Dienstag, 21. Juni 2005

...muss ich neidlos anerkennen

Es wird Wahlkampf im Lande - und man kann sich darauf verlassen, dass in absehbarer Zeit wieder Neiddebatten die Gazetten erobern. Neiddebatten sind solche Debatten, in denen die einen sagen, sie könnten nicht wie sie können müssten, weil die anderen mehr können als sie eigentlich können dürfen sollten. Der gewöhnliche Reflex auf derartige Debatten ist der, die einen abzukanzeln, eben weil sie neidisch seien, die anderen aber mindestens dafür zu kritisieren, dass sie nicht selbst einsähen, ungerecht viel zu können. Wieso diese Debatten generell immer umgehend für unlauter befunden werden, ist bemerkenswert, aber für unseren kleinen Familienblog ein zu weites Feld. Warum aber, darf sich der Fußballfan verwundert die Augen reiben, entfachen sich solche Kontroversen nicht auch in unserem Business?

Mal abgesehen von den zarten und ehrenwerten Versuchen eines Marco Bode, der dereinst den Krankenschwester-Vergleich für ein paar Tage sogar auf die BILD-Titelseite hievte - bis das Blatt wohl recht schnell einsah, dass es nicht uneingeschränkt klug ist, das Pfund, mit dem sich so fein wuchern lässt, für umoralisch zu befinden -, abgesehen von diesem Marco Bode also versuchen sich auffällig wenig Aktive wie Fans, diesem Thema Bedeutung beizumessen. Wahrscheinlich aus den gleichen Gründen wie denen der BILD.
Dabei, mag man meinen, sollte das eklatante Missverhältnis jedem Stadionbesucher an jedem Wochenende erneut auf den Magen schlagen: Millionen-Gehälter für 'Stars' auf dem grünen Rasen, Bruchteile dieses Salärs für die Fans auf den Rängen, die oft sogar auf andere Annehmlichkeiten verzichten, um ihrem Klub die Daumen zu drücken. Das fußballerische Ausnahmekönnen eines Michael Ballack oder Giovane Elber, eines David Beckham oder Ronaldo anzuerkennen, müsste ja noch lange nicht bedeuten, deren Gehaltsgefüge gleichmütig als recht und billig hinzunehmen. Tut es aber. Und sogar die vielen Holzfüße und Fußballarbeiter mit weniger klangvollen Namen verdienen ein Vielfaches derjenigen, die sicher nicht weniger leisten. Leistung scheint also (auch hier) nicht das Kriterium zu sein.

Ist es womöglich Knappheit, wie oft in wirtschaftsliberalen Kreisen vermutet? Liegt das exorbitante und unverhältnismäßige Gehalt unserer Helden darin begründet, dass sie Exklusivität beanspruchen können, weil es eben sonst wenige Menschen gibt, die ähnlich beschlagen an den Ball treten können? Vordergründig mag das eine Erklärung sein, aber: Selbst wenn es nur einige wenige außergewöhnlich gute Kicker gibt, ist dies Legitimation genug für deren üppiges Salär? Warum geht hier kein Ruck durch's Land - diesen späten Gefallen könnte man Herzog, ob Roman oder Andreas, doch tun. Warum beklagt sich niemand, warum werden keine Fragen gestellt?

Wenn sich eine solche Diskussion entzündet - und das gelingt immer für kurze Zeit dann, wenn die Helden stolpern, wenn veloren wird und "Millionarios"-Sprechchöre chic sind -, dann darf sie als kurzes moralisches Strohfeuer herhalten. Die Leute gehen trotzdem ins Stadion, zahlen trotzdem eine Menge Geld für die schlechte Arbeit überbezahlter Hobby-zum-Beruf-Macher. Ein Störfeuer sähe anders aus.

Vielleicht muss man einmal sagen: Das darf kritisier werden! Das Gehaltsnivieau überduchschnittlich guter Fußballspieler - 'Stars' - ist einigermaßen pervers!
Andere mögen nun wieder Gründe dafür finden können, warum das viele Geld dennoch legitim verteilt ist - mit ein wenig Mühe kann man womöglich gar geteilter Meinung sein. Sicher könnten einige erkleckliche Erklärungen dafür gefunden werden, wenn man denn nur nach ihnen suchen würde. Verwunderlich ist doch aber, dass diese Fragen überall anders gestellt werden, nur eben Stars werden damit höchst selten konfrontiert, auch nicht im Spitzensport, und wenn, dann mehr als zaghaft und folgenlos.

Wieso nicht? Ist der Mehrwert, den die Kicker und Rennfahrer und Schlägerschwinger tagtäglich transportieren, der Gewinn an (Fan-)Identität und womöglich auch die Ablenkung von alltäglichen Sorgen und Nöten, wertvoller und nicht mit Geld aufzuwiegen? Gönnt man ihnen gar ihre finanzielle Besserstellung zugunsten des eigenen emotionalen Benefits, zu dem die Verehrung unserer Stars gereicht?
Ist diese Erklärung aber nicht andererseits viel zu einfach? Wandelt man auf diese Weise nicht zu naiv auf den Pfaden der Frankfurter Schüler (wohlgemerkt nicht die der Frankfurter Eintracht), indem man den gemeinen Fußball-Fan für derart verblendet erklärt, dass er die materiellen Klassenunterschiede hinnimmt, im Unwissen und unfähig zu erkennen, dass der von ihnen in Anspruch genommene Mehrwert nur ein deutlich scheinbarer und unaufgeklärter ist und dass die Profiteure enorm unverhältnismäßig profitieren?
Außerdem sind nicht alle Krankenschwestern und Handwerker und Angestellten dieser Erde Fußballfans oder solche, die ihre Sinnsuche mit Stars anreichern und sogar fündig werden.

Wieso also keine Neiddebatte in diesen Bereichen, wieso kein Aufschrei der Fußballfans? Warum funktioniert es, sie von vornherein als unlauter zu brandmarken und zu (ver)schweigen?
preisbloggen
Zu dem Thema hat auf den Foren von borussia.de eine Debatte mit Umfrage begonnen. Der folgende Link führt Sie zu dem entsprechenden Forum. Gerne können Sie aber auch hier Ihre Kommentare hinterlassen.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ein schön nachdenklicher Artikel! Mir fällt dazu Roda Roda ein (nicht Roda Kerkrade, sondern der österreichische Schriftsteller), der mal über ein anderes Thema sinngemäß schrieb: "Zu diesem Thema kann man verschiedene Positionen vertreten, und ich habe sie alle schon gehabt -- manchmal bis zu 16 an einem Tag, dabei bis zu vier gleichzeitig." So geht es mir: Ich finde die Gehälter einerseits auch pervers, aber andererseits ist es mir lieber, ein Elber verdient die Kohle als ein Ackermann...

Anonym hat gesagt…

Der Unterschied: Die Politiker stehlen Geld. Fussballer bekommen es in den Arsch geschoben (allerdings oft von den Freunden der Politiker). Funktioniert wie bei ebay. Glück kann man sich kaufen, in dem man die besten Spieler engagiert und dann einen Pokal gewinnt. Und bei den Besten treibt es den Preis automatisch in die Höhe, weil es eine Versteigerung ist. Sonst würden ja gute Spieler in Osnabrück oder Gladbach spielen, weil dort die besten Fans und die beste Stimmung herrschen.

Anonym hat gesagt…

Ich sehe das Ganze wenig tragisch. Es ist nunmal so, dass die Vereine über die Zuschauer, Sponsoren und Fernsehrechte (mittelbar über die Werbung dort, deren Lukrativität durch die Einschaltquoten bestimmt wird) jede Menge Kohle machen. Wenn dieses Geld zu einem Großteil an die Spieler geht ist das a) Gesetz des Marktes, denn wofür sollten sie es sonst ausgeben? und b) auch nur fair, denn die Spieler sind es nunmal, die diese Einnahmen generieren.

Zudem muss man auch sehen, dass um ein so guter Fußballer zu werden die restliche Ausbildung schleifen gelassen werden muss. Wer so gut Fußball spielt kann sonst nichts anderes (die wenigen Ausnahmen bestätigen die Regel). Als Sportler hat man dann ein Karriere von maximal 15 Jahren (die in jeder Sekunde aus vielen Gründen auch schon wieder vorbei sein kann) und steht am Ende völlig überaltert und unqualifiziert vor dem Einstieg ins "wahre" Berufsleben. Einem solchen Menschen kann man dann nur wünschen, dass er schon ausgesorgt hat, was auf den durchschnittlichen BL-Spieler trotz allem nicht zutrifft.

Wen man die Einkommen in absoluten Zahlen vergleicht, besteht vielleicht ein Missverhältnis, aber ich finde diesen Vergleich zu kurz greifend.

Jan