Mittwoch, 22. Juni 2005

"weltuntergangsstimmung rund um den klub"

Der zweite Teil des VfLog-Interviews mit VfL-Medienchef Markus Aretz. (Teil 1 | Teil 3 | Teil 4)

Der Trainerwechsel von Hans Meyer zu Ewald Lienen war so ein Ereignis, wo man als Gladbachfan auch stolz sein konnte auf seinen Verein. Das war harmonisch wie nur wenige Wechsel in der Bundesliga. Stand das auch für einen Wert wie Kontinuität, den wir zuletzt bei den Trainern verloren haben, aber wiederfinden können und sollten, oder ist so was im Profigeschäft eine Illusion und Wunschdenken?

Das hätte natürlich jeder liebend gerne. Trainerwechsel gibt es nun einmal in der Bundesliga, auch vorzeitige, da ist keiner vor gefeit. Beim einen geht es vielleicht etwas schneller, bei anderen dauert es etwas länger; aber wie so etwas vonstatten geht und kommuniziert wird, hängt auch sehr von den handelnden Personen und der allgemeinen Situation ab.
Der Übergang von Meyer zu Lienen war auch deshalb so harmonisch, weil Hans Meyer optimal mitgespielt hat. Er hätte vielleicht auch Gründe gehabt zu sagen, dieses und jenes passt mir nicht und ich gehe hier im Zorn. Aber er hat immer die Interessen des Vereins vertreten, sogar als er gegangen ist. Wir haben damals ja auch gegen den Abstieg gespielt und er wusste einfach: Der Verein braucht Ruhe.

Bei Advocaat war es dann so, dass viele ihn sehr früh weghaben wollten. Aber es gab auch Stimmen, die in ihm die Vision einer internationalen, erfolgreichen Borussia der alten Schule verkörpert sahen und kritisiert haben, dass diese Perspektive, wegen der man Advocaat ja auch verpflichtet hatte, nicht länger kommunikativ verteidigt wurde. Gab es da zuviel Druck von außen oder war man auch im Verein uneins?

Intern war da überhaupt nichts, da haben alle absolut zu ihm gehalten, sowohl das Präsidium als auch alle anderen Mitarbeiter im Verein. Aber der Druck durch die Öffentlichkeit ist massiv geworden, nicht nur durch die Medien, sondern auch durch die Fans. Das habe ich, seit ich hier bin, nie so erlebt. Die große Mehrheit war gegen ihn und wollte ihn loswerden, wir hatten eine Atmosphäre im Stadion, die klar gegen den Trainer und auch gegen den Sportdirektor war, was dann auch noch auf die Mannschaft übergeschwappt ist. In die Online-Foren brauchte man ja gar nicht mehr reinzugucken. Das war eine Weltuntergangsstimmung rund um den Klub. Und das hat dann auch dazu geführt, dass er gesagt hat, es hat keinen Sinn so.

Und das kam auch wirklich von Advocaat selbst?

Ja. Das kam nach dem Spiel gegen Mainz von ihm, da hat das Präsidium sich geweigert und gesagt: „Nein. Wir ziehen das durch mit dir.“ Er ist dann noch einmal einen Tag nach Holland gefahren, kam danach aber zurück und meinte erneut, dass es so nicht weitergeht. Und ich glaube, dass er letzten Endes auch recht damit hatte. Denn als er weg war, ist so ein Druck vom Verein abgefallen – dass war wie wenn man beim Kochtopf den Deckel entfernt: Alles konnte entweichen, und es war wieder Ruhe im Verein.

Bei Dick Advocaat gab es ja auch sehr, sehr früh schon heftige Kritik von der Presse. Haben Sie dafür eine Erklärung?

Bei Dick Advocaat war die Situation so: Er hatte während seiner Zeit als Nationaltrainer in Holland schlechte Erfahrung mit der Presse gemacht und war vorher Trainer in Schottland. Da arbeitet man ganz anders, da gibt es eine Pressekonferenz vor dem Spiel, eine danach und das war’s. Sonst arbeitet man völlig abgeschottet. Das war für ihn eine heile Welt, ungestört. Und so wollte er das hier auch haben. Wir haben ihm natürlich gesagt: „Das läuft so nicht in Deutschland, Du musst auch zwischendurch zur Verfügung stehen.“ Aber er hat darauf bestanden, dass wir es zumindest bis Weihnachten so machen, wie er es will und dann gucken, ob es geht. Nur: Da war das Kind dann natürlich längst in den Brunnen gefallen, auch wenn er später zu angemeldeten Interviews bereit war. Und selbst das war auch zu wenig. Heute wollen Journalisten den Trainer nach jedem Training ansprechen können, zumindest kurz einen Satz hören, und wenn es nur um Kinkerlitzchen geht.

Wie ist denn ihre Position dazu? Denken Sie manchmal, es wäre schön, wenn man heute noch arbeiten könnte wie früher und weniger unter Beobachtung wäre? Oder finden Sie die hohe mediale Aufmerksamkeit positiv?

Ich kann privat jeden verstehen, der nur mit Menschen reden will, die ihm sympathisch sind. Aber so geht es heute eben nicht mehr. Und man muss es auch so sehen, dass wir alle davon leben. Wenn man heute in die BILD-Zeitung guckt, die Seiten zählt, das ist doch gigantisch geworden: Es gibt ja in Deutschland kaum Wichtigeres mehr als die Bundesliga. Deswegen sind Sponsoren und Fernsehsender bereit, viel Geld auszugeben, von dem wir die Spieler bezahlen und die Mitarbeiter. Das hält erst das Geschäft am Laufen und sorgt auch dafür, dass man international mithalten kann.
Der idealistische Fan, der keine Sponsoren will, keine VIP-Logen, keine zerstückelten Spieltage wäre wahrscheinlich auch nicht glücklich, wenn er sich durchsetzt, dann aber alle guten Spieler ins Ausland gehen und wir auf einem Niveau wie zum Beispiel in Belgien spielen würden.

Bei all der Aufmerksamkeit der Medien ist es auch klar, dass man in Krisen sofort in eine Position gerät, in der man nur noch reagieren kann. Aber was ist denn ihre persönliche Vorstellung einer aktiven Medienarbeit der Borussia?

Aktive Medienarbeit ist das, was jeder Pressesprecher in der Bundesliga am liebsten hätte. Und das versucht man auch, indem man zum Beispiel mit der Vereinsführung vor Entscheidungen spricht, mögliche kommunikative Konsequenzen aufzeigt und sich auch auf Reaktionen von Fans und Medien vorab einstellt. Aber das kann man letztlich nur so lange machen, wie es gut läuft. In der Realität ist es so, dass man meistens in reaktive Situationen gedrängt wird und sich da kaum wehren kann. Da bringt es auch nichts zu jammern: Das Ergebnis auf dem Platz überlagert alles, da kann man noch so gut aufgestellt sein, Marketingeinnahmen erzielen, viele Mitglieder haben, Dauerkarten verkaufen, gute Medienarbeit machen. Wenn die Mannschaft dreimal verliert, ist alles schlecht. Das wäre blauäugig, wenn man meinte, eine Saison lang nur aktive Medienarbeit machen zu können. Man muss sich aber so aufstellen, dass man gut und angemessen reagieren kann, wenn es schlecht läuft.

Hatte eigentlich Peter Pander ganz andere Vorstellungen von Medienarbeit als Christian Hochstätter oder konkrete Änderungswünsche?

Kaum, auch die Unterschiede in der Medienarbeit zwischen den Bundesligavereinen sind ja wie gesagt nicht mehr so groß. Das wird immer ähnlicher und es geht dann nur ums Detail. Aber da ändert man dann auch mal etwas. Peter Pander hat zum Beispiel am Anfang Ruhe in den Verein und auch in die Medien bringen wollen. Da hat er wirklich jede Interviewanfrage angenommen. Das war auch richtig und hat geholfen. Es ist immer besser, wenn man mitreden kann, wenn über einen gesprochen wird.


Lesen Sie am Freitag, ob der Kanzler recht hat, ob es künftig 'Fohlen-TV' auf Premiere gibt und was kleine Minderheiten schätzen.

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Das hätte man DA ja wirklich nicht zugetraut, dass er so lautlos und einsichtig selbst kündigt. Hat Aretz das wirklich gesagt, oder habt ihr DA-Fans euch das ausgedacht...? ;)

Martin hat gesagt…

Auch wenn wir für für unsere (auch journalistische) Experimentierfreudigkeit bekannt sind: Im gesamten Interview ist selbstverständlich nichts, was wir uns ausgedacht haben! Wir sind ja nicht Tom Kummer.
Ich als DA-Fan war auch gar nicht überrascht, dass er so stilvoll gegangen ist. Das passt doch zu ihm: Ein (zugegeben: knurriger) Mann mit Prinzipien, der aufhört, bevor er sich verbiegen muss -- und bevor er einer guten Sache mehr schadet als nutzt...

Christoph hat gesagt…

"Ein (zugegeben: knurriger) Mann mit Prinzipien, der aufhört, bevor er sich verbiegen muss -- und bevor er einer guten Sache mehr schadet als nutzt..."

Moment mal. Wir sprechen hier von einem Trainer, der sein Team an den Abgrund geführt hat. Der mit seinen Einkäufen nicht mal in einer Truppe am unteren Bundesligarand eine Qualitätsverbesserung herbeiführen konnte. Unter dem ein Fußball gespielt wurde, für den man sich in Grund und Boden schämen mußte. Und nach dessen Abgang sich geradezu übernacht ein drückendes Gewicht vom Verein hob. Hallo? Hab ich hier was verpaßt? Was soll das Gerede von "Medienkampagne" und "Fanhetze"? Habt ihr die Spiele während der Advocaat-Zeit nicht GESEHEN?

Anonym hat gesagt…

Wer ein Advocaat-Fan ist,
kann nichts von Fußball verstehen.
Man kann seine Art mögen,
ihn als Mensch mögen, das ist keine Frage.
Aber als Fußballtrainer hat er alles falsch gemacht, was man falsch machen kann bei der Borussia.
Er hat die Spieler verunsichert,
hat ständige Wechsel vorgenommen, unsinnige taktische Veränderungen vorgenommen, keine Kontinuität erreicht.
Dazu sollte man auch ab und zu den Spielern erklären, warum sie einen Spieltag auf der Tribüne sitzen und am anderen von Anfang an spielen.
Das einzig Positive bei Advocaat war sein Abgang.

Anonym hat gesagt…

auch wenn DA nicht der richtige Mann für die Borussia war, eins muss man ihm zu gue halten: ohne DA hätten wir nie einen Keller, Thijs, Sonck und Elber im Kader. Danke Dick!

Christoph hat gesagt…

...die alle noch den Nachweis schuldig geblieben sind, eine Abstiegskampf-Mannschaft verstärken zu können! Was soll das nur? Wenn die ersten Spiele der neuen Saison zeigen, daß diese Spieler tatsächlich wirbeln können; wenn die Stafette Thijs - Sonck - Elber - TOR! tatsächlich zur samstäglichen Regel wird - DANN kann man sich für zumindest einige Zukäufe der letzten Saison bedanken. Aber jetzt?