Dienstag, 27. Januar 2009

dramulett-dienstag #20: die ermittlung

In den Spielpausen sorgt das VfLog-Theaterensemble für gute Unterhaltung für die ganze Familie - heute zum vorerst letzten Mal. Kurz vor Beginn der Rückrunde brillieren unsere Dramatiker mit einem Stück aus der Tradition des dokumentarischen Theaters. Vorhang auf!

Ein karg eingerichtetes Polizei-Büro. Fahles Licht einer Schreibtischlampe, zwei Personen sitzen sich gegenüber: Ein Hauptkommisar und Willi, ein gebückter, verhärmter Mann, der viele Jahre in Isolationshaft bei der DFL im Frankfurter Westend saß.

Kommissar, stellt ein Tonbandgerät an: Dienstag, 27. Januar 2037, 10:50. Vernehmung von Herrn, ääh.
Willi, räuspert sich, dann leise: Willi, nennen Sie mich einfach Willi.
Kommissar: Also gut, Vernehmung von Herrn Willi. Herr Willi, wie lange waren Sie Gefangener der DFL?
Willi: Man hat mich am 15. Dezember 2000 entführt, vor vier Tagen haben mich meine Freunde endlich befreien können. Das sind also gut 37 Jahre Haft.
Kommissar: Hat man Sie in dieser Zeit gefoltert? Hat man Sie gut behandelt?
Willi: Ich kann darüber noch nicht sprechen. Ich muss erst etwas Abstand gewinnen und brauche etwas Zeit für mich. Was ich sagen kann: Meine Peiniger haben mich in einer Zelle von wenigen Quadratmetern gefangen gehalten, die innen komplett rot war, und ich musste viele Stunden am Tag mit einem weißen Fußball spielen. Essen gab es nicht immer genug. Mein Anwalt hat recherchiert, besonders wenig gab es immer dann, wenn Außenseiter in der Bundesliga bei den Großen der Liga gewonnen haben. Dann hatten meine Entführer auch immer sehr schlechte Laune und waren grob zu mir.
Kommissar: Hat man sie geschlagen?
Willi: Selten.
Kommissar: Was heißt das?
Willi: Eine Ohrfeige, vielleicht fünf Mal im Jahr. (kurze Pause) Dürfte ich eine Zigarette haben?
Kommissar: Selbstverständlich. (holt eine Zigarettenschachtel aus seiner Hemdtasche und bietet Willi eine an; verlässt kurz den Raum, kehrt mit einem Anschenbecher zurück) Bitte. Können Sie sich vorstellen, warum man Sie geschlagen hat?
Willi, zündet sich eine Zigarette an, seine Finger zittern: Nein, es gab keinen Grund dafür. Es gab nie Gründe für irgend etwas.
Kommissar: Hat man Ihnen je erklärt, warum man Sie gefangen hält?
Willi: Nein, nie. Ich weiß nur von meinem Anwalt, dass es offenbar um Vermarktungs- und Fernsehrechte ging. Aber Herr Heubele selbst hat auch keine Auskunft bekommen. Oft hat man ihn auch nicht zu mir gelassen.

Willi bricht in Tränen aus. Der Kommissar verlässt erneut den Raum, kommt mit einer Packung Taschentücher zurück uns reicht sie Willi. Willi putzt sich die Nase.

Kommissar:
Hatten Sie Angst, dass man sie tötet?
Willi: Ich wusste, dass man mir nichts tut, solange die Klubs alle Bedingungen erfüllen. Ich hatte Angst, dass sie das irgendwann nicht mehr tun.
Kommissar: Die DFL ist nun aufgelöst, wir haben alle Mitarbeiter festgenommen. Glauben Sie, dass Sie Ihre Peiniger bei einer Gegenüberstellung identifizieren können?
Willi: Ich möchte jetzt gern eine Pause machen. Ich möchte nach Hause. Bitte lassen Sie uns ein anderes Mal weitermachen.

Willi steht auf, zieht sich hastig seine Jacke an und verlässt den Raum.
Kommissar: 11:13 Uhr, Ende der Vernehmung von Herrn Willi.

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