Diese ewigen Rechthaber sind eine Pest. Stochern im Nebel, mutmaßen um die Wette, und wenn wirklich mal eintritt, was sie prophezeiten, prahlen sie nicht lauthals, sondern übertrieben bescheiden, was noch unangenehmer ist: Der VfL hat gestern erstmals in dieser Saison im 4-4-2-System mit zwei echten Stürmern gespielt, sicher auch, weil Alexander Nouri verletzt ausgefallen war und damit ein zweiter ‚Sechser’ fehlte, der an der Seite von Matthias Heidrich nicht nur defensiv, sondern auch im Spielaufbau überzeugen kann. Jo Enochs also übernahm den defensiven Part vor der Abwehr, Heidrich, Bilal Aziz und Henning Grieneisen agierten als Mittelfeldachse davor. Vorn stürmte Gaetano Manno an der Seite von Thomas Reichenberger. Heraus kam ein 2:2 gegen Alemannia Aachen und ein tolles Zweitligaspiel. Viele Zweikämpfe, viele Torchancen, schnell, spannend.
„Ich bin jetzt sechs Jahre Trainer, und heute gehe ich das erste Mal zufrieden nach Hause. Ich muss sagen, diese zweite Halbzeit, das war Fußball“, schwärmte VfL-Coach Pele Wollitz nach dem Abpfiff, als sich seine Mannschaft nach zweimaligem Rückstand einen Punkt eben nicht nur erkämpft, sondern auch erspielt hatte. „Wir hätten drei Punkte verdient gehabt, wenn man bedenkt, wo wir herkommen und wo Aachen herkommt. Wir haben, immer gemessen an unseren Möglichkeiten, viel mehr für das Spiel investiert, und das gegen so einen Gegner!“ Der Spielverlauf gebietet zwar, nicht allzu sehr über das Unentschieden zu klagen, zumal Aachen durch Jerome Polenz schon in der ersten Hälfte das dritte Tor hätte machen müssen, doch Polenz scheiterte schließlich beinahe millesk an den Beinen von Thomas Cichon und Tino Berbig. Auch das 0:1 in der zweiten Minute und der verschossene Elfer von Cichon in der 45. waren zwei äußerst heikle Spielmomente, nach denen nicht unbedingt mehr ein Unentschieden rausspringen muss. Umso bemerkenswerter, dass und wie sich der VfL den Punkt doch noch verdient hat.
Aachen war im vergangenen Jahr noch Bundesligist und mit 33 Punkten nach dem 26. Spieltag eigentlich schon gerettet, Osnabrück war auch nach der 90. Minute des letzten Spieltags noch Regionalligist. Davon war gestern überhaupt nichts zu sehen, daher hatte der Auftritt von Aachens Trainer Guido Buchwald in der Pressekonferenz etwas mindestens Merkwürdiges. Buchwald betrat den Presseraum, schritt zu Wollitz – und gratulierte gönnerisch. Wozu, das blieb sein Geheimnis. Wollitz nahm die Glückwünsche etwas perplex an, und revanchierte sich ein paar Minuten später: Nachdem Buchwald sein weltmeisterliches Statement zum Spiel abgegeben, von einem verdienten Unentschieden gesprochen und seiner Mannschaft ein gutes Spiel attestiert hatte, ging das Rederecht an Wollitz: „Ich widerspreche meinem Kollegen nur ungern, aber heute muss ich sagen: Das habe ich völlig anders gesehen.“
Immerhin in zwei Augenblicken war die Alemannia dem VfL total überlegen: Als Marcel Schuon mit einem erneut haarsträubenden Fehler das 0:1 mustergültig vorbereitete, lupfte Szilard Nemeth den Ball klasse über Berbig, der dort stand, wo ein Torwart zu stehen hat, wenn die eigene Mannschaft in Ballbesitz ist; und als der Bauerntrick zur erneuten Aachener Führung gelang und ein Freistoß am Osnabrücker Strafraum als Rückpass ausgeführt wurde, „über den wir eigentlich einen Konter hätten einleiten müssen“, so Wollitz, der stattdessen aber Patrick Milchraum als Vorlage zum 2:1 gereichte.
Danach stellte Wollitz allerhand um: Mitte der ersten Hälfte schon hatten Aziz und Grieneisen kurzzeitig einmal die Seiten getauscht, was dem eher unglücklich agierenden Aziz jedoch nicht zu weniger Fehlern oder mehr Selbstvertrauen verhalf. In der zweiten Hälfte dann verließen Aziz, Enochs und der völlig abgemeldete Reichenberger den Platz, Thomik rückte auf die Aziz-Position ins rechte Mittelfeld, Schuon mimte für Thomik den rechten Verteidiger, Ndjeng überzeugte in nur 20 Minuten als Innenverteidiger statt Schuon, Frommer übernahm die eher offensive Mittelfeld-Rolle von Heidrich, der fortan den Enochs machte. Diese aufwändigen Umbauarbeiten haben sich gelohnt, denn der VfL zeigte vielleicht das bisher beste Spiel der Saison, obwohl es ‚nur’ unentschieden endete.
Ein paar Gewinner gab es dennoch: Allen voran Grieneisen und Manno, denen Wollitz attestierte, sie hätten „sensationell“ gespielt. Besonders von Grieneisen schwärmte der Trainer minutenlang. Außerdem spielte Andreas Schäfer äußerst stark, und das ist doch überraschend, weil er in der vergangenen Saison nicht unbedingt den Eindruck machte, als sei er eine verlässliche Größe als linker Verteidiger. Doch er straft uns Lügen. Auch in den Partien zuvor, besonders aber gestern spielte Schäfer nicht nur fehlerlos, sondern ausgesprochen souverän und sogar klug nach vorn. Der vierte Tagessieger heißt Dominique Ndjeng, auch das eher unerwartet, da Ndjeng nach den desaströsen Auftritten in der vergangenen Rückserie und dem traurigen Höhepunkt in Hamburg eigentlich schon abgeschrieben war. Nun ist er zurück, und obwohl sein Auftritt nur kurz währte, spielte er so sicher und überzeugend wie in etwa vor einem Jahr.
Leider mündet jede hoffnungsvolle Rückschau auf ein Heimspiel – das 24. in Folge übrigens, das der VfL nicht verloren hat – in Sorge wegen der nahenden Auswärtsaufgaben. Nächste Woche Sonntag führt die Reise nach Koblenz, einem direkten Konkurrenten. Bisher verstand es Osnabrück auswärts immer vortrefflich, kriselnde Mannschaften in nur 90 Minuten aufzubauen (Gladbach, Hoffenheim, Augsburg, Lautern). Das muss bald ein Ende haben. Wollitz, der von den Stadionsprechern gestern vor Spielbeginn übrigens zum Co-Trainer degradiert wurde, scheint selbst nicht so genau zu wissen, warum sein Team auswärts nicht annähernd so überzeugen kann wie daheim. Ein Rezept jedenfalls könnte sein, in Koblenz mit der Mannschaft zu beginnen, die gestern am Schluss auf dem Platz stand: Wieder im 4-4-2-System – und mit Hennings und Manno als Stürmer.
Samstag, 20. Oktober 2007
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