Manchmal kommen sie wieder, manchmal hören sie aber auch einfach nicht auf: Schon 66 Mal haben wir uns mit den lieben Kollegen von Seitenwahl Brand-, Schmäh- oder Liebesbriefe geschrieben. Hans Meyers Rückkehr nährt in dieser Woche Hoffnungen auf große Feiern in der fernen Zukunft bei Joachim. Martin dagegen singt heulend Bergmannslieder – in seiner Antwort, wie immer bei Seitenwahl.
Lieber Martin,
nun hat Borussia also den alten Kater aus dem Sack gelassen, und die Zeit der Spekulation ist vorbei. Überraschend war die Entscheidung nach all den Gerüchten nicht mehr, und in Ansätzen haben wir sie ja bereits diskutiert. Meine Meinung kennst Du: Ich halte nicht allzu viel davon, alte Bekannte aus der Versenkung hervorzuholen. So gehe ich beispielsweise auch nicht zu diesen schrecklichen Ehemaligentreffen meiner früheren Schule. Freunde sind temporär, und eigentlich immer, wenn ich nach langen Jahren alte Freunde wiedergetroffen habe, dachte ich: Diesen Dampfschwaller fandest Du mal intelligent? Diese abgetakelte Fregatte hieltest Du mal für hübsch? Nein, ich ziehe es vor, gute Erinnerungen da zu lassen, wo sie hingehören: im Kopf. Wenn es mir danach ist, hole ich sie aus ihm hervor und freue mich, aber ihnen zu viel Leben einzuhauchen, zerstört sie. Ich hätte es daher vorgezogen, Hans Meyer weiter den kleinen Rosengarten in meinem Herzen pflegen zu lassen, als ihn nun an Erwartungen zu messen, die er eigentlich gar nicht erfüllen kann.
Das alles ist natürlich subjektiv, aber es gibt auch andere Gründe, warum ich derzeit nicht jubele. Die erfolgreiche Ehe zwischen Hans Meyer und Borussia zwischen sagen wir Ende 1999 und Mitte 2002 baute auf ein Fundament, das ein anderes ist als heute. Meyer wollte sich 1999 in Deutschland beweisen, nachdem er dort keinen adäquaten Job bekommen hatte und erst in den Niederlanden neue Meriten verdienen mußte. Borussia war ein Wrack im Modder der Zweiten Liga, doch sportlich unterbewertet. Hinzu kommt, daß Borussia noch das schnuckelig unprofessionelle Bökelberg-Aschenputtel war, wo Meyer getrost den starken Mann geben konnte. Heute ist das anders. Meyer hat nichts mehr zu beweisen, auch hat er sich persönlich verändert, sowohl sportlich als auch privat (Gruß von dieser Stelle an Ex-Frau Meyer). Borussia glänzt mit neuer Fassade, doch daß der Verein derzeit sportlich nicht da steht, wo er hingehört, darf man bezweifeln. Das Risiko ist jedenfalls für alle Seiten höher. Dennoch denke ich, daß Hans Meyer gute Chancen hat, unsere Borussia diese Saison in der Liga zu halten (jeder halbwegs erfahrene Trainer hätte solche Chancen). Für die nächste Spielzeit freilich befürchte ich, daß wir im Herbst wieder da stehen, wo wir heute sind. Im Hinblick auf ein Vertragsende 2010 wird Meyer zunehmend wie ein Moorhuhn auf der Stange wirken, für alle Freizeitschützen zur Jagd freigegeben. Ob er sich das wird antun wollen?
Eines freilich tröstet mich, mein Freund: Die Jobchancen für Fachkräfte aus dem Osten der Republik scheinen gut, selbst wenn sie im Spätherbst ihres Schaffens stehen. Und es ist gut, daß man als Rollenvorbilder hierfür nicht mehr vorrangig Schauspieler heranziehen muß, die für den legitimen Nachfolger der SED den Zählkandidat geben und den ganzen lieben Tag lang die Republik mit irgendwelchem Schwachsinn zulabern. Da fällt mir ein, was macht eigentlich Ede Geyer? Spekuliert der auf den Trainerposten in Aserbaidschan, der bald frei wird? Und haben sie in Jena neben dem Stadion immer noch diese Vereinshütte, wo über dem Tisch der Gedenkschal an den Länderwettstreit DDR gegen Niederlande hängt? Hoffentlich wird Meyer das nächste Trainingslager wieder in Thüringen oder Sachsen abhalten, dann kann man diese und ähnliche Fragen einmal ordentlich untersuchen.
Lieber Martin, Du schweigst beredt!? Es sollte Dir doch inzwischen etwas besser gehen. Die Finanzkrise ist vorläufig mit neuen Derivaten abgesichert, Münte ist zurück, sogar die Sonne scheint ein wenig. Der KSC erschöpft sich in Frankfurt und ist am Samstag zu müde, um unserer Borussia allzu viel Kampf entgegenzusetzen. Die Nationalelf ist unterhaltsamer als der 1. FC Köln, wann hat es das schon einmal gegeben? Sind das nicht alles Gründe, aufzustehen, das Fenster aufzureißen und zu juchzen: „Ja, ich lebe!“? Borussia hat Dir den Hans gegeben, nun gib Du Borussia etwas zurück. Und wenn es nur der Beutel Kamillentee ist, denn Du das letzte Mal im Presseraum versoffen hast. Wie McCain immer sagt: Überleg nicht, was Borussia für Dich tun kann, sondern was Du für Borussia tun kannst!
Den Rotkäppchensekt für die nächste Aufstiegsfeier kaltstellend grüßt Dich selig umnebelt
Dein Joachim
Donnerstag, 23. Oktober 2008
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