Mittwoch, 10. Oktober 2007

seitenwechsel #41

Immer mittwochs gibt es eine Institution im VfLog: Den Seitenwechsel mit den lieben Kollegen von Seitenwahl. Seit der vergangenen Saison schreiben wir uns Brand-, Schmäh- oder Liebesbriefe - mit noch immer wachsender Leidenschaft. Diesmal hat Martin bei Seitenwahl vorgelegt - und wird dafür von Mike ausnahmsweise gelobt.

Lieber Martin,

selten hast Du mir so aus der Seele geschrieben wie dieses Mal. Auch ich bin geradezu euphorisiert, betäubt, starre ungläubig auf die Tabelle, die erzielten Ergebnisse. Als Borusse scheint es kein "Zwischending" zu geben. Man pendelt in den letzten Monaten zwischen ohnmächtiger Wut und Fassungslosigkeit (Abstieg) auf der einen und ungläubiger und unfassbarer Freude (Tabellenführung) auf der anderen Seite. Das zehrt an den Nerven, das kostet Kraft. Und so will sich dieses gute Gefühl ob der momentan Phase nicht so recht einstellen. Der wache Verstand warnt per se vor Euphorie. Abgesehen davon: Du weißt, wie schnell dies alles kippen kann. Das nächste Spiel kann die sechs davor vollends vergessen machen. Bei Derbys sind Fans ohnehin penibel, bei Niederlagen gegen den 1.FC Köln sind sie so humorvoll wie ein afrikanischer Putschist auf dem Weg zum Parlament.

Auch ich bewege mich zurzeit zwischen den Welten, gar zwischen mehreren Welten. Ich führe ein heimatloses, auch privat unruhiges Leben, bin auf der Suche nach einer neuen Bleibe und dies im Wissen, dass auch die neue Heimat nur von kurzer Dauer sein wird. So werden die neuen, eigenen vier Wände nur eine Zwischenlösung, bis es mich in knapp 12 Monaten aufgrund Praktika während des Studiums für 6 Monate irgendwo auf der Welt verschlagen wird. Ja, Umzüge sind komische Zeiten. Sie sind spannend, aber anstrengend. Wie die Bundesliga der Herzen, die hoffentlich auch nur eine Zwischenlösung sind.

Ja, die Determinismusdebatte verfolge ich sehr wohl. Die Frage, ob der Mensch einen "freien Willen" hat, beschäftigt den Menschen seit Urzeiten. Aber was ist der Wille? Und wann ist er frei? Als ich mich entschloss, mein Herz der Borussia zu schenken, war ich da frei? Kann ein Wille qua definitionem überhaupt frei sein? Der Begriff "freier Wille" setzt ja voraus, dass ich mich auch hätte anders entscheiden können. Konnte ich das damals wirklich? Auch wenn ich den Determinismus tendenziell bejahe, so lass mich sagen: wie langweilig wäre diese Welt! Es gäbe kein Fußball, keine VfLs, keine Seitenwechsel. Und die Wohnungssuche könnte ich mir auch sparen. Um mit Schopenhauer zu sprechen: "Der Mensch kann tun, was er will; er kann aber nicht wollen, was er will."

Auf dass uns die Leserbriefe unserer philosophischen Leser um die Ohren fliegen,
Mike

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