Freitag, 24. Juni 2005

"mit einem lächeln im gesicht"

Der dritte Teil des VfLog-Interviews mit VfL-Medienchef Markus Aretz. (Teil 1 | Teil 2 | Teil 4)

Der Kanzler hat mal gesagt, er könne allein über BILD, BamS und Glotze regieren. Das ist lange her, aber gibt es im Fußball heute auch so etwas wie Leitmedien für Sie?

Generell behandeln wir alle Medien gleichrangig. Bundesweit haben natürlich BILD, Kicker und Premiere, weil die live übertragen, die größte Ausstrahlung. Der Doppelpass im DSF hat sich auch etabliert als Diskussionsforum. Und bei uns ist auch die regionale Tageszeitung vor Ort, die Rheinische Post, wichtig, weil die in der Stadt die Stimmung mitbestimmt.

Und die Öffentlich-Rechtlichen sind abgemeldet? Sportschau und Sportstudio?

Beide sind schon noch wichtig. Das Sportstudio hat vielleicht nicht mehr die Quoten wie früher, aber nach wie vor einen guten Ruf. Und die Spieler gehen auch gerne hin, wenn sie eingeladen sind. Das ist immer noch eine Art Ritterschlag.

Die Fernsehrechte werden bald auch neu verhandelt. Was ist die Position, die Gladbach da vertritt und an die DFL weitergibt?

Keine andere als die meisten anderen Vereine sie auch vertreten. Wir möchten schon die Einnahmen erhöhen und uns den anderen Ligen anpassen, also zum Beispiel Italien, Frankreich oder England. Gerade Frankreich ist ein guter Bezugspunkt, weil dort die Rechte viel mehr kosten, obwohl die Liga dort keineswegs spannender oder fußballerisch interessanter ist. Da sollte sich schon etwas verändern. Aber das darf nicht dazu führen, dass man Bundesliga nur noch im Pay-TV sieht.

Es gibt ja auch Überlegungen, den Spieltag auseinanderzuziehen, samstags früher zu spielen usw. Was finden Sie davon gut, und wo sehen Sie auch die Grenze, bevor die Fans dann wegbleiben?

Ich bin keiner von denen, die neun Spiele am Samstag um 15.30 haben müssen. Aber alles muss zuschauerfreundlich bleiben. Was spricht dagegen, ein interessantes Spiel rauszuziehen und samstags um 20 Uhr zu zeigen? Auch der Sonntagstermin um 17.30 Uhr ist heute wirklich etabliert und sogar ziemlich familienfreundlich, der Freitagstermin früher war ja auch sehr beliebt. Um das Thema wird auch viel Palaver gemacht.

Wäre für Gladbach auch eine komplette Selbst-Vermarktung interessant, wie sie ja die Bayern immer fordern? Vielleicht gar mit eigenem Kanal bei Premiere als Fohlen-TV?

Das sind natürlich primär Themen für unseren Manager. Ich persönlich denke, dass ein eigener Fernsehkanal wohl ein bisschen übertrieben wäre. Ansonsten wäre die Selbstvermarktung für Borussia sicher interessant, da gibt es sonst nur wenige Vereine in der Liga, für die sich das lohnen würde. Eigentlich nur die, die bundesweit viele Anhänger haben, also Bayern, Dortmund, Schalke und Gladbach. Aber ich halte trotzdem das Prinzip für richtig, dass die Liga zentral vermarktet wird und das Geld nach einem Schlüssel umgelegt wird. Das funktioniert, und wie es ist, ist es auch gut.

Für Vereine ist auch das Internet zu einem interessanten Medium geworden, weil sie hier die Inhalte auch komplett selbst bestimmen können. Gladbach tut das mit borussia.de, parallel gibt es aber auch aufwendige und noch umfangreichere Seiten wie Torfabrik oder Seitenwahl, die das Geschehen auch journalistisch aufbereiten und kommentieren. Gibt es da eine bewusste Aufgabenverteilung?

Borussia.de ist sehr wichtig für uns, weil wir darüber unmittelbar, ganz schnell und gezielt Vereinsmeinungen kommunizieren können. Das versuchen wir auch immer. Wir wollen Neuigkeiten an die Fans bringen, bevor sie in den Medien sind, aber auch auf Berichte reagieren können und denen die Vereinsmeinung gegenüberstellen. Das konnte man früher nicht, das ist für die Vereine eine positive Entwicklung.
Wir können aber auf der vereinseigenen Seite keine kontroversen Diskussionen über den Club führen. Dafür wäre das der falsche Ort, auch wenn wir der Meinung sind, dass es so etwas auch im Internet geben muss. Deswegen haben wir auch früh die Zusammenarbeit mit Torfabrik und Seitenwahl gesucht. Wir wollen auch diesen Fanseiten ermöglichen, ins Stadion zu kommen oder Interviews mit Spielern zu führen. Das läuft gut, die Seiten sind ja auch professionell gemacht, und wir unterstützen das, wo wir können.

Auf der einen Seite gibt es nun die sehr professionellen journalistischen Angebote im Netz, andererseits gibt es auch noch die Fanforen, die vielleicht weniger professionell, dafür aber umso emotionaler sind. Hat man die als Verein auch im Blick?

Da guckt man schon rein, das beobachtet man, aber nicht so, dass man jetzt morgens direkt nach der Zeitungslektüre in die Foren schaut. Dafür haben wir ja auch die Fanbeauftragten, deren Aufgabe es ist, in den Verein weiterzugeben, wie die Befindlichkeit bei den Fans ist und was die beschäftigt. In den Foren zeigt sich auch, wenn die Fans Probleme haben, ihre Dauerkarte zu kriegen, oder sich zum Beispiel beschweren, dass in Block 19 der Zaun zu hoch ist. Dort kann man also ein bisschen fühlen, was bei den Fans so gedacht wird und dann darauf reagieren.
Man muss aber auch sehr, sehr aufpassen mit diesen Foren. Ich glaube, das ist auch ein Nachteil, den die Entwicklung mit dem Internet heute hat, dass wirklich jeder in der Lage ist, anonym seine Meinung abzusondern, was dann natürlich auch wieder von den Medien aufgenommen wird.

Sie sagen, Sie möchten über borussia.de auch Falschmeldungen korrigieren. Ab wann reagieren Sie da, und was ist so ein übliches Grundrauschen, das man unkommentiert lässt?

Die Schmerzgrenze ist schon ziemlich hoch. Wenn man auf alles reagieren würde, was einen stört, da käme man gar nicht mehr hinterher. Ich denke, der Verein muss einschreiten, wenn etwas bewusst und nachweislich falsch dargestellt wird. Zum Beispiel hatten wir das Problem, dass die BILD-Zeitung im Januar permanent geschrieben hat, wir hätten für sieben Spieler zwölf Millionen Euro ausgegeben. Es waren aber nur drei Millionen. Das haben wir eigentlich in jeder Pressekonferenz und auf der Homepage so oft wie es ging gesagt. Aber wie gesagt: Man kann auch nicht auf alles reagieren, beim besten Willen nicht.

Dazu vielleicht auch noch eine Frage zur Zusammenarbeit mit Journalisten. Fragt man sich nicht an irgendeinem Punkt, wie man täglich mit Menschen zusammenarbeitet, von denen man am Frühstückstisch auch mal einen Artikel gelesen hat, wegen dem man ihnen vielleicht am liebsten den Hals umdrehen würde…?

Ja, das gibt es, und das ist ganz schwierig. Mit einem Lächeln im Gesicht muss man das ertragen.

Mal ganz unabhängig von Gladbach: Wie zufrieden sind Sie mit dem deutschen Sportjournalismus? Es gibt eigentlich drei Genres: Kicker/Sportbild, dann die Tageszeitungen und schließlich so etwas wie 11Freunde. Es gibt nur relativ wenig dazwischen. Würden Sie sagen, da ist noch Raum? Und ist vielleicht auch Raum für eine tägliche Sportzeitschrift, wie es sie in Frankreich oder Italien gibt?

Ich wäre begeistert, wenn es sowas geben würde! Ich war immer fanatischer Liebhaber der Equipe in Frankreich, weil ich immer gern in Frankreich Urlaub gemacht habe und Französisch spreche. Da gehört es für mich jeden Tag dazu, die Equipe zu holen und von vorn bis hinten zu lesen, sehr zum Leidwesen meiner Freundin. Das finde ich toll, und das hätte ich gern hier auch. Ich glaube auch, dass dafür Platz wäre.
Was die Qualität des Sportjournalismus angeht: Man kann das schlecht vergleichen mit dem Ausland. Wenn ich an Tagen, an denen mal wenig los ist, genüsslich Sportberichterstattung lese, dann ist das oft in der Süddeutschen Zeitung oder FAZ, weil da ausgeruhte Geschichten stehen, die man mal in Ruhe lesen kann: hintergründig und nicht nur den Ergebnissen hinterherhechelnd, nicht reißerisch aufgemacht. Das ist für mich qualitativ hochwertiger Sportjournalismus, den es natürlich nicht nur in SZ oder FAZ gibt.

Wie ist das mit den journalistischen Formen: Der Kicker hat seit jeher einen sehr zahlenorientierten, nüchternen Stil, da gibt es zum Beispiel in FAZ und SZ schon vielmehr Journalismus in essayistischer oder Reportageform. Würden Sie sich auch einfach mehr Experimente und Innovationen wünschen?

Absolut. Aber da bin ich vielleicht auch Angehöriger einer kleinen Minderheit, die das bevorzugen würde.

Zum Schluss dieses Journalismus-Blocks sei uns eine Frage in eigener Sache gestattet: Haben Sie schon mal einen Blick auf den VfLog geworfen?

Ja, den habe ich mir angeschaut. Den Ansatz finde ich sehr interessant, das ist ja schon sehr außergewöhnlich. Und die Geschichten gefallen mir gut, die sind gut geschrieben. Das ist eine wirklich nette Ergänzung, auch nicht mit dem Anspruch „Wir müssen jeden Tag die neuesten Nachrichten aus Gladbach und Osnabrück auf der Seite haben“. Aber das, was so passiert, wird originell aufgearbeitet und durchaus auch mit der Meinung der Autoren verknüpft. Finde ich schön.


Lesen Sie am Montag im letzten Teil, warum Holland jenseits von gut und böse spielt, von den Zielen für die nächste Saison und was passiert, wenn der Bökelberg abgerissen wird.

Keine Kommentare: