In etwa so müssen sich die Iren 1972 gefühlt haben. Die beiden VfLs erleben einen schauerlichen 19. Spieltag. Immerhin gibt es heuer keine gewalttätigen Ausschreitungen. Wir beginnen schon am Tag danach mit der Aufarbeitung - und starten in Osnabrück.
Am meisten dürften die offiziellen Spieldaten verwundern. Steht da doch schwarz auf weiß zum VfL: "Pässe gelungen in %: 76." Osnabrück muss immens viele Pässe gepasst haben gestern gegen Wehen, wenn nach dieser vortrefflichen Fehlpassorgie trotzdem noch ein derart hoher Wert rauskommt.
Nun ist die Super-Serie von 27. Heimspielen ohne Niederlage also gerissen – endlich, könnte man meinen. Osnabrück verliert glücklich 0:2. Dass gerade Wehen, ein Konkurrent im Abstiegskampf, vom schlechtesten VfL-Auftritt in dieser Spielzeit profitiert, ist indes besonders bitter.
Als Uwe Ehlers die erste lila-weiße Chance des Spiels in der 81. Minute an die Latte köpfte, mag es jedem unwiederbringlich klar geworden sein: Dieses Spiel geht verloren; so viel Dusel, wie für einen Ausgleich nötig wäre, hat der VfL heute nicht. Einige Experten lagen mit ihren Analysen da gewiss schon früher richtig: Meine Mutter zischte bereits in der 10. Spielminute entnervt: "Wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen!" Recht hat sie, wie immer. Was folgte, war jämmerlich. "Meine Mannschaft hat ein Gesicht gezeigt, wie ich es lange Zeit nicht gesehen habe", sagt der konsternierte Coach Pele Wollitz. "Keine Spielphantasie, keine Aggressivität, keine Körpersprache." Man wähnte sich ziemlich genau ein Jahr zurück versetzt, als eine desolate Rückserie dafür sorgte, dass Magdeburg – und nicht Osnabrück – mit St. Pauli in die 2. Bundesliga aufstieg. Also fast jedenfalls.
Fehlpässe haarsträubender Art, unerklärbare Blackouts, völlige Ideenarmut. Von Anfang an war nicht Osnabrück, sondern Wehen die Mannschaft, die Druck aufbaute und niemals Zweifel aufkommen ließ, dass sie gewinnen will. Der VfL war zwar nominell nicht in Bestform aufgelaufen – schließlich mussten verletzungsbedingt Marko Tredup und Ehlers von Beginn an mitmischen –, doch das kann nicht erklären, warum die Mannschaft über 90 Minuten nicht einen durchdachten Spielzug mit Torabschluss zuwege brachte. Jeder Anflug von Torgefahr war nicht Ergebnis sinnhafter Bemühungen, sondern Zufall, stochernder zumal.
Eine Menge versuchte Wollitz, um die Mannschaft wach zu rütteln. Zu Beginn tauschten Gaetano Manno und Alex Nouri kurz ihre Positionen – Manno wechselte ins rechte Mittelfeld, Nouri mimte den Sturmpartner von Thommy Reichenberger auf links. Doch dieses Experiment wurde schnell rückgängig gemacht. Mitte der ersten Halbzeit tauschten dann Marcel Schuon und Henning Grieneisen ihre Mittelfeldseiten, auch nur für zehn Minuten. In der zweiten Hälfte, als das letzte Spiel von Tredup im lila-weißen Dress ein Ende gefunden hatte, spielte dann Schuon rechter Verteidiger, Grieneisen wechselte dauerhaft ins rechte Mittelfeld und der eingewechselte Bilal Aziz übernahm die linke Mittelfeldseite. Schlussendlich stromerte Jan Schanda noch eine Viertelstunde hinter den Spitzen im offensiven Mittelfeld. Gebracht hat das alles nichts. "Dieses Spiel war das logische Ergebnis der vergangenen Trainingswoche", sagt der Trainer. "Einige meinen, Sie hätten sich nach dem wirklich guten Freiburg-Spiel zurücklehnen können, doch das geht nicht. Bei uns gilt eben immer noch: Potenzial – ja. Qualität – nein."
Diese Qualität ließen – abgesehen von Manno, Aziz, einem hilflosen Torwart Frederik Gößling und dem recht soliden Andreas Schäfer – alle vermissen. Thomas Cichon produzierte ähnlich unbegreifliche Abspielfehler und ungenaue Anspiele wie Ehlers, Grieneisen, Schuon und Matthias Heidrich, dem es sonst immer noch gelungen war, die Übersicht zu behalten und ein halbwegs ansehnliches Spiel aufbauen zu helfen. Von alldem: Nichts. Diese Pleite kann nicht allein damit erklärt werden, dass Paul Thomik als rechter Verteidiger fehlte; einer, der für diese Mannschaft offensichtlich unersetzbar ist.
Nun ist beileibe nicht alles schlecht. Noch immer steht der VfL mit besten Voraussetzungen für den Klassenerhalt auf dem 13. Tabellenplatz. Nächste Woche in Paderborn könnte die Mannschaft ihr hübsches Gesicht zeigen, die nächste Serie reißen lassen und einen enorm wichtigen Auswärtssieg feiern. Doch die Sorge ist wieder da. Die alten Desaster sind wieder gegenwärtig.
Wollitz sagt in seiner bekannten Nach-Niederlagen-Laune, er habe sich abgewöhnt, von irgendwem irgendetwas zu erwarten, weil man doch in der Regel nur enttäuscht werde. Er wünsche sich nur, dass seine Spieler sich verhielten wir Profis. Man darf wohl gewiss sein, dass er ihnen in den nächsten Tagen dennoch mitteilt, was er erwartet, und sei es vermittels eines etwas angefetteten Trainigsplans.
Pfiffe gab’s nach Spielschluss übrigens keine – das ist mindestens bemerkenswert! Doch selbst wenn der eine oder andere Dummbart sich nicht hätte beherrschen können: "Nach einem solchen Spiel sehe ich keinen Grund, warum ein Zuschauer diese Mannschaft unterstützen sollte." Sagt der Trainer. Und er wird dennoch zur Kenntnis genommen haben, dass selbst das Osnabrücker Publikum wieder mehr Geduld hat als bis zum nächsten schlechten Spiel.
Montag, 11. Februar 2008
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1 Kommentar:
Man braucht kein politisch korrekter Korinthenkacker zu sein, um den Bloody Sunday-Vergleich verdammt daneben zu finden. Der Autor scheint nicht wirklich zu wissen wovon er schreibt.
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