon mit den lieben Kollegen von Seitenwahl geschrieben. Und wie Toni Schumacher fordert: Wir machen weiter, immer weiter. Diesmal versucht Joachim noch einmal besinnliche Stimmung aufkommen zu lassen, bevor es in die Weihnachtspause geht. Martin macht, wie es so seine Art ist, da nicht mit und flieht in den Alkohol - bei Seitenwahl.
Lieber Martin,
ich sitze auf der Terrasse. Im Schatten läßt sich das Sommerhitze gut aushalten. Gleich kommen die Steaks auf den Grill, die Kohle nimmt schon Temperatur auf, und daneben kühlt das Bier im Wasserbad. Die Vögel singen, als wüßten sie, daß Wochenende ist und Borussia spielt. Ich gehe zum Fernseher und schalte den Videotext ein, denn gerade hat das Spiel begonnen. 1:0, 2:0, 3:0, so schnell kann sich die Seite gar nicht erneuern. Nach gut zwanzig Minuten steht es 6:0; ich habe so lange vor dem Fernseher ausgeharrt, denn in mir macht sich Zufriedenheit breit. Das nenne ich richtige Einstellung. Vorsichtige Hochrechnungen laufen auf Rekordergebnisse hinaus, zumindest wird das Spiel zweistellig enden, kein Zweifel. Die Welt ist gut.
Ich hänge im Bürostuhl, und die Arbeit türmt ihren gewohnt Vorweihnachtsberg auf; er wird nicht kleiner. Vom Regenschirm perlt noch der kalte Sprühregen ab, der das Gemüt umschattet hat und die Straßen in Rutschbahnen verwandelt. Mein Chef, Dortmund-Fan, macht keine Witze mehr über die wahre Borussia; tiefer kann ein Verein nicht sinken. Die halbe Stammelf besteht inzwischen aus Milchbärten, und Hans Meyer hatte den Eindruck, er arbeitete gut mit Christian Ziege zusammen, bis der plötzlich weg war. Nun, ich hatte den Eindruck, Borussia spiele ordentlich, bis ich auf die Tabelle guckte. In mir macht sich Verdruß breit. Vorsichtige Hochrechnungen laufen auf neue Rekord-Peinlichkeiten hinaus, zumindest wird die Saison im Verderben enden. Die Welt ist schlecht.
Vier Monate liegen zwischen beiden Tagen, zwischen Fichte Bielefeld und dem Tag, an dem Borussia Mönchengladbach zu Flechte Mönchengladbach zusammengeschrumpelt ist. Der Sommertag wurde schnell zu Schall und Rauch, denn bereits nach dreißig Minuten stellte die Mannschaft das Spielen ein und hat es seitdem kaum mehr aufgenommen. Doch genauso, wie die sommerliche Gefühlslage Makulatur wurde, kann dies mit der winterlichen geschehen. Immerhin ist es das aktuelle Wunder des Hauses Brandenburg, daß nach all den verlorenen Schlachten der Abstand zum rettenden Ufer nur zwei Punkte beträgt.
Tatsächlich wundert man sich wieder einmal über manche Form der Berichterstattung. Nach der Niederlage gegen Leverkusen und somit nach weniger als der Hälfte der Spielzeit ergingen sich Reporter normalerweise seriöser Medien gleich serienweise in Weltuntergangsphrasen und provozierenden Fragen an den Trainer mit dem Tenor, wann er denn das Handtuch schmeiße (dieselben werden beim nächsten Trainerwechsel wieder entrüstet die „Kontinuität“ beschwören). Am nächsten Tag zeigte die Sportschau nach dem Rückblick auf das Leverkusen-Spiel eine Reportage über Eugen Polanski, implizit mit der These „Seht her, was für einen Weltstar die blöden Gladbacher wieder haben laufen lassen!“ Das aktuelle Team wird nebenbei zerlegt wie ein überfahrenes Reh: Marin hierhin, Baumjohann dahin, ein paar andere in den Kühlschrank, der Rest in den Müll.
Ist das alles nicht etwas voreilig? Wer hat denn einem Polanski verboten, gut Fußball zu spielen, als er noch in Gladbach war? Wie viele „Stars“ sind schon aus Gladbach abgewandert und haben anschließend Karriere gemacht in einer Form, die über ihr bisheriges Niveau hinausging? Compper, gut, das bleibt abzuwarten. Wo ist Jansen? Das Beispiel Schlaudraff, das ich immer höre, ist der Witz schlechthin. Und sonst? Das Problem ist nicht, daß Spieler gehen, sondern daß zu viele Fehleinkäufe kommen – da sind wir wohl eher bei den Themen Scouting und Management. Und selbst das ist ein Luxusproblem, denn wenn ich das mit den anderen vier derzeitigen Abstiegskandidaten vergleiche, dann weiß ich nicht, wer außer Borussia in der Winterpause noch halbwegs ordentlich nachlegen kann.
Deshalb, lieber Martin, ende ich für dieses Jahr besinnlich und friedfertig. Ich war skeptisch, als ich Hans Meyer zurückkommen sah, doch die Male, die ich ihn seitdem getroffen und angehört habe, hat er mich überzeugt. Man lasse ihn in Ruhe arbeiten; wir sind noch nicht abgestiegen. Ja, es sind sogar Träume erlaubt. Ab und an habe ich in Aachen zu tun, und da höre ich permanentes Gerede von Relegationsspielen zwischen Alemannia und Borussia. So be it: eine spannende Rückrunde, und dann fegen wir die Kartoffelkäfer vom Acker, das ist ein Vorausblick auf ein richtig schönes Fußballjahr 2009.
Es wünscht Dir Frieden im Herzen und fette Konten, ob sie Punkte im Fußball oder Euro auf der Bank enthalten,
Dein Joachim
Donnerstag, 18. Dezember 2008
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