Es gab Zeiten, da waren VfL-Keeper Stefan Wessels die Augen noch nicht geöffnet worden. Er spielte für einen Verein namens 1. FC Köln. Vor gut zwei Jahren, Ende November 2006, war das. FC-Trainer war auch damals schon Christoph Daum. Jetzt, da alles nur noch von Padulski, oder wie der heißt, spricht, blicken wir nochmal zurück. Damals war auch nicht alles schlecht.
Der 1. FC Köln hat am Samstag ein Auswärtsspiel in Fürth mit 2:1 gewonnen. Was die können, das müsste die Borussia doch eigentlich auch hinbekommen. Doch etwas fehlt in Gladbach. Ein Messias, der die richtigen Worte findet. Ein Trainer, der obschon von Krankheit gezeichnet doch kurz vor Spielbeginn noch alles auf Sieg polt. Einer wie Daum. Torwart Stefan Wessels (27) sagte: "Er hat auf Anhieb etwas bewegt." Und Spielmacher Thomas Broich (25) betonte: "Daums Ansprache hat Wirkung gezeigt, er hat einfach Feuer. Wir haben gekämpft wie besessen." Exklusiv im VfLog heute die Kabinenansprache von Christoph Daum im Wortlaut. So dürfte es in München doch auch für den VfL klappen.
Daum tritt ein. Er hält eine Plastiktüte in der Hand, aus der Dampf aufsteigt. Seine Augen funkeln, und abrupt herrscht Totenstille. Alpay Özalan richtete sein Trikot nach Osten aus und schickt sich an, auf die Knie zu gehen.
Daum, streicht ihm väterlich über den Kopf: Na, lass mal gut sein. Ich bin ja beileibe kein Gott. Eher sowas wie euer Mohammed, so ein Prophet eben.
Alpay Özalan: Ok, Christus. Äh, Christoph. Verzeihen Sie: Herr Daum.
Daum, an alle: Jungs, da bin ich. Ihr alle kennt mich bisher nur aus dem Krankenhaus, aber jetzt bin ich bei euch. Hört mal zu. An dem Alpay, an dem könnt ihr euch ein Beispiel nehmen. Namen sind nämlich Schall und Rauch ab heute. Hier kommt es nur darauf, wie ihr euch auf dem Platz verkauft. Ich will, dass ihr heiß seid, so heiß wie das, was ich hier in der Tüte habe. Der Alpay ist Türke, der weiß so gut wie ich, wie es dort in der Türkei abläuft. Dort ist Krieg, dort ist 90 Minuten Kampf bis aufs Blut. Ich hab dort rund zwanzig Titel gewonnen, glaubt mir: Die Einstellung, die ist zentral. Fabrice, wo lasse mer de Dom?
Fabrice Ehret, schüchtern: In Kölle?!
Daum: Wo lasse mer de Dom, Adil?
Adil Chihi, unsicher: In Kölle?
Daum: Alpay?
Öcalan: Welchen Dom?!
Daum: Richtig! So sieht es aus! Welchen Dom!? Zur Not reißen wir ihn raus! Wir lassen hier keinen Stein auf dem anderen, wenn es sein muss. Wir wollen aufsteigen, Jungs! Dahin, wo wir hingehören. Zu Real oder zu Juventus. Kennt ihr Möhlmann? Ich auch nicht. Ich kenne Wenger, ich kenne Mourinho. Jungs, ich merke: Ihr versteht mich. Ich muss dafür nicht laut sprechen. Darf ich auch gar nicht. Die Mandeln, ihr wisst... Interessiert sich hier jemand für meine Mandeln?
Milivoje Novakovic, betont freundlich: Geht es Ihnen wieder besser, Trainer?
Ricardo Cabanas, mitfühlend: Was in der Zeitung stand, klang echt nicht gut.
Özalan: Trainer, Ihre Scheiß-Mandeln interessieren mich einen feuchten Dreck.
Daum, gestikuliert wird, steht gebückt, wendet sich an alle: So! Das will ich hören! Meine beschissenen Mandeln sind eh nicht mehr da. Euch haben sie nicht zu interessieren. Da draußen, 20 Meter von hier, warten Krieger aus Fürth. Ich will nicht, dass ihr euch um irgend etwas Sorgen macht. Ich will, dass ihr die niederstreckt. Jetzt, hier und heute geht die Saison für uns bei Null los. Hier beginnt heute eine neue Zeit. Und was war, das ist mir scheißegal. Ihr seid die Helden, Jungs. Da draußen warten 60.000 Zuschauer auf euch, und denen werdet ihr zeigen, dass ihr Helden seid. Da tobt der Bär. Das wird ein Fest, Jungs. Da freut ihr euch jetzt drauf. La Tour de Force, die ist jetzt vorbei. Ich will, dass ihr das genießt. (Pause) Wisst ihr, wer vor einigen Jahren der erste völlig unabhängige Komponist war?
Özalan, leise: Mousse T.?
Daum, wendet sich zu Özalan, legt ihm die Hand auf Schulter: Bitte, Alpay, was hast du gesagt:
Thomas Broich, flüstert zu Özalan: Mozart!
Özalan, unsicher: Äh, Mozart?!
Daum: Genau! Mozart! Der war der erste, der sich einen Scheißdreck für die anderen interessiert hat. Was aus dem geworden ist, muss ich jawohl keinem hier erzählen. Aber dieser Mozart, der ist schon lange tot. Wir brauchen einen neuen. Und wisst ihr, wer das ist? (hält inne, lässt die gespannte Stille ins Unermessliche anschwellen) Das ist der Thomas. (wendet sich zu Broich) Thomas, ich will, dass du hier der Komponist bist. Spiel vituos, mach, was keiner erwartet, lass dich nicht beirren, trau dich zu zaubern. So wie der Mozart nach Wien geflüchtet ist, so bist du zu uns nach Köln gekommen. Und du wirst hier ein ganz großer werden. Jungs, der Thomas, der wird hier mit eurer Hilfe ein ganz großer werden. Der wird ein zweiter Mozart! Aber ohne euch ist der nichts. Für wen kämpft ihr heute, Jungs?
Alle, außer Broich: Für Mozart!
Daum: Und für wen kämpfst du, Mozart?
Broich: Für euch alle!
Daum: Und wie kämpfen wir heute füreinander?
Özalan: Mit högschter Disziplin!
Daum: Genau! Wisst ihr, was ich hier in der Tüte habe? (greift in die Tüte, es spritzt etwas flüssiges, rotes heraus) Wisst ihr's? Nicht? (holt den Kopf eines Geißbocks raus, der noch warm ist; in der Kabine bildet sich eine Blutlache) Den habe ich eben geköpft. Der hat euch Pech gebracht, der Hennes. Und dann muss man Einzelne für das Ganze opfern. Und wenn wir das Ende Mai nicht packen, mit dem Bundesligaaufstieg, dann sehen wir genau so aus. Jeder einzelne von uns. Die Fans werden uns nicht davonkommen lassen. Und womit? Mit Recht! Wollt ihr das?
Alle, entgeistert: Nein!
Daum: Ich auch nicht. Darum geht jetzt raus und spuit's Fußball. Und nächste Woche komm ich auch zum Training. Dann werde ich der sein, der ich sein werde! (verlässt abrupt die Kabine)
Mittwoch, 21. Januar 2009
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